Ein kleines Experiment: Wir erzählen uns Geschichten

Wenn Sie auf das zu Ende gehende Jahr zurückblicken, fallen Ihnen da Geschichten ein?
Haben Sie auf etwas besonders nachdenklich reagiert, haben Sie Ihre Haltung zu einem
Ereignis geändert, fühlten Sie sich emotional stark von etwas angesprochen?

Eine Erzählung davon könnte beginnen mit: „Ich denke viel darüber nach, wie es war, als…“ oder so: „Mir ist das Bedeutsamste des vergangenen Jahres …“.
Die Erzählung könnte auch Ihre Gefühle ausdrücken, so etwa: „Ich habe viel Angst gehabt, als…“, oder „Ich war wütend, als…“, oder: „Ich war sehr froh, als endlich…“.

Lassen Sie, wenn Sie das kleine Experiment mitmachen wollen, den aufkommenden
Erinnerungen Raum und Zeit, sich zu zeigen, lassen Sie neue Bilder auftauchen, schauen Sie in Ihr Inneres, vielleicht hören Sie gesprochene Bemerkungen noch einmal oder sehen Schlagzeilen vor sich – was immer es sei, ein körperliches Ereignis oder ein besonderer
Dialog, lassen Sie dem Raum und Zeit…

Und wählen Sie nun spontan eine Erinnerung aus, Sie müssen nicht unbedingt wissen, warum Sie gerade dieses wählen…

Und beginnen Sie nun, sich selbst diese Geschichte zu erzählen. Etwa so können Sie beginnen: „Das war damals ganz besonders, als ich…“, oder ganz anders. Bleiben Sie ganz bewusst dabei, sich zu erzählen, was Sie gedacht, erlebt und empfunden haben, als…

Und nun: Wem in Ihrem engeren Familienkreis könnten Sie diese Geschichte auch erzählen? Wenn es so jemanden gibt: Stellen Sie sich vor, wie Sie erzählen, schriftlich etwa, am Telefon, im persönlichen Zusammentreffen, oder per Video. Und tun Sie es, erzählen Sie in Ihrer Vorstellung eben diese Geschichte diesem Menschen!

Es kann sein, dass Ihnen zu dieser Person eine andere Begebenheit in den Sinn kommt.
Legen Sie diese in einem inneren Fach für später ab. Bleiben Sie bei der ursprünglichen
Geschichte. Wenn es schwierig wird, nehmen Sie es einfach wahr.

Und nun: Wie erzählen Sie einer guten Freundin, einem guten Freund davon? Oder zumindest einem Menschen, dem Sie sich gern anvertrauen? Was ändert sich in der Weise, in der Sie erzählen? Nehmen Sie es einfach nur wahr. Geben Sie der Erzählung Raum und Zeit.
Tauchen Sie ein in diese besondere Nähe.

Und dann könnten Sie eine Person wählen, mit der Sie eine weniger nahe Verbindung haben, eine Kollegin, jemand aus dem Sportverein, dem Nachbarn übern Zaun… Vielleicht erzählen Sie auch mal was beim Friseur?

Wenn Sie einer zufälligen Bekanntschaft auf Zeit davon erzählten, wie wäre das? Sie sehen diese Person wahrscheinlich nie wieder, die da mit Ihnen im Zug sitzt…

Möglicherweise stellen Sie fest, dass Sie manchmal eine Absicht mit dem verfolgen, was Sie erzählen und wie Sie es tun. Nehmen Sie das einfach nur wahr.

Manchmal erzählen wir etwas, um uns selbst klarer zu werden, was in uns dazu vorgeht.

Exprimentieren Sie, solange Sie mögen mit unterschiedlichen Gesprächspartnern.

Nehmen Sie wahr, wie die Geschichte sich womöglich verändert hat. Ihre eigene Haltung zu der Begebenheit könnte sich verändert haben. Vielleicht ist das, wovon Sie erzählen, weiter von Ihnen weggerückt, vielleicht auch nähergekommen.

Tat die Vorstellung, davon zu erzählen gut? Gab es kritische Momente?

Atmen Sie ein paarmal bewusst ein und aus.

Was ist Ihnen aufgefallen? Was daran finden Sie interessant? Wie geht es Ihnen gerade?

Erzählen Sie mal!

Sich selbst, einem anderen Menschen…

Sie können mir gerne eine Mail schreiben, wenn Sie wollen. Sie finden die Mailadresse auf meiner Homepage im Impressum. Ich mag Geschichten 😉

Eine gute Zeit bis zum nächsten Mal!

Wo soll es denn hingehen?

Über die Jahre haben mich Klient_innen an den unterschiedlichsten Themen teilhaben lassen, mir Einblick in ihre Lebenslagen gegeben und mir ihren Auftrag zur gewünschten Bewältigung genannt, die Themengebiete waren:

  • Probleme am Arbeitsplatz, mit Kolleg_innen oder Vorgesetzten
  • Überforderungserleben im Alltag
  • Entscheidungsblockaden im Beruf oder in der Familie
  • Unzulänglichkeitserleben im Umgang mit den Kindern
  • erlittene Verluste, Trauer
  • Folgen eines bekannten Kindheitstraumas
  • Panik, Ängste, Anspannung, Sorgen
  • unklare körperliche Beschwerden, Schmerzen, Schwindel
  • Heuschnupfen und andere Allergien
  • Unsicherheiten im sozialen Umfeld
  • Unzufriedenheit, Ärger
  • depressive Verstimmungen
  • Erinnerungsschwäche, Blockaden
  • … … …

Die Überschrift wurde meist so formuliert: Wie erreiche ich, dass etwas mich nicht mehr belastet? Mein Leben nicht mehr durcheinander bringt? Mir nicht länger den Schlaf raubt?

Also: Etwas soll nicht mehr stattfinden, soll weg sein, verschwinden.

Das ist nun mehr als verständlich, sonnenklar, natürlich: Warum sonst wird eine Beratung oder Therapie aufgesucht?

Wo aber soll es hingehen, wie soll es aussehen, wenn ich nicht mehr habe, was mich belastet? Was denn stattdessen? Was dann?

Das ist eine der ersten Fragen, die ich stelle.

Eine der Antworten lautet: Das liegt für mich im Nebel, ich kann das gar nicht sehen. Aber dass ich meine Symptome weghaben will, das ist für mich ganz klar.

Da sie nun einmal da sind, die belastenden Gedanken, Gefühle und auch Verhaltensmuster – wozu könnten wir diese entwickelt haben, für welche Schwierigkeiten im Leben schienen sie eine Lösung zu liefern?

Diese Frage zu beantworten, ist selten schnell gemacht, da braucht es Neugier auf sich selbst und eine grundsätzlich freundliche Einstellung zu sich selbst. Auch die Erkenntnis, dass diese Lösungsbemühungen unsere eigene Leistung sind, unsere ganz eigene Antwort auf schwierige oder herausfordernde Lebensereignisse.

