Sind wir ein bisschen Jossele?

Jossele ist ein frommer Mann. Er betet täglich mehrmals zu seinem Gott, das tut er, seit er beten gelernt hat. Außerdem ist Jossele ein Mann mit geringen Geldmitteln, es hat ein wenig an günstigen Umständen und glücklichen Zufällen gefehlt in seinem Leben.
Vom Beten kann er die Raten für sein Häuschen nicht zahlen und die Arztrechnungen für die Kinder auch nicht. Immer mal wieder reicht es auch für die Lebensmittel nur sehr knapp, vollwertig ist die Ernährung der Familie nicht!
Jossele denkt mit. Er hilft seinem Gott mit einer Idee. Voll Vertrauen fleht er inständig um Gottes Hilfe: „Allmächtiger König , Schöpfer des Erdreichs und der Himmel, ich bitte dich, erbarme dich, lass mich in der Lotterie gewinnen !“

Jossele ist da pragmatisch. Er erwartet nicht, dass es Manna vom Himmel regne, diese Zeiten sind vorbei. Jossele ist guten Mutes, mit einem ordentlichen Geldgewinn nicht nur die momentane Knappheit zu beheben,  sondern auch einen Neustart unternehmen zu können und die Zukunft besser zu gestalten.
So betet er unverdrossen – seit einem Jahr, Tag für Tag. Mal wirft er sich verzweifelt in den Staub, das ist, wenn ein Kind krank ist. Mal schmeichelt er seinem Gott mit schönen Worten – er verwechselt da menschliche Eigenschaften mit dem göttlichen Sein. Mal erläutert er ganz sachlich die Lage und den Grund seiner Bitte. Er betet Tag für Tag. Nach einer Weile kehrt Routine ein, er spricht fast immer, formelhaft, dieselben Worte. Die Emotion wechselt von Hoffnungslosigkeit zu Zorn und wieder zurück. So geht es ins zweite Jahr, immer weiter so …

Bis eines Nachmittags, der Himmel ist bedeckt, schwere graue Regenwolken hängen tief, Jossele liegt am Boden und fleht zu seinem Gott – da teilen sich die Wolken, Licht bricht hindurch, so wie es manchmal an schwülen Tagen sein kann, wenn die Sonne sich kurz zeigt um dann wieder zu verschwinden. Diesmal aber tönt eine klare, tiefe Stimme, nicht minder verzweifelt im Ton als bei Jossele: „Jossele, lieber Jossele, tu mir eine Liebe: KAUF DIR EIN LOS!“

Diese Geschichte habe ich so ähnlich mal irgendwo gelesen, herzlich gelacht, und nun habe ich sie Dir / Ihnen in meinen Worten weiter erzählt, und ich frage mich: Wieviel Jossele habe ich denn in meinem Denken und Verhalten ? Habe ich doch manches Mal gedacht, andere hätten mehr Glück gehabt, bessere Verhältnisse beim Start ins Leben , Steigbügelhalter auf ihrem Weg, Menschen, die Stolpersteine weggeräumt haben. Da waren immer welche glücklicher, vielleicht auch schneller oder wendiger als ich, wenn es darum ging, beim Faschingszug die Kamelle zu fangen .

Unbestritten: Startbedingungen sind ungleich, und manchen fliegen lange Zeit gebratene Tauben in den Mund. Der Vergleich allerdings nutzt nichts, und so fange ich an, vom Schicksal insgeheim Hilfe zu erwarten oder auf den Zufall zu hoffen. So wie Jossele zu wünschen,  ein wenig weniger beschwerlich zu leben und ganz im Inneren zu denken: „Habe ich nicht darauf ein Recht, sollte mir nicht das Schicksal unter die Arme greifen?“ (Ein Los habe ich zwar gekauft, gewonnen habe ich nichts. Geschenkt!)
Was habe ich versäumt? Jossele bekommt, wenn er endlich ein Los kauft, wahrscheinlich Gottes Hilfe. Was muss ich tun ? Wo sollte ich besser hinschauen, um zu erkennen, welcher Weg für mich der richtige ist? Wo sollte ich weniger zögern und etwas wagen? Welchen Einsatz habe ich nicht gegeben? Was ist mein Part in dem Spiel?

Ich wünsche Euch allen /  Ihnen allen eine schöne Woche! Wo ist Dein / Ihr Part hin zur Erreichung Deiner / Ihrer Ziele, den Du bisher übersiehst, den Sie bisher übersehen?