Gewalt in der Kindheit

Szenen:
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Beide Eltern schlagen im Bett auf ihr Kind ein, weit ausholend mit den flachen Händen, egal wo sie treffen – das Kind hatte sie gestört, es hat laut geweint, es hatte vor irgend etwas Angst.

Die Mutter verfolgt ihre Tochter und schlägt sie mit dem Kochlöffel die Treppe herauf – die Tochter wollte nicht essen.

Die Kinder müssen sich in der Reihe aufstellen, der Vater gibt jedem Kind eine Ohrfeige. Es wird schon einen Grund geben.

Im Keller steht die Werkbank. Dort werden die Kinder hinbeordert, wenn sie zu spät nach Hause kommen. Der Gürtel kommt zum Einsatz.

Das Kind in der Schule hat schreckliche Angst, der Lehrer soll nichts zu Hause erzählen. Auch hier wird der Gürtel benutzt.

Der Junge zittert. – Die Erinnerung, als er auf einen Stuhl gebunden im Keller im Dunkel saß, zur Strafe für irgendetwas was er nicht verstand, überwältigt ihn immer wieder, wenn er Schritte auf einer Treppe hört.

Mutter rastete immer aus, sie hatte schlechte Nerven. Sie hat das Kind nicht geschlagen, sie schlug die Tasse auf den Tisch. Das Kind weiß, es selbst ist gemeint.

Das Kind erlebt, wie der Vater die Mutter schlägt. Es spürt seine Hilflosigkeit.



Solche Erlebnisse müssen nicht zu bleibenden (somato-)psychischen Problemen führen. Sie können. Hinschauen ist die Aktion der Wahl, wenn es um darum geht, das herauszufinden. Nicht hineinsteigern, nicht wiedererleben, nur hinschauen. Und entscheiden, wie es weitergehen soll.

Szenen, die immer wieder auftauchen, anscheinend aus dem Nichts, ohne erkennbaren Anlass, wollen Beachtung.

Die Empfindung von Unwirklichkeit oder der Eindruck, von Erinnerungen abgeschnitten zu sein, kann auf einen inneren Wunsch hindeuten, Klarheit zu schaffen.

Dies sollte behutsam und begleitet geschehen. Damit es keinen Fall ins gefühlt Bodenlose gibt.

Dass traumatisierende Erfahrungen – auch die Beobachtung von Gewaltereignissen bei anderen Menschen – im Zentralen-Nerven-System Spuren hinterlassen können, ist keine neue Erkenntnis. So schrieb die Biologin Martina Piefke (in Jacobs et. al. Neurowissenschaften und Traumatherapie, 2009 Universitätsverlag Göttingen), dass die chronische Veränderung von ausgeschütteten Stresshormonen ausschlaggebend sei für trauma- und stressverursachte Gedächtnisstörungen. Dies sind nicht die einzigen Folgen, die sich im ZNS nachweisen lassen.

Diese Information ist allerdings nicht im Allgemeinwissen so verankert, dass ein betroffener Mensch sich ohne Weiteres eingestehen kann, dass er geschädigt ist. Menschen neigen eher dazu, zu denken, sie müssten die Erfahrung, so sie bewusst ist, doch verarbeitet haben, schließlich sind sie doch nun erwachsen. Und wenn sie sich nicht erinnern, wie sollte es dann wirken?
Vielfach werden sie in mit dieser Haltung auch durch ihre Mitmenschen konfrontiert. Wenn es dann nicht gelingt, die gefühlten Beeinträchtigungen, die körperlichen Symptome oder die Verhaltensprobleme „in den Griff zu kriegen“, empfindet die / der Betroffene oftmals Scham.
Ebensowenig ist die Erkenntnis im Allgemeinbewusstsein verankert, dass solche Veränderungen wegen der Neuroplastizität (ich nenne dies etwas salopp „stetige Veränderbarkeit“) des Gehirns auch Heilung und Gesundung erfahren können. Im Grunde ist es logisch: Wenn traumatisierende Erfahrungen mich schädigen können, kann professionelle und manchmal auch einfach kundige und liebevolle Begleitung bei der Aufarbeitung auch zur Heilung führen.

Wer darauf nicht vertrauen kann, greift oftmals zu Versuchen von Selbstheilung, die nicht zur Gesundung, sondern zu weiterer Schädigung führen. Einer der Irrwege ist die Entwicklung einer Sucht. Andere sind das Ausüben von Gewalt gegen sich selbst oder andere. Denn auch die Emotionsverarbeitung ist häufig geschädigt und ebenso das soziale Verhalten.
Wie wichtig ist es daher, hier aufzuklären, zu ermutigen und anzuerkennen, dass es Heilungsbedarfe und Heilungswege gibt! Und ich spreche hier nicht von Psychopharmaka!

Jacobs et. al beschreiben in der gleichen Publikation ein Programm, das kognitiv-verhaltenstherapeutische Interventionen mit EMDR und mit Informationsvermittlung an die Patienten verbindet. In der vorliegenden Studie zu diesem Programm kam es zu keinen Therapieabbrüchen, was für weniger vielschichtige Behandlungsansätze nicht gesichert gesagt werden kann.
Für diejenigen, die sich hier weiter kundig machen wollen: Die oben genannte Publikation ist als freie Online-Version über die Homepage des Verlags erhältlich.

Wer Betroffene kennt, manches bisher nicht verstand und auch unangemessen fand, kann vielleicht eine neue Haltung finden.

Betroffene sollten bei Beginn einer Therapie fragen, auf welcher Grundlage die Therapeutin / der Therapeut arbeitet. Es ist wie bei jeder Therapie wichtig, sich als gut informiert zu erleben und somit Vertrauen aufbauen zu können.

Tja, heute mal keine Übung, nächste Woche wieder!

Bis dahin alles Gute!