Und da ist der große Brocken Selbstverurteilung, Selbstärger, sogar Wut darauf, dass es diese Symptome gibt, den abschätzigen Blick, mit dem sich jemand richtig fertig machen kann.

Da spreche ich Einladungen aus, dies als erstes auf den Weg zur Veränderung zu bringen. Wie könnte Veränderung stattfinden, wenn eine Selbstbeschimpfung im Weg liegt? Schwierig!

Wozu dient die Selbstverurteilung? Ist es bisher hilfreich gewesen, sie zu praktizieren? Ist es vorstellbar, damit aufzuhören?

Einer meiner Lieblingssätze lautet: Es ist nicht immer einfach, aber machbar!

Wir gehen eine Weile einen gemeinsamen Weg, die Klient_innen lernen, neue Denkweisen auszuprobieren, sich freundlicher zu betrachten, sich neugierig zu beobachten.
Prüfen, ob sie Hilfreiches annehmen möchten. Entspannungsübungen und Achtsamkeitstraining anwenden, den Scheinwerfer auf das richten, was guttut. Spazierengehen, kreativ sein, den Körper trainieren, Pausen planen und einhalten – das kann das Nachdenken und Reden über sich unterstützen, damit es leichter wird im Alltag.

Nach einer Weile, nicht immer, jedoch häufiger, als ich es anfangs erwartet habe, bringen die Klient_innen dann Fragen mit, die in irgendeiner Weise mit dem ursprünglichen Auftrag in Zusammenhang zu stehen scheinen:

Wer bin ich?

Was macht mich aus?

Was sind meine tatsächlichen Bedürfnisse, heute, nach alldem, was ich erlebt habe?

Stimmt mein Bild, das ich mir von mir gemacht habe, überhaupt noch?

Womit stehe ich in Verbindung, was hält mich?

Und mit diesen Fragen und den Gedanken dazu kommen wir der Antwort auf die Ursprungsfrage auf die Spur:

Wo soll es hingehen? Wie soll es sein, wie will ich sein, wenn meine Symptome Teil meiner Geschichte geworden sind, nicht länger meine Gegenwart und Zukunft bestimmen?

Wo will ich hingehen, als die unverwechselbare Person, als die ich mich nun immer deutlicher wahrnehmen kann?

Ein für allemal und festgetackert wird die Antwort nicht sein. Leben ist Veränderung.

Was als Fundament bestehen bleibt ist die Gewissheit, tief spürbar, dass wir uns selbst annehmen können, dass wir mit dem Leben verbunden sind.

Es bleibt, zu wissen, wie innere Freiheit sich anfühlt.

Eine gute Woche!

Innehalten, atmen, den Atem beobachten

1. Innehalten

Sind Sie, bist Du daran gewöhnt, jeden Tag einige Male innezuhalten, zu atmen, die Gedanken einfach kommen und gehen zu lassen, alles andere sein zu lassen?

Wenn ja, herzlichen Glückwunsch! Sie tun, Du tust Dir also täglich mehrere Male etwas Gutes.

Ich lese gern abends vor dem Einschlafen ein paar Seiten, zurzeit lese ich den israelischen Autor zahlreicher Kurzgeschichten Etgar Keret. In seinem Band „Die sieben guten Jahre“ steht die Geschichte, wie er mit Sohn und Ehefrau an Yom Kippur über eine an den anderen Tagen extrem stark befahrene Straße spaziert und das Zwitschern der Vögel hört. Denn das öffentliche tägliche Treiben und Getriebensein hat Pause an Yom Kippur in Israel: Keine Autos sind unterwegs, die Familie flaniert mitten auf der Straße. Der dreijährige Sohn weint, als Papa ihm seine Frage „Ist morgen auch Yom Kippur?“ mit „Nein“ beantwortet. Morgen sei alles wieder wie immer.
Diese Stelle fand ich toll.
Sind Sie / bist Du mal auf der Köhlbrandbrücke gelaufen, als sie für den motorisierten Verkehr gesperrt war? Ich habe das sehr genossen, es war ein kleines Abenteuer, es war eine Unterbrechung des Immergleichen und ein Beispiel dafür, dass Innehalten nicht zwingend im Stillsitzen geschehen muss.

2. Innehalten und atmen

Manche mögen es, sich eine Pause im Sessel zu gönnen, still zu sitzen, einfach nur zu sitzen, andere mögen dies weniger, schon die Vorstellung kommt bei ihnen mit unangenehmen Assoziationen einher.
Für beide könnte es doch gut gelingen, das Innehalten mit bewusstem Atmen zu füllen. Wir tun ja etwas, wir atmen und beobachten, wie wir es tun. Wir können dabei auch spazieren gehen. Oder im Sessel sitzen.

Von Stefan Schmid, der sich unter anderem „Persönlichkeitsgeograph“ nennt, habe ich folgende Atemübung – präsentiert auf dem Kongress Reden reicht nicht, Würzburg 2022:

  • Für innere Sicherheit zu sorgen, sich zu beruhigen die 4-7-8-4 Atemübung
    Legen Sie Ihre Zunge hinter die oberen Schneidezähne und lassen Sie sie dort während der gesamten Übung. Atmen Sie komplett alle Luft durch den Mund aus. Atmen Sie durch die Nase ein und zählen Sie dabei bis 4. Halten Sie die Luft an und zählen Sie dabei bis 7. Blasen Sie die Luft durch den Mund aus, so dass ein „whoosh“ Sound entsteht, zählen Sie dabei bis 8.
    Wiederholen Sie diesen Zyklus 4 mal (anfangs nicht öfter) Führen Sie die 4-7-8-4 Atemübung zweimal am Tag durch. Vielleicht können Sie die gesamte Übung mit der Zeit verlangsamen. Nach ca. einem Monat können Sie die Zyklen von 4 auf 8 erhöhen.
    Dies sei eine wunderbare Einschlafübung, auch bei nächtlichem Aufwachen, reduziere Angst, erhöhe Gelassenheit. Es wirke sich auch gesundheitlich positiv aus und erhöhe das Energielevel.

Von Dirk W. Eilert, der sich u. a. mit dem Entschlüsseln von Körpersprache beschäftigt, habe ich diese einfache tägliche Übung:

  • Die Wahrnehmung stärken, Achtsamkeit üben
    5 Sek. ein-, 5 Sek. ausatmen, als Meditation nach dem Frühstück, oder einfach zwischendurch, täglich 15 Minuten mindestens, aber nicht unbedingt am Stück. Nachzuhören hier: Ressourcen Kapitel 1, als Teil einer 12wöchigen Reihe.
    [So in den Browser einzugeben: Ressourcen Kapitel 1 – Mimikresonanz Profibox (mimikresonanz-profibox.com)]

Ich neige dazu zu behaupten, dass es nicht zwingend eine bestimmte Atemübung sein muss, die uns hilft, achtsamer mit unserem erLeben umzugehen. Ich wähle gern nach meinem derzeitigen Geschmack aus, was ich für einige Zeit ausprobieren möchte.

