Zum Abschluss meines kleinen Einblicks in den Kongress „Reden reicht nicht!?“ 2019 erzähle ich eine Geschichte von Dr. Gunther Schmidt – so wie ich sie gehört und in Erinnerung habe.
Geschichten können erzählt werden oder pantomimisch erlebbar gemacht werden. So war es bei einem Beispiel, das Dr. Gunther Schmidt für das, was er Problem-Lösungs-Gymnastik nennt.
Es gab wohl eine Zeit auf dem Weg zum Facharzt für Psychotherapie, in der er wenig glücklich mit einigen Abläufen und Entscheidungen seines Vorgesetzten an der Klinik war. Einiges wollte er wohl anders machen, und es gab für ihn dann Anlässe, zu denen er bei seinem Vorgesetzten vorsprach.
Er schilderte es bei seinem Vortrag mit seinem ganzen Körper, wie er entschlossen und voller Vorsätze für seine Rede, die zu halten er beabsichtigte, beim Vorgesetzten erschien. Noch im Vorzimmer hielt sich der Körper wohl ganz gut.
War er aber erst bei seinem Gesprächspartner angelangt und ließ ihn dieser so ein bisschen väterlich – jaja, die jungen Leute, immer eigene Ideen – letztlich abblitzen, so schrumpfte er zusammen. Er nannte es in etwa „im Fahrstuhl in Windeseile abwärts gefahren“ zu sein, bis zum Alter von etwa 7 Jahren. Der kleine Gunther dann, viel kürzer als in Jetztzeit, mit Piepsstimme sprechend und nicht besonders eindrucksvoll argumentierend, erreichte natürlich nichts und zog unverrichteter Dinge von dannen.
Dies wiederholte sich wohl einige Male und muss durchaus quälend für ihn gewesen sein, hin und her gingen die Gedanken, nicht rausgeworfen werden zu wollen, am Ende selbst gehen wollend, aber doch den Facharzt zu machen als Ziel, also durchhalten müssend….
Als es ihm seine Körpersignale unüberhör- und fühlbar machten, wie er immer wieder klein wurde beim Versuch, seine Vorschläge zu Gehör zu bringen, da nutzte er dies. Er erfand etwas, das er die Problem-Lösungs-Gymnastik nannte.
Dazu ging er in die Hocke, machte sich klein, da unten war er ganz mit seinem Problem verbunden, assoziiert. Er nennt das eine Problemtrance. Sogar die Stimme wird klein und schmächtig. Er sagt, solche unwillkürlichen Problemmuster seien zu würdigen und zu nutzen, zu utilisieren. Stimme, Körper, alles klein, Problem groß.
Und dann hoch aus der Hocke sich nach oben schwingend, groß werdend, sich vergewissernd, wer man heute ist, mit all den Lösungsmustern, die schon da sind, nur nicht immer so einfach abrufbar… Aufgerichtet, mit heutiger Stimme, verbunden mit der Lösung: Dies durchstehen wollen, aber nicht um jeden Preis. Eigene Vorstellungen in den Prozess eingeben, verändern. Hier wird die Lösungstrance auch körperlich erlebbar, mit allen Ambivalenzen, aber ganz verbunden mit den Ressourcen, den Stärken und den Absichten, mit denen der erwachsene G. sein Anliegen vorbringen will.
Diese „Gymnastik“ übte er vielmals, so oft wie möglich, immer ganz im Problem unten hockend und ganz in der Lösung oben aufgerichtet. (So eine Art schwungvolle Kniebeugen.) Ein Genuss, bei der Live-Präsentation zuzuschauen! Ich bekam richtig Lust, das auch einmal zu machen!
Wie ging es weiter? Ganz überzeugt davon, dass er nunmehr gestärkt und beinah unverwundbar den Raum des Vorgesetzten betreten könne und dort klipp und klar seine Kritik und seine Vorstellungen vorbringen werde, bat er um einen neuen Termin. (Die Vorzimmerdame habe schon schwerstes Mitleid mit ihm gehabt!)
Hoch erhobenen Hauptes betrat er den Raum. Begann zu reden, aber… Vor und in seinen Augen nahm sein Gegenüber die bekannte einschüchternde Optik an – und rutsch, ging es wieder abwärts! Fahrstuhl, sieben Jahre alt, pieps.
Aber nun, jetzt kommt der Clou! Wie von selbst richtete sein Körper sich auf, erstarkte die Stimme… Der Körper erinnerte sich doch: Immer wenn es abwärts gegangen war, ging es anschließend wieder nach oben! Das „Unten-Sein“ wurde zur Erinnerungshilfe für das „Aufstehen“! Sein Körper zog ihn förmlich ins Jetzt und in die Lösung.
Er hat dann wohl ganz gut reden können und sein Vorgesetzter wurde vor seinen Augen auch ein anderer. Den Ausgang der Geschichte weiß ich nicht mehr. Es wird wohl gut gegangen sein, ein Rausschmiss ist es jedenfalls nicht geworden.
So wie ich es in der Präsentation gesehen habe, habe ich ihm jedes Wort geglaubt. Dass nämlich der Körper ganz genau gespürt hat, was passiert, wenn wir uns klein machen, ganz verbunden mit dem Problem. Dass wir das aufnehmen können in eine Problemtrance und würdigen. Der Körper teilt hier etwas mit! Dass nach wiederholter Übung der Körper auch merken kann, wie eine Lösungstrance sich anfühlt. Und dass am Ende eine so wechselvolle Gymnastik Problem-Lösung-Problem-Lösung-Problem-Lösung, die Auflösung des Steckenbleibens des Fahrstuhls bewirkt, automatisch die Fahrt nach oben zur Lösung geht und der ganze Körper dies im Konflikt auch auszudrücken weiß.
Haben wir gerade so ein Problem? Geht die Fahrt manchmal abwärts und wir schrumpfen? Könnten wir das mal ausprobieren, Gymnastik machen, sah lustvoll aus, auf jeden Fall kann es spannend werden!
Ich gehe nicht davon aus, dass Dr. Gunter Schmidt meinen Blog liest. Sollte ein dusseliger Zufall aber dazu führen, dass er zumindest davon hört, dass jemand jemanden kennt, die / der ihn gelesen hat: Ich bitte vorsorglich um Verzeihung für alle Verdrehungen und Verzerrungen in meiner Schilderung! Das hier ist mein Text, für den muss ich selber gerade stehen.
Eine gute Woche!