Letzten Samstag schlenderte ich ein wenig herum, ohne Ziel, recht entspannt, schaute dann auch einmal wieder in einem Buchladen vorbei und landete ohne allzu große Umwege bei der Abteilung „Lebenshilfe“.
An exponierter Stelle fand ich einen Spiegelbestseller, der in etwa so titelt wie der heutige Blogartikel von mir.
Es geht mir nicht um ein bestimmtes Buch, weder um Werbung dafür noch um den kritischen Blick darauf – es geht mir ganz allgemein darum, welche Kultur ich in unserer Gesellschaft zunehmend wahrnehme und wie ich dazu stehe. Die Kultur der Selbstheilung und der Selbstoptimierung stößt mir sauer auf.
Wenn Sie bei amazon – wofür ich hier ebenfalls nicht werbe – mal vorbeischauen und „Panikattacken“ eingeben, dann finden Sie Titel, die den Focus darauf legen, dass Sie das alleine bewältigen können, das Problem mit der Angst.
Da genügen ganz wenige Schritte, da können Sie auf Knopfdruck ein „weg damit“ erreichen, da machen Sie Entspannung, oder Sie atmen besonders, oder Sie verstehen das Problem oder, oder, oder … Der Akzent liegt auf „machen Sie selbst“ und es wird in meinen Augen durch viele Cover signalisiert: „Ist ganz einfach“.
Damit habe ich Probleme. Die Menschen, die unter Panikattacken leiden, sind oft verzweifelt. Sie haben schon einiges versucht, die Freunde gaben zahlreich Ratschläge, manches hat der Arzt wohlmeinend vorgeschlagen, manches war per se untauglich – Alkohol wirkt ja nur scheinbar und kurz – das Erleben war: Ich schaffe es nicht, diese Attacken loszuwerden, ich bin verkehrt, ich bin hilflos. Da kommen depressive Verstimmungen gar nicht selten noch oben drauf.
Jeder und jedem, die oder der Entlastung durch ein Buch erleben durfte, gönne ich es von Herzen, und natürlich sind Bücher oft hilfreich. Mein Problem ist das suggerierte Versprechen auf Heilung: „Mach, was in diesem Buch steht und es geht Dir bald besser.“ Die seriöseren Bücher enthalten den Hinweis, dass gegebenenfalls Therapie angesagt sein kann. Aber das steht nicht auf dem Cover und selten an anderer exponierter Stelle – im Haftungsausschluss muss es stehen!
Um Missverständnissen vorzubeugen: Auch eine Therapie kann und darf keine Heilung versprechen – auch Nebenwirkungen sind dabei nicht ausgeschlossen!
Wovon ich jedoch überzeugt bin ist: Der Mensch lernt im Kontakt, Heilung gelingt besser im menschlichen Miteinander als allein.
In der Psychotherapie gehört es zu den Wirkfaktoren, ob zwischen der Klientin oder dem Klienten und der Therapeutin oder dem Therapeuten ein vertrauensvoller Kontakt gelingt.
Der Mensch ist ein soziales Wesen. Panikattacken können Einsamkeitsgedanken und Hoffnungslosigkeit im Gepäck haben. Ein Mensch, der zuhört, der Kompetenzen und Kenntnisse in seine Arbeit einfließen lässt und Verständnis für das Leiden aufbringt, ist nach meiner Ansicht der Weg der Wahl für die Hilfesuchenden.
Panik heißt: „Ich sterbe jetzt.“ und „Ich will jetzt noch nicht sterben!“ Das Erleben, dass die letzte Attacke nicht mit dem Tode endete, genügt bedauerlicherweise nicht, um weitere Attacken zu verhindern.
Mit welcher Methode am besten erfahren und gelernt werden kann, dass Angst nicht tötet, es im Leben jedoch leider keine Sicherheit gibt, dass es zum Leben gehört, die Endlichkeit zu akzeptieren, auch wenn wir als Menschen nicht wirklich begreifen, was das heißt… Darüber beginne ich hier an dieser Stelle keinen Disput. Ganz sicher bin ich, dass der Austausch auch über solche Fragen zur Bewältigung der Angst dazu gehört.
Und Austausch braucht mehr als eine Person.
Ich rate dazu, gute Gesprächspartner*innen zu suchen. Wer will, kann ja außerdem ein Buch lesen.
Alles Gute! Ulrike Roderwald