Denn wichtig ist vor allem: Nicht bloß drüber lesen, sondern machen, nicht bloß heut und morgen, sondern durchaus eine geraume Zeit. Und dafür muss es Ihnen / Dir gefallen!

Eine gute Woche!

Was ich lese (10) Peter A. Levine und Maggie Phillips: Vom Schmerz befreit Nr. 5

Entdecken Sie die Kraft Ihres Körpers, Schmerzen zu überwinden. Fünfte Auflage 2020, Kösel Verlag, München.

(Im heutigen Text ergänze ich das, was die Autor_innen im oben genannten Buch geschrieben haben um eigene Gedanken und Körpererfahrungen. Die tue ich, weil ich an mir und anderen Besserung erlebt oder beobachtet habe, wenn ich diese Ergänzungen angewendet habe.)

Wenn wir Hilflosigkeit spüren, bis hin zur Hoffnungslosigkeit, kann dies viele Ursachen haben. Eine davon kann darin bestehen, dass wir Schmerzen haben und an Beeinträchtigungen durch Schmerzen leiden, und schon so vieles versucht haben, ohne dass eine Besserung oder keine dauerhafte Besserung eingetreten wäre. Wir geben unser Bestes, unsere Gesundheit zu pflegen, wollen uns wieder vitaler fühlen und kommen diesem Ziel nicht näher.
Sollten wir von Ärzten in unserer Hilflosigkeit alleingelassen werden, indem uns zum Beispiel Simulieren unterstellt wird oder uns gespiegelt wird, dass wir übertreiben, dann können wir uns schon sehr niedergeschlagen fühlen.
Was können wir tun, um uns zu helfen, wenn wir merken, dass die Hilflosigkeit und der Schmerz sich gegenseitig befeuern und wir uns in einem Teufelskreis befinden? Ein Werkzeug kann sein, sich die Zeit zu geben, täglich kleine Übungen zu machen, die den Körper zu Hilfe nehmen und unsere Fähigkeit zur Achtsamkeit.
Achtsam den Tag erleben, mit dem Scheinwerfer auf gute Momente, mit dem Spüren von kleinen Erleichterungen und dem bewussten Würdigen dieser Momente, das kann uns von der Hoffnungslosigkeit lösen. Sprechen wir es laut aus, wenn es gerade gut läuft! „Das ist ja toll, ich habe gerade etwas Schönes erlebt und meine Schmerzen ganz vergessen!“ (Sie wissen ja, dass sie da sind, Sie müssen nicht auf sie aufpassen!)  Lösen Sie sich auch von der Befürchtung, dass Ihre Umgebung Sie mit ihren Schmerzen dann womöglich nicht mehr ernst nimmt! Bleiben Sie in diesen Übungen ganz bei sich! Die Bewertungen der Umwelt haben Ihnen bisher nicht geholfen, oder?

Nun zu den Übungen des Körpers, die Sie dann bitte durchführen, wenn es die Schmerzen gerade etwas besser erlauben, es Ihnen etwas leichter fällt!
1. Die Körperhaltung ist ganz wichtig bei der Empfindung von Hilflosigkeit und auch bei ihrer Überwindung. Denn sind wir resigniert, sehen wir keine Auswege, dann sind meistens die Schultern nach vorne gebeugt, der Brustkorb entsprechend eingezogen und das Zwerchfell, die Magengrube eingeknickt. Das ist die Haltung eines Menschen, der aufgibt. Wenn wir feststellen, dass diese Haltung uns gar nicht bewusst war, dann sollten wir damit beginnen, uns dabei zu beobachten: Wie stehe ich, wie sitze ich, was machen meine Schultern? Kann ich das ändern?
2. Im Stehen ist die Übung am herausforderndsten, denn wir müssen uns zunächst unserer Schwerkraft bewusst werden, sie gut fühlen. Achten Sie im Stehen auf die Körperbereiche, die sich kraftvoller anfühlen als andere. Schauen Sie, wie Sie sich in Ihren Fußgelenken, den Beinen, in den Oberschenkeln, Armen, Ellbogen oder Schultern fühlen. Achten Sie auf Empfindungen in diesen Bereichen, die sich – und sei es nur ein wenig – anders anfühlen als die Empfindung von Hilflosigkeit oder die eines befürchteten Zusammenbruchs.
3. Wenden Sie sich nun Ihrer Schwerkraft zu. Dabei kann Ihnen eine kleine Atemübung helfen: Indem Sie die Hände wie kleine Schalen auf der Höhe Ihrer Oberschenkel nach innen beugen und so tun, als könnten Sie die Luft darin nach oben anheben, atmen Sie ein und heben Sie beide Arme zusammen mein Stück hoch, indem sie die Ellenbogen beugen. Halten Sie zwischendrin einmal ein, als hätten Sie einen Aufzug in sich, halten Sie den Atem an, halten Sie die Hände an, und dann weiter nach oben, die nächste Stufe. Tun Sie das so lange, bis Sie den Eindruck haben, Ihr Brustkorb könnte sich noch ein wenig weiten, um noch mehr Luft aufzunehmen, tun Sie dies auch. Beim folgenden Ausatmen senken Sie die Hände wieder und lassen sie dann locker seitlich herniedersinken. Wiederholen Sie die Übung etwas rascher und lassen Sie beim Ausatmen die Arme herniederfallen und geben Sie einen Laut von sich: Whaa! Wie geht es Ihren Füßen? Spüren Sie nun, wie Sie mit Ihren Füßen den Kontakt zum Boden haben?
4. Richten Sie sich auf, als hätten Sie eine Unterstützung auch von oben, vom Firmament, als würde dort jemand Ihnen helfen, den Scheitel nach oben zu auszurichten.
5. Wenn Sie diese beiden Übungen 3 und 4 gemacht haben, wiederholen Sie die erste Übung und schauen Sie, welche Körperbereiche fühlen sich leichter und angenehmer an, vielleicht etwas kraftvoller als eben vor der Atemübung. Schauen Sie nun, wie sich die Haltung verändern kann! So als würden Sie sagen: Ich bin doch Frau/Herr im eigenen Hause, ich kann doch meine Schultern leicht anheben und dann nach hinten fallen lassen! Gehen Sie nicht über Ihre Schmerzgrenze, machen Sie diese Übung nur so, dass der Schmerz nicht schlimmer wird als vorher, womöglich sogar etwas nachlässt! Spüren Sie, wie sich ihr Brustbein anheben kann, wenn Sie sich erlauben, Experimente mit Ihrem Körper zu machen und Sie das Ganze spielerisch angehen?
6. Beobachten Sie nun, wie es ihnen mental diesem aufgerichteten Körper geht. Ist Ihre Empfindung von Hilflosigkeit etwas geschwunden? Dann freuen Sie sich darüber und notieren es in Ihrem Buch. Und wiederholen diese Übung im Sitzen, leicht angelehnt und auch einmal aufrecht sitzend. Und machen Sie das für einige Tage!

