Beleidigungen per SMS oder WhatsApp, Beleidigungen oder Hassrede in sozialen Medien – wer kennt es nicht? Zum Beispiel: Ich lese einen Artikel im Web, mich interessiert, wie andere Leser*innen diese kommentieren, und ich finde in der überwiegenden Zahl der Beiträge abfällige und beleidigende Aussagen. Die Autor*innen sind davon betroffen, aber auch die anderen Kommentierenden. Genervt gebe ich auf.
Auf diversen sogenannten Social-Media-Plattformen wird man gern mal angemacht, als völlig blöde hingestellt und ungefragt belehrt, sogar bei völlig neutralen Postings. Bei politischen Beiträgen kann es zu Überschwemmungen durch Hass-Kommentator*innen kommen. Die meisten von uns wissen, dass es nicht ratsam ist, auf solche Beiträge zu antworten, denn auf der anderen Seite reibt sich jemand die Hände und kommt nun richtig in Fahrt. Also ignorieren. Wenn nun aber jemand auf anderen Seiten im Web diffamiert wird und etwa davon gar nichts erfährt, kann das üble Folgen haben.
Ich zitiere die Netzaktivistin Anne Roth aus dem Artikel Gewalt gegen Frauen im Internet, veröffentlicht auf der Seite hilfetelefon.de: „Wer an brisanten öffentlichen Debatten teilnehmen will, sollte über ein Identitätsmanagement nachdenken. Für solche Diskussionen sollte die Person sich eine digitale Figur ausdenken, mit der sie im Internet unterwegs ist. Wenn dann mal etwas schief läuft, ist es möglich, aus dieser Haut auch wieder herauszuschlüpfen. Wenn man einen anderen Namen verwendet, fällt es möglichen Tätern nicht so leicht, herauszufinden, wo man arbeitet und / oder wo man wohnt.“
Auch in Chat-Gruppen kann es übel zugehen. Solche verlasse ich dann. Wenn dort nun jemand persönlich beleidigt reagiert, kann es ebenfalls für mich kritisch werden. Das alles ist nervig. Für Menschen in Krisen, für Kinder und Jugendliche ist es unter Umständen gefährdend. Aber natürlich ist das noch nicht alles.
Durch Installationen von Überwachungssoftware auf Handys, durch Veröffentlichung intimer Videos oder Fotos im Netz, durch Nutzung von digitalen Identitäten, von Bankdaten… Digitale Gewalt kann sowohl in (Ex-) Beziehungen vorkommen, als auch zwischen völlig Fremden.
Ich zitiere aus dem Beitrag Digitale Gewalt, Erscheinungsformen, rechtliche und praktische Reaktionsmöglichkeiten, Elisabeth Oygen, Klaus Landefeld aus meiner e-learning Fortbildung Schutz und Hilfe bei häuslicher Gewalt die Auflistung der häufigsten Beratungsersuchen beim Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe:
„Installieren von Spyware (z. B. Apps, Cartrackern…),
Kontrolle des Handys, der E-Mails, z. B. wenn Geräte durch den*die (ehemalige*n) Partner*in eingerichtet wurden und Passwörter bekannt sind oder er*sie Zugriff auf Geräte hat (-te),
E-Mails / Profile mitlesen, z. B. den Facebook-Account,
heimliches Filmen über Kameras, die in privaten Räumen installiert wurden,
heimliches Abhören von Gesprächen,
Bestellung von Waren, die mit Online-Banking des Opfers bezahlt werden,
Veröffentlichung privater bzw. intimer Daten, Bilder oder Filme im Internet,
Senden von beleidigenden und herabwürdigenden Nachrichten,
Senden von Nachrichten mit beleidigenden, herabwürdigenden Inhalten an Freunde, Bekannte, Verwandte oder Arbeitskolleg*innen des Opfers in dessen Namen mit dem Ziel, das Opfer sozial zu diskreditieren.“
Rechtliche Bewertung solchen Vorgehens: Nach § 238 Abs. 1 StGB wird bestraft, wer einer anderen Person in einer Weise unbefugt nachstellt, die geeignet ist, deren Lebensgestaltung schwerwiegend zu beeinträchtigen, indem er beharrlich 1. die räumliche Nähe dieser Person aufsucht, 2. unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte Kontakt zu dieser Person herzustellen versucht, 3. unter missbräuchlicher Verwendung von personenbezogenen Daten dieser Person a) Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für sie aufgibt oder b) Dritte veranlasst, Kontakt mit ihr aufzunehmen oder 4. diese Person mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit ihrer selbst, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person bedroht oder 5. eine andere vergleichbare Handlung vornimmt.
