Kopf Körper Älterwerden Tag null bis….

Tag 0
Moin!
Als ich jung war, war ich gelegentlich kopflos unterwegs. Hals über Kopf hinein in die Rhythmen der Disco, eingetaucht in die Nacht, alles andere vergessen, Körper durchgetanzt, der brauchte kein Essen, kaum zu trinken, keinerlei Schlaf oder auch nur Stille. Glücklich im Morgengrauen noch immer im Schwung, nach Hause und dort herrlich geschlafen.

Heutzutage bin ich eher körperlos unterwegs. Dauerdenkenderweise ist der Kopf sehr aktiv, während der Körper mich mehr oder weniger brav von hier nach dort bringt und weiter keine Beachtung erfährt. Bis er schmerzt. Hier zwickt, da zieht, hier und da nicht mitspielt. Soll das so? Nein, das möchte ich lieber nicht!
Muss Älterwerden zwingend so erlebt werden? Ich habe Zweifel.
Und so will ich in den nächsten Tagen mal schauen, was andere so zu sagen haben zu dieser interessanten Person Körper (Achtung Trick: Was sich einzeln aufstellt, kann gut betrachtet werden!). Eigenes dazu geben, ja, der Kopf ist zur Party eingeladen, wie auch Sie: Gastbeiträge herzlich willkommen!

Ich beginne mit Schmidbauer, ebook Altern ohne Angst:
“Die Erwartung, dass Schmerzen schnell vergehen und Gesundung rasch voranschreitet, kann im Alter Heilungsprozesse beeinträchtigen. Auch der alternde Körper regeneriert sich, solange wir leben. Aber er braucht dazu mehr Zeit. Wer über einem langsamen Prozess der Heilung in eine Depression versinkt, wird dadurch nicht gesünder, im Gegenteil.”
… und weiter: “Eines der Sprichwörter, die der Alternde nicht mehr vergisst, habe ich zuerst von einem Schwaben gehört: «Wenn du über fünfzig bist, wachst morgens auf, und es tut dir nichts weh – dann bist du tot!» Dieses Sprichwort ist ein Schritt zu dem Verständnis, dass im Alter das Ich wie ein sorgender Grundbesitzer morgens seine Grenzen abschreitet. Wer mit seinen Missempfindungen schlafen und sie im Erwachen begrüßen kann, der hat eine reife Einstellung zu ihnen gewonnen, er wird besser schlafen und mit geringeren Schmerzen erwachen als jemand, der unglücklich und wütend ist, dass er nicht triumphierend aus dem Bett springen und sich der Leichtfettmargarine zuwenden kann, die das jung-dynamische Lebensgefühl bestimmt […].”

Dies lesend denke ich darüber nach, dass das Hadern mit den körperlichen Beschwerden explizite Schmerzzustände erst herbeirufen oder zumindest verschlimmern kann. Auch früher schon wird es Einschränkungen und Zwicken und Zwacken, auch schlimmerer Natur, gegeben haben, jedoch wurden sie nicht mit dem Etikett des Alterns verknüpft. Im Tanz gestoßen oder umgeknickt? Egal, weiter mit der Musik und der Lebensfreude. Vielleicht ein blauer Fleck oder gar ein geschwollener Knöchel in den nächsten Tagen? Je nun, das wird vorübergehen.
Älterwerdend hingegen kann es sich einschleichen zu denken: “Oje, das geht also auch nicht mehr, es geht bergab…” und schon wird das Leiden stärker.
Soviel zur Macht der selbstgebastelten Zuschreibungen.