Eine gute Zeit!

Was ich lese (9) Peter A. Levine und Maggie Phillips: Vom Schmerz befreit Nr. 4

Entdecken Sie die Kraft Ihres Körpers, Schmerzen zu überwinden. Fünfte Auflage 2020, Kösel Verlag, München.

Der Text heute beschäftigt sich mit innerer Unruhe, Angst und Panik als Quelle von Schmerz. Die neurobiologische Forschung hat ergeben, dass Panik und Angst durch die Amygdala ausgelöst werden, unserem natürlichen Alarmzentrum im Gehirn. Hat man aber traumatisierende Erfahrungen gemacht, ist unser Alarmsystem gestört, und zwar durch eine Funktion des Gedächtnisses:  Die traumatisierenden Ereignisse sind im prozeduralen Gedächtnis so gespeichert, als würden sie in der Gegenwart passieren. Betroffene leiden unter übertriebener Besorgnis und chronischer Anspannung, ohne dass es im Hier und Jetzt dafür schlüssige Anhaltspunkte zu geben scheint.

Unser sympathisches Nervensystem kann bei den belastenden Gefühlen mitspielen und kann mit Unruhe, Übererregtheit und gleichzeitig dem Gefühl, am Rande der Kräfte zu sein, zu dem belastenden Geschehen beitragen. Schlafstörungen können hinzukommen.

Geraten wir in panische Zustände, so sind häufig uns nicht bewusste Hinweise aus der Vergangenheit auslösend gewesen. Unser denkender Teil des Gehirns ist in so einem panischen Zustand beeinträchtigt, und wir können nicht gut intervenieren, wenn wir mittendrin stecken.

Wenn unser Nervensystem durch Angst überaktiviert ist und gestört wird, schlagen die Nerven aufgrund einer Schmerzüberempfindlichkeit falschen Alarm. Leichte Berührungen schon können Schmerz auslösen. Schmerz wird zur Qual und zur Krankheit.

Werkzeuge für die Überwindung

  1. Leichte Bewegung am Morgen

Wenn Sie morgens schon ängstlich aufwachen, springen Sie nicht aus dem Bett! Sie verharren sonst in diesem Zustand. Stattdessen können Sie leichte Bewegungen noch im Bett ausführen. Dehnen, räkeln, und eine der bisher berichteten Übungen ausführen. Stehen Sie langsamer auf und kommen Sie allmählich in Gang! Verrichten Sie ihre morgendlichen Tätigkeiten langsam. Vielleicht möchten Sie sich auch eine Weile hinsetzen und überprüfen, wie sich die Angst jetzt anfühlt? Ein selbstbestimmtes Tempo hilft, Ihren Cortisolspiegel zu stabilisieren. Wenn Sie hierfür den Wecker etwas früher stellen müssen, wird Ihnen das vielleicht nicht gefallen. Es könnte Ihnen aber gefallen, abends etwas früher zur Ruhe zu kommen, nehmen Sie hierfür zum Beispiel die bisher berichteten Übungen zur Hilfe!

  • Inseln der Sicherheit

Im tobenden Meer von Trauma, Angst und Schmerz finden Sie vielleicht eine winzige Insel. Sie können sich vorstellen, dass Sie sich auf dieser Insel – und sei es nur für einen Augenblick -beruhigen können. Noch ist sie schemenhaft in Ihrer Vorstellung? Das ist in Ordnung! Sie können den Ort der Ruhe in Ihrem Körper finden, wie ich es im letzten Text beschrieben habe. Entwerfen Sie innere Bilder, wie dieser Ort der Ruhe aussehen könnte, wenn er eine Insel wäre, eine Zuflucht von Schmerzen und anderen Beschwerden. Suchen Sie weitere Inseln in Ihrer Vorstellung! Malen Sie sich aus, was das Besondere dieser Inseln sein könnte und verbinden Sie die Inseln mit einer Brücke! Auf diesen Inseln der Ruhe platzieren Sie alles Angenehme, das Ihnen einfällt. Wenn Sie dies so weiter und weiter ausbauen, bekommen Sie allmählich ein richtig großes Stück Land zusammen. Eine große, stabile Insel. Verankern Sie das innere Bild mit einer kleinen Körperbewegung, einem Klopfen oder Kreisen, Zupfen oder Drücken.

Es ist wie stets bei diesen Übungen: Ein Richtig oder Falsch gibt es hier nicht! Allerdings sollten Sie die Übungen nicht nur lesen und ein wenig nachvollziehen, sondern wirklich durchführen!

Halten Sie Ihre Erfahrungen mit dieser Übung in Ihrem Schmerztagebuch fest!

Eine gute Zeit!

Was ich lese (8) Peter A. Levine und Maggie Phillips: Vom Schmerz befreit Nr. 3

Entdecken Sie die Kraft Ihres Körpers, Schmerzen zu überwinden. Fünfte Auflage 2020, Kösel Verlag, München.

Es gibt ein unvermeidliches Schmerzempfinden, bei einer Verletzung zum Beispiel. Es ist sinnvoll, diesen dabei auftretenden akuten Schmerz zu spüren, er gibt uns Hinweise, wie ernst es ist und was zu tun wäre.
Allerdings ist es nicht sinnvoll, dass aus dem akuten Schmerz eine anhaltende Schmerzempfindung entsteht. Und doch geschieht es, auch wenn die ursprüngliche Schmerzquelle sicher beseitigt ist.
Dass sich eine Chronifizierung nicht entwickelt, dafür sorgt normalerweise die Möglichkeit des Körpers, sich selbst zu regulieren. Die Teile des Gehirns, die emotional und durch unsere Gedanken mit dem Schmerzempfinden verknüpft sind, helfen uns dabei.
Diese Selbstregulierung findet aber nicht immer statt. Was kann sie stören? Ist es eine Abspaltung des Schmerzempfindens? Innere Unruhe, Angst und Panik? Der Eindruck von Hilflosigkeit? Die Vorstellung von Hoffnungslosigkeit? Ärger, Wut und Reizbarkeit? Tatsächlich sind dies die Hauptmechanismen, aus denen heraus eine Selbstregulierung nicht stattfindet.