Bei der Verbreitung falscher Informationen können wegen Beleidigung, Verleumdung oder übler Nachrede die §§ 185 bis 187 StGB in Anwendung kommen, sofern die Informationen geeignet sind, die betroffene Person verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen.
Betroffene sollten, sobald sie Verdacht hegen, ihre Passwörter ändern, gegebenenfalls Accounts löschen, Konten neu eröffnen, auch bei Internetanbietern. All das macht Arbeit und ist ärgerlich, andernfalls können jedoch die Folgen sehr schädlich sein.
Ist der Fall nachvollziehbar eingetreten, sollte alles dokumentiert werden, mit Quelle und Datum, screenshots und Ausdrucken. Auch das macht Arbeit, siehe oben. Und dann: Anzeige erstatten, anwaltliche Hilfe aufsuchen, Auskünfte einholen bei Frauenberatungsstellen, siehe auch frauen-gegen-gewalt.de/de/bundesweite-beratung.html, bei geringen oder keinen finanziellen Mitteln die Öffentliche Rechtsauskunft z. B. hamburg.de/rechtsberatung/ aufsuchen.
Und wie kann ich es verhindern, ausspioniert zu werden, im Haus und irgendwo? Ist es wirklich klug, auf allen möglichen Geräten ohne Sperrbildschirm und Anmelde-PIN zu arbeiten? Und bei Gefahrenlage: Die Anmeldung mit Fingerabdruck ist Mist! Ein gewaltbereites Gegenüber nimmt sich einfach den Finger mal zur Hand! Ist es wirklich angeraten, den Standort öffentlich zu machen? Ist das Mikrophon abgeschaltet und bleibt es das auch, und was ist mit der Kamera? Sich ein sicherndes und orientiertes Verhalten zur Regel zu machen, hilft!
Und Nein, ich will hier niemandem Verfolgungsgedanken einreden. Eine gewisse Umsicht, an die man sich gewöhnen kann, ohne dabei in Dauer-Befürchtung durchs Leben zu gehen, ist einfach ratsam. Wir gucken ja in der Regel auch, ob die Straße frei ist, ehe wir sie überqueren. Das macht der Mensch, seit es Kutschen und gar Automobile gibt… Und heute sollten wir uns an digitale Verhältnisse anpassen, wenn wir uns schützen wollen!
Apropos Automobile: Im Netz kann man sogenannte Cartracker kaufen: Für ungefähr 50 Euro erhält man Geräte mit starken Magneten, die leicht unter einem Auto platzierbar sind. Die Technologie funktioniert über einfache GPS-Sender. Auch Geschenke wie Schlüsselanhänger können für die Überwachung benutzt werden. Ja, sind wir denn jetzt in einem Spionagefilm gelandet? Leider nicht. Wer böse Absichten hegt, wird im Netz fündig, auch ohne Darknet.
Also nochmal: Umsicht, Aufmerksamkeit, auch für bestimmte Veränderungen im Verhalten von Menschen im Umfeld, Vorsicht bei anstehenden Veränderungen, z.B. Trennung oder Beförderung, all das ist ratsam!
Die Überwachung einer Person mittels digitaler Geräte ist – wenn sie volljährig ist und nicht eingewilligt hat – illegal. Die Handlungen verstoßen gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und können auch den Straftatbestand des § 202a StGB (Ausspähen von Daten) erfüllen. Hiernach wird bestraft, wer unbefugt sich oder einem anderen Zugang zu Daten, die nicht für ihn bestimmt und die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert (!) sind, unter Überwindung der Zugangssicherung verschafft. Wenn die Daten also nicht gesichert sind, sind rechtliche Möglichkeiten höchstwahrscheinlich nicht gegeben!
Digitale Gewalt ist für Opfer oft sehr belastend, auch weil sie schwer vermittelbar ist und vom Umfeld häufig nicht ernst genommen wird. Sollte daher jemand darüber berichten, könnten wir uns zukünftig entscheiden, solidarisch zu sein und hilfsbereit. Und selbst? Sorgen wir für uns und unsere Cyber-Kompetenz!
Eine gute Woche!