Der Text heute beschäftigt sich mit der Abspaltung, der Dissoziation. Zunächst ist dies eine hilfreiche Abwehrstrategie, die mit der Reaktion der Erstarrung zusammenhängt. Es geschieht unwillkürlich, es entwickelt sich ein automatisches Abschneiden, auch von der Wahrnehmung der Umgebung in diesem Moment. Dies ermöglicht es uns, Ängste und Furcht besser zu bewältigen. Und indem wir Bewegung und Kraftaufwand auf ein Minimum herunterfahren, spüren wir die Schmerzen weniger stark oder sogar gar nicht – als geschähe das alles einem anderen Organismus.
Sie kennen das vielleicht, so oder ähnlich: Sie sind in Gedanken oder Erinnerungen vertieft, im Auto zum Beispiel. Entspannt, aber schon im nächsten Augenblick können Sie völlig erschrocken und verunsichert reagieren, weil ein anderes Fahrzeug auf Ihres auffährt. Günstigenfalls sind Sie imstande zu überprüfen, ob Sie körperliche Verletzungen erlitten haben. Sie können aus dem Wagen steigen und mit dem anderen Fahrer sprechen. Später können Sie sogar einem Polizisten oder Notfallsanitäter erzählen, wie es geschehen ist.
Und an irgendeinem Punkt dieser Abläufe kann Ihnen auffallen, dass Sie Ihren Körper nicht spüren, folglich auch kein zuverlässiger Zeuge ihrer eigenen Verletzungen sind. Dieser Zustand beruht auf einer Schockreaktion, und sie geschieht durch die Aktivierung schützender chemischer Substanzen im Gehirn, durch Endorphine vor allem. Diese Abspaltung, diese Dissoziation, ist für unser Überleben ein entscheidender Mechanismus.
Es entsteht erst ein Problem, wenn er zur Gewohnheit wird, wenn sich die betroffene Person in diesem Zustand auch weiterhin befindet und nicht zurückfindet zur Verbundenheit mit dem Körper. Sich dauerhaft nicht körperlich zu spüren, behindert die Fürsorge für den eigenen Organismus und befördert Erkrankungen.
Wie kann der Weg zurück geschehen? Wie können wir zurückkommen zu einer erfolgreichen Selbstregulation? Denn erst dadurch können sich die Schmerzen auflösen und werden nicht chronisch. Wir gewinnen dann wieder ein Gefühl für unsere Kräfte und unsere Stärke.

Das erste ist, zu bemerken, dass wir in einem solchen Zustand der Abspaltung, der Dissoziation sind. Wie genau merken wir das?
Manche sagen, es ist, als wäre ich außerhalb meines Körpers und schaute von oben auf die Situation und auch auf mich. Wir bemerken diesen Zustand, wenn wir achtsam sind. Wir können uns fragen, wie haben wir das gemacht, wir sind wir auf Distanz gegangen zu unserem Körper? Wie genau fühlt es sich an? Ist das wie ein Schweben? Können wir beschreiben, was wir da sehen? Sind wir mehr nach rechts oder mehr nach links in eine Richtung geschwebt?
Hat sich so etwas bei Ihnen ereignet? Sind Sie so abgespalten und scheinbar außerhalb des Körpers geblieben?
Wenn Sie dies kennen, versuchen Sie zu beschreiben, so, wie es Ihnen auch nur ansatzweise möglich ist: Was ist gerade los  i n  Ihrem Körper, in diesem Moment? Geben Sie sich die Zeit, die Sie dafür brauchen! Forschen Sie voller Neugier! Interessieren Sie sich für Kleinigkeiten! Möglicherweise machen Sie die erstaunliche Erfahrung, dass Sie nach einigen Augenblicken in den Körper zurückkehren, zu sich kommen. Ihre Ängstlichkeit und Ihre Furcht haben schon abgenommen. Sie sind dann ihrem gefühlten Sinn, so gut es Ihnen möglich war, gefolgt. Behutsam, langsam, schrittweise nach Hause zurück in den Körper.
Wenn Sie nun sagen: Aber ich fühle gar nichts, ich bin einfach nur betäubt! Nun, Sie werden feststellen, dass, ganz gleich, was Sie gerade wahrnehmen oder auch nicht: Manche Körperbereiche fühlen sich immer etwas weniger betäubt an als andere.
Sie werden Unterschiede aufspüren, wenn Sie sich auf diese Reise in ihren Körper einlassen! Nehmen Sie sich ein paar Minuten Zeit dafür! Beginnen Sie oben am Kopf oder unten an den Fußsohlen und gehen Sie systematisch durch den ganzen Körper. Wandern Sie, finden Sie einen Rhythmus, um von Ort zu Ort zu gehen. Und wenn Sie das gemacht haben, beobachten Sie: Wie ist jetzt Ihre Beziehung zum Körper?

Eine vertiefende Übung im Anschluss daran ist es, einen Ort der Sicherheit und Ruhe im Körper zu finden. Sie beginnen wieder am Kopf oder an den Füßen. Und Sie wandern zu den Bereichen des Körpers, die sich bis zu einem gewissen Grad ok anfühlen. Nicht unbedingt angenehm, aber auch nicht voll Schmerz.
Dann richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Bereiche, die Sie nicht fühlen können, die wie betäubt oder leer sind. Achten Sie darauf, ob Sie hier Verbindungen entdecken zu früheren Verletzungen! Oder zu Bereichen, die sich bei Stress immer wieder bemerkbar machen. Nehmen Sie sich Zeit dafür, immer mithilfe Ihres Atems! Er hilft Ihnen, in einen der betäubten oder abgeschnittenen Bereiche hineinzuspüren.
Spüren Sie diesen Teil Ihres Körpers beim Ein- und spüren Sie ihn beim Ausatmen! Nach 3 – 4 solcher Atemzüge fragen Sie sich: Was spüre ich jetzt in diesem Bereich, bin ich mit diesem Teil meines Körpers jetzt stärker verbunden? Oder weniger? Wie verändern sich meine Empfindungen?
Kommen Sie auf diese Übung am selben Tag noch einmal oder am nächsten Tag zurück! Hat sich etwas verändert? Fühlt sich etwas irgendwie neutral an oder angenehmer, ganz allmählich?

Es ist wie stets bei diesen Übungen: Ein Richtig oder Falsch gibt es hier nicht! Nehmen Sie einfach nur wahr – allerdings sollten Sie die Übungen nicht nur lesen und ein wenig nachvollziehen, sondern wirklich durchführen!

Halten Sie Ihre Erfahrungen mit dieser Übung in Ihrem Schmerztagebuch fest!

Eine gute Zeit!

Was ich lese (7) Peter A. Levine und Maggie Phillips: Vom Schmerz befreit Nr. 2

Entdecken Sie die Kraft Ihres Körpers, Schmerzen zu überwinden. Fünfte Auflage 2020, Kösel Verlag, München.

Die meisten von uns werden in ihrem Leben unterschiedliche Bedrohungssituationen erlebt haben. Entweder wurden wir tatsächlich mit einem Angriff bedroht, oder eine Krankheit oder ein Unfall hat uns eine Ahnung von erlebter Gefahr hinterlassen. Oder gab es eine andauernde schwierige Situation mit Einschränkungen durch übergriffige Partner? Oder chronisch stressige Situationen am Arbeitsplatz, die mit dem Mangel an Einflussmöglichkeiten einhergingen? Stress durch Mangel am Lebensnotwendigen?

Auf akute Bedrohung reagieren wir zunächst wie alle Säugetiere: Das sympathische Nervensystem sorgt dafür, dass wir in einem akuten Angriff einen Aufruf zum Handeln erleben. Wir entscheiden in Blitzesschnelle, ob wir zum Gegenangriff übergehen oder ob wir fliehen wollen. Das Leben zu schützen ist die Aufgabe dieser Funktion.

Wird eine Bedrohung durch ihre Dauer oder durch ihren Charakter allerdings als potenziell tödlich oder unausweichlich wahrgenommen, löst dies die dritte natürliche Reaktion aus: das Erstarren. Wir verharren bewegungslos, warten, dass die Gefahr vorüber geht.

Es kann sein, dass wir Menschen in diesem Zustand stecken bleiben und uns im Leben wie erstarrt fühlen. Die Schutzreaktion war einmal sinnvoll. Wenn sie sich jedoch verselbständigt, verspannt unser Muskel-Skelett-System und zieht sich zusammen. Und unser Gefühl ist von Hilflosigkeit, Verzweiflung oder Abspaltung gekennzeichnet. All dies kann Teil des Schmerzproblems sein, unter dem wir möglicherweise leiden. Der Schmerz verschwindet auch bei Abspaltung nicht einfach. Denn die Ur-Situation, das Steckengebliebensein im bedrohlichen Ereignis ist weiterhin im Gehirn gespeichert. Nicht beseitigt, nicht überwunden, nicht bewältigt, nicht aufgelöst. Die Abspaltung hindert uns daran, im Hier und Jetzt zu sein.

Ich zitiere: „Stellen Sie sich ein Kaninchen vor, das in einer kleinen Mulde Gras mümmelt. Ein Geräusch dringt aus den Büschen. Die Ohren des Kaninchens stellen sich auf, gefolgt vom Kopf, und wenden sich dem Geräusch zu, um dessen Quelle zu lokalisieren und einzuschätzen, ob es lebensbedrohlich ist. Aus dem dichten Blattwerk springt ein Kojote ins Blickfeld. Die Jagd beginnt: Das Kaninchen spannt die Muskeln an und duckt sich, um dann loszuspringen, in der Hoffnung, durch mehrere waghalsige Haken zu entkommen. Letzten Endes nutzt das Kaninchen seine Ressourcen wie Geschwindigkeit und Beweglichkeit (und auch etwas Glück), um zu entkommen, und versteckt sich dann in einem hohlen Baum oder einem Loch. Endlich in Sicherheit nimmt es ein paar tiefe Atemzüge und schüttelt sein bedrohliches Erlebnis ab.“

Wir Menschen tun das in der Regel nicht. Wir schütteln es nicht ab. Wir lassen unter Umständen den Stress der Bedrohung nicht los. Wir blockieren. Lenken uns auf nicht förderliche Weise ab. Uns fehlten vielleicht gute Vorbilder, wir dachten nicht darüber nach, was wir wirklich brauchen, um uns von der Situation zu lösen.

Prüfen Sie einmal Ihre Körperreaktion, indem Sie jetzt laut die Worte „Furcht“, „Ärger“, „Gelähmtheit“, „Erstarrung“ aussprechen. Tun Sie dies noch einmal langsamer und halten sie nach jedem Wort inne. Überprüfen Sie nun Ihre Körperreaktion. Welche Bilder, welche körperlichen Gesten oder Reaktionen werden Ihnen bewusst? Verändert sich Ihre Körperhaltung?

An diese Beziehung zwischen inneren Bildern, Körperempfindungen und Schmerzen werden wir mit der nächsten Übung anknüpfen. Wir können lernen, der Schmerzfalle zu entkommen. Sie beginnt dort, wo wir natürlich reagieren auf lebensbedrohliche Situationen. Die Angstreaktion bei Gefahr bewirkt, dass der Körper in Anspannung gerät. Verbleiben wir in der Verspannung, wird Schmerz verursacht. Und mit der Zeit verspannen wir uns gegen die innere Bedrohung durch den Schmerz als solche.

Dieser Kreislauf von Bedrohung, Angst, Anspannung, Bewegungseinschränkung, Schmerz, Angst vor Schmerz, erneute Anspannung kann, wenn er nicht unterbrochen wird, chronische Schmerzen hervorrufen. In der Falle sitzen wir, wenn wir denken „Ich bin der Schmerz.“ Wir kommen aus dieser Falle heraus, indem wir lernen, stattdessen die Sätze zu denken „Ich erlebe diesen Schmerz“, hin zu „Ich erlebe die Empfindungen, auf dem der Schmerz basiert.“

Diese Schritte sollten wir mit unserem Körper gehen und nicht nur mit unseren Gedanken! Auf diesem Hintergrund lade ich Sie zu der Übung ein „Den gefühlten Sinn erforschen“

Beginnen Sie gerade jetzt! Wenn Sie dies lesen, ganz gleich, ob Sie gerade sitzen, liegen oder stehen!

Spüren Sie ihre Füße? Sind sie mit dem Boden verbunden oder auch nicht? Drücken sie gegen eine Unterlage, schweben sie? Woher wissen Sie das eigentlich, wenn Sie gar nicht hinschauen? Können Sie ihr Gewicht verlagern? Wie verändert das Ihre Wahrnehmung? Erforschen Sie ihren Unterkörper, ihre Waden, ihre Oberschenkel in Verbindung zu Ihren Füßen! Fühlt sich das rechte Bein anders an als das linke? Wie würden Sie das beschreiben? Gibt es Körperbereiche, die ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen? Was bemerken Sie dort? Wie würden Sie das beschreiben?

Wenn Sie einen Körperteil gründlich erforscht haben, erlauben Sie dem nächsten, Ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Halten Sie immer ein wenig inne! Und achten Sie auf Ihren gefühlten Sinn. Finden Sie Worte zur Beschreibung! Beispiele: locker blockiert, gestaut, fließend, kribbelnd, schwer, schwebend, leer, kalt oder warm. Finden Sie eigene Worte! Wenn Sie immer dasselbe Wort benutzen, überlegen Sie, ob andere Worte zutreffender sein können!

Erforschen Sie nun auch Gerüche oder Geschmäcker, die Sie wahrnehmen, Geräusche oder Vibrationen! Wie ist Ihr Körpergefühl in diesem Augenblick? Eher angenehm, unangenehm oder neutral? Woher wissen Sie das? Spüren Sie sich energiegeladener als zu Beginn der Übung? Möchten Sie jetzt gerne einen Spaziergang machen oder anders aktiv werden? Oder fühlen Sie sich friedlich und ruhig und können sich noch mehr Zeit für die Erforschung dieses Zustands einräumen?

Anschließend nehmen Sie sich ein paar Minuten Zeit, um ihre Reaktionen in Ihrem Schmerztagebuch festzuhalten.

Eine gute Zeit!

Zwischenruf: Persönlich leben

Aus dem Vortrag “Persönlich leben” von Wolf Büntig auf auditorium netzwerk heutige einige Denkanstöße
(nicht wörtlich, nicht vollständig, nach meinem Geschmack):

In Abhängigkeit von der Mutter-Kind-Interaktion und der Interaktion mit Menschen, die unser Hineinwachsen in die Welt maßgeblich bestimmen, entwickeln wir unsere Lebenskunst.

Oft allerdings beginnt es als ärztlicher Unfug: Die Amniozentese, die Punktation der Fruchtblase, meist zum Entdecken genetischer Handicaps, ist für den Fötus ein tätlicher Angriff. Er krümmt sich und wehrt sich reflektorisch.
Ultraschall ist wie das Wummern starker Lautsprecher, denen wir nicht entkommen können.
Keine Hausgeburt? Schon der Weg in die Klinik verzögert die Wehentätigkeit.
Ein medizinisch nicht notwendiger Kaiserschnitt: Grundsätzlich beraubt er das Kind um das Erleben des ersten Triumphes “Boähh, das war anstrengend! Geschafft!”
Narkosegeburt: Sie betrügt uns um die Begrüßung durch die Mutter, noch ganz ermattet und (hoffentlich) einfach froh! Und so, fernab jeder Wertung und frei von Zukunftsideen könnten wir freudig wahrgenommen werden: “Da bist du ja!”

Die Abnabelung vor der Entwicklung des eigenen Atems: Das ist akuter Überlebensstress für den Säugling, schockartige Atemnot!
Das Aufhängen an den Füßen, damit er atmet: Das Rückgrat ist hierfür noch nicht ausgebildet.
Dann auf den Rücken schlagen, damit er endlich atmet.

Dann kam früher die Isolation im Babyzimmer, es hieß unter dem Verlust der vertrauten Mutter und zusammen mit anderen brüllenden Säuglingen keinen Schlaf zu finden. (Wer davon nicht betroffen war, mag sich glücklich schätzen!)

Füttern nach der Uhr: Hunger, aber nichts bekommen? Es folgt Resignation, erstes Totstellen,
erstes Erleben der Selbstunwirksamkeit, der Schrei nach Nahrung bleibt ohne Erfolg, danach wird das resignierte Schlafen gestört durch Futterangebot. (Das ist heute hoffentlich endgültig vorbei!)

Und später in der sogenannten Trotzphase: Unsere Eigenart wird abgewertet, die Anpassung an “erwachsene” Werte wird durchgesetzt. Zwei verschiedene farbige Socken, das geht also nicht? Aha.

Erziehung in Redewendungen:
Lass dich nicht so gehen! Halt den Mund! Hör auf zu heulen! Frag nicht so viel! Lach nicht so blöd! Mach den Mund zu, sonst siehst du so doof aus! Wer glaubst du, dass du bist? Pfui, schäm dich!
Na, klingt noch was davon nach? Hören wir es noch immer in Bus und Bahn und öffentlichen Wegen?
Da wird uns vieles genommen, auf dem Weg zu uns selbst!

Und brauchten Mutter oder Vater Bestätigung durch unsere Anhänglichkeit oder Bewunderung?
Und brauchten sie es, dass wir für unser Skelett zu früh stehen konnten, zu früh schon “sauber” waren? Waren sie stolz auf unser frühes Sprechen?

Wir folgten dem Anpassungsdruck, wir wurden Darsteller statt Person.

Wir vergaßen, was für uns stimmt und wie wir unserem Wesen treu bleiben können, denn wir wollten dazugehören.

So fielen viele von uns kollektiv in eine “normale Depression”.

Persönlich leben wäre: Unser ganz eigenes Potential leben zu lernen, als schöpferische Leistung.

Worum geht es in meinem Leben, welches Lied möchte ich singen, was will das Leben gerade von mir?

Uns auf den eigenen Weg zu machen, ist oft von “schlechtem Gewissen” begleitet, weil falsche Loyalitäten, auch innere, uns festhalten wollen und uns fürchten lassen, Zugehörigkeit zu verlieren.

Lebendigkeit und Sicherheit sind Pole auf einem Kontinuum. Wir können die Lebendigkeit suchen,
fühlen lernen, staunen üben und uns damit aus Identifikationen lösen.

Wir selbst werden.

Eine gute Zeit!

Was ich lese (6): Peter A. Levine und Maggie Phillips: Vom Schmerz befreit

Entdecken Sie die Kraft Ihres Körpers, Schmerzen zu überwinden. Fünfte Auflage 2020, Kösel Verlag, München.

Ich beginne mit einem Zitat:
„Die Sprache der Empfindungen

Um Ihren Körper auf dem Weg zu Schmerzfreiheit als Verbündeten zu gewinnen, müssen Sie zunächst einmal lernen, mit ihm zu kommunizieren und eine heilsame partnerschaftliche Zusammenarbeit mit ihm herzustellen. Mit anderen Worten: Sie müssen herausfinden, wie ihr Körper zur unschätzbaren Ressource wird, statt ein schmerzhafter Widersacher zu sein.
Auch wenn der Körper für den Heilungsprozess eindeutig wichtig ist, haben sich viele Schmerzpatienten angewöhnt, sich von ihren körperlichen Erfahrungen abzutrennen, um nicht noch mehr Schmerz zu spüren. Klammern Sie jedoch das körperliche Erleben aus dem Heilungsansatz aus, sind ihre Heilungschancen sehr begrenzt.“ (Seite 27)

Dazu eine Übung:
Wieder Zugang zum Körper finden

Beginnen Sie mit einem Körperteil, in dem Sie keine Schmerzen empfinden. Bedenken Sie, dass es immer Bereiche gibt in Ihrem Körper, in dem das so ist. Selbst wenn Sie sehr lange schon an Schmerzen leiden, werden Sie solche Bereiche bei sich finden! Dieser Körperbereich kann sehr klein sein und sich außerhalb der Regionen befinden, die Sie für gewöhnlich bewusst erleben: Ihre Nasenspitze, Ihr Ohrläppchen, die Innenseite ihres Unterarms…, wo im Körper finden und spüren Sie diese Stelle? Sie kann sich angenehm oder doch zumindest neutral anfühlen.
Erlauben Sie sich jetzt, einen Körper-Bereich zu spüren, wo Sie Schmerzen haben. Gehen Sie langsam vor, in einer Geschwindigkeit, die Ihnen möglicherweise ungewohnt erscheint.
Und wenn Sie merken, dass der Schmerz zu heftig wird? Nehmen Sie einen anderen Körperbereich, der weniger schmerzt! Lernen Sie zunächst behutsam diese Übung kennen!

Spüren Sie die Umrisse dieser schmerzenden Stelle? Dann atmen Sie eine Weile dorthin. Und schauen Sie, ob Sie mit dem Ausatmen zunehmend etwas Anspannung loslassen können. Vielleicht spüren Sie neue Empfindungen, ein Kribbeln, ein Brennen? Wärme oder Kälte? Es kann auch sein, dass Sie den Schmerz deutlich wahrnehmen, als scharf, stechend oder reißend. Wie auch immer Sie spüren, wie die Stelle geschaffen sein mag, nehmen Sie dies einfach nur wahr. Und nehmen Sie wahr, wie Sie sie mit Ihrem Atem verändern.

Kehren Sie dann zu der schmerzfreien Stelle zurück! Spüren Sie beim Einatmen hinein und lassen auch hier beim Ausatmen los, was immer Sie dort spüren. Wechseln Sie mehrfach von einem Körperbereich, den Sie nicht mit Schmerz verbinden, zu einem Körperbereich, an dem Sie Schmerz fühlen. Hinspüren, Hineinatmen mit dem Einatmen, Loslassen mit dem Ausatmen.

Beobachten Sie genau, was Ihnen möglicherweise vorher gar nicht aufgefallen ist! Wenn Sie dieses eine Weile ausprobiert haben, wechseln Sie mithilfe ihres Atems zwischen mehreren Schmerzbereichen und den sich gut oder neutral anfühlenden Bereichen hin und her. Halten Sie jeweils eine Weile inne, atmen Sie hinein, bringen Sie sich damit in Verbindung. Und lassen Sie mit dem Ausatmen alle Anstrengung los.

Es wird gut für Sie sein, darüber ein Schmerztagebuch zu führen. Häufig ist es so, dass Menschen sagen „Ach, das ist mir lästig!“ Wenn Sie sich aber klarmachen, dass Sie manchmal nicht bemerken, dass sich hier schon etwas verändert, in der für Sie besten Weise, dann können Sie den Sinn dieses Schmerztagebuchs verstehen. Und beachten Sie, dass es nicht darum geht, in diesem Schmerztagebuch Ihre Befürchtungen, Ihre Ängste, Ihre schlimmen Erfahrungen, die Sie hinter sich gebracht haben, aufzuzeichnen, sondern wirklich das, was Sie während einer Übung festgestellt haben.
Sie können außerdem natürlich jeden Tag nochmals zu einem anderen Zeitpunkt Ihre Notizen machen, über alles, was Ihnen auffällt an Auslösern und an Entlastendem.  Wichtig ist, dass Sie die Schmerzempfindung immer skalieren, 0 wäre kein kein Schmerz und 10 wäre unerträglich. Beschreiben Sie die Art der Empfindung, notieren Sie Veränderungen.
Auch wenn Sie keine Fortschritte erleben, notieren Sie Ihre Beobachtungen mehrfach am Tag, um Unterschiede festzustellen: Ob es wohl bestimmte Tage gibt, Tageszeiten, in denen ihre Schmerzmuster besonders deutlich werden? Plötzliche Zunahmen? Welche Auslöser es dafür wohl geben könnte? Welche Interventionen helfen?
Sollten Sie Medikamente nehmen, schreiben Sie diese bitte dazu! Und auch dort gibt es positive Wirkungen, negative Nebenwirkungen oder gar keine.
Sie werden so auf diese Weise nach und nach feststellen, ob Sie Fortschritte machen im Kontakt mit ihrem Körper und im Schmerzempfinden, wahrnehmen, wie Sie sich wohler fühlen können. Stellen Sie sich vor, gewinnen Sie einen Eindruck, dass Sie nach und nach eine verstärkte Regulationsfähigkeit erwerben!

Heute haben Sie eine Übung kennengelernt. Ich werde nach und nach neue hinzufügen.

Eine gute Zeit!

Mandala-Selbsterfahrung

Zwischenstation Corona-Isolation…

Nicht schön das Ganze, aber darüber will ich nicht schreiben. Ich bin dankbar dafür, dass ich Stifte im Haus habe, Laptop und Internet und alles nötige Equipment.
Denn mich darauf zu besinnen, dass Malen mir hilft, war gut, und es dann auch umsetzen zu können, noch besser.

Wenn Du magst, lies meinen kurzen Bericht und überlege, ob Du Dich auch beim Mandala-Malen erfahren möchtest.

Da es beim Malen für die Klärung innerer Prozesse nicht um die Herstellung von Kunst geht, gibt es keine Vorgaben, was darf und was nicht, und ob dabei etwas Gutes herauskommt, wird nicht am Produkt gemessen.

Mandala in der Form, dass ein Kreis in vier Teile geteilt wird, dass links oben mit dem gestalterischen Füllen begonnen wird und im Uhrzeigersinn weiter vorgegangen wird, war die einzige Idee, mit der ich mich an den Tisch setzte.

Dann arbeitete ich zunächst am Laptop und wählte intuitiv vorgefertigte Bilder aus einer Software aus. Beim zweiten Bild war mein Thema klar: Die Infektion und ihre Folgen. Dass mich das nun beschäftigt, ist nicht verwunderlich. Interessant wurde es, als ich meine Gefühle deutlicher spürte und merkte, dass ich sie zum Teil abgespalten hatte.

Das Ergebnis druckte ich aus und legte meine diversen Stifte bereit.
Zorn kam im ersten Quadranten zu Tage, er floss in die Ölkreiden. Ich sehe nun auch Angst.
Schutzbedürfnis, Ruhebedürfnis, Absonderung, Stillstand im zweiten.
Im dritten Quadranten wurde das Thema bewusster: Was mich in die Heilung bringen könnte. Nicht nur der Angriff kam von außen, auch alles Heilsame muss ich nicht allein erschaffen.
Die Erkenntnis: Vorsorge ist nicht nur Vorratshaltung an Nahrung und Wasser. Vorsorge ist auch, in guten Zeiten und gesunden Tagen zu würdigen und zu pflegen, was mich hält und stärkt.
Beim Zeichnen habe ich viel Kindlichkeit in mir gespürt, das tat gut! Schon als Kind war das Füllen eines Blatt Papiers mit Farben und Formen eine gute Zeit mit mir selbst.

Der letzte Quadrant bildet noch eine eher vage Vorstellung ab, was denn sein wird, wenn ich die Zwischenstation verlassen werde. Dass meine Wahl auf einen Schmetterling fiel – offenbar ist da Sehnsucht nach Leichtigkeit, Buntheit, Verspieltheit in mir.

Der Heilung näher kommen, spüren, was ist, was werden soll

Du siehst, es kommt nicht auf Deine Talente an oder darauf, was andere davon halten! Dein innerer wertvoller Prozess , darauf kommt es an.

Na, Papier und Stifte im Haus? Digitales Werkzeug hast Du, da Du ja gerade hier vorbeischaust, also los!

Eine gute Zeit!