Nicht in Frage stellen will ich hingegen, dass es alternd keine lästigeren und unangenehmeren körperlichen Einschränkungen gäbe als gemeinhin in jüngeren Jahren. Sie zu verleugnen kann genauso verschlimmernd wirksam werden wie das Katastrophisieren. Dann haut der Körper um sich und macht auf sich aufmerksam – was für eine Kränkung: Mein Körper wird einfach alt….
___________________________________________________________________________Tag 1
Moin!
Mein Körper fühlt sich heute recht wohl. Obwohl die unruhige, alte, demente Katze mit beständigem Miauen für Schlafdefizit gesorgt hat, wachte mein Körper erfrischt auf. Ich hatte einen schönen Traum, der sich offenbar recht positiv auf den Körper auswirkt.
So kann ich meine Aufmerksamkeit auf das möglicherweise baldige Ende einer Lebensgeschichte richten und meinen Kopf in ein Buch stecken: Systemisches Arbeiten mit älteren Menschen, darin Katharina Fuchs Seite 66 ff:
Eine alternative Geschichte
Es war im Sommer letzten Jahres, als ich mit einer Heimbewohnerin, Frau A., 97 Jahre alt, einen Spaziergang machte. Sie betrachtete ihre täglichen Spaziergänge als Training, als Versuch in Selbstdisziplin und als Anlass für ihren Ärger darüber, dass sie die erhoffte Strecke nicht schaffte, dass ihre Beine wehtaten und sie nicht mehr zu alter, gewohnter Leistung fähig war. ” […]

Manche Muster setzen sich über Jahrzehnte fort… Ich denke über Selbstoptimierung nach (gefälligst fit sein/bleiben) und über Defizitorientierung (Konzentration auf das, was nicht/nicht mehr geht) und darüber, wie es auf diese Weise gut gelingen kann, sich den Körper zum Feind zu machen. Aber uns war ja eine Alternative versprochen worden, also weiter im Text:

“Wir überlegten, welchen Unterschied es zum “Rasch-Gehen” geben könnte und was dieser Unterschied für einen Unterschied machen könnte.  […] Frau A. fand für sich eine neue “Spazier-Geh-Geschichte” . Bei unserem nächsten Treffen fragte ich sie, ob sie eine Veränderung in ihrem Spazier-Gehen bemerken könne, und sie antwortete, dass sie im Langsamsein viel besser beobachten konnte, viel mehr wahrnehmen konnte. Sie berichtete auch, dass sie wesentlich mehr Heimbewohner traf [… ]. Frau A. wirkte in sich ruhend und zufrieden.”

Ein Lob für Langsamkeit, für Achtsamkeit für Beziehungsorientierung! Passt auch für Junge! Wenn Sie in der Nähe eines Fensters sind, schauen Sie mal raus und tun sonst garnix! Sollten Sie in Gesellschaft sein, kann ein freundlicher Blick in Richtung des/der anderen auch nicht schaden! Wie fühlt sich Ihr Körper gerade an?
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Tag 2
Moin! Heute zitiere ich aus Das Achtsamkeitsübungsbuch für Beruf und Alltag, Halko Weiss u.a.

Im Kapitel INNEHALTEN UND SELBSTERINNERN IM ALLTAG heißt es:
“Die häufigste Schwierigkeit, Achtsamkeit in den Alltag zu integrieren, besteht darin, dass dieser Vorsatz untertags beim Laufen im Hamsterrad schlicht und einfach vergessen wird. So wie in der Geschichte von der Säge: Ein Spaziergänger geht durch den Wald und beobachtet einen Mann, der an einem dicken Holzstamm sägt. Die Säge ist schon stumpf, er kommt nur langsam weiter. Auf die Frage, warum er nicht innehalten wolle und seine Säge schärfen, antwortet er: Sie sehen doch, wie viel Arbeit noch wartet, dafür habe ich keine Zeit, ich muss weiter sägen! Er zeigt dabei auf einen großen Holzstapel. Man sieht: keine Zeit, das zu tun, was alles erleichtern würde.”

Hmhm. Kenn ich. Sie auch?

Die Autoren sagen, durch das Innehalten und Pausieren könne sich der Geist beruhigen. Man erinnere sich an sich selbst, indem man – vielleicht auch nur ganz kurz – dem eigenen Körper Aufmerksamkeit schenkt. Der Vorschlag hierzu ist, einige bewusste Atemzüge zu nehmen, die Körperhaltung wahrzunehmen und den Kontakt zum Boden.
“Auch hier ist das größte Hindernis, das man vergisst, daran zu denken. Daher hat es sich bewährt, Innehalten mit äußeren Anlässen zu verknüpfen, die regelmäßig wiederkehren.”
Und schließlich könne man sich vornehmen, insbesondere dann innezuhalten, wenn man bemerkt, dass der eigene Zustand durch Ungeduld oder Unruhe geprägt ist.

Da ich heute einen eher von Unruhe geprägten Tag habe, teils von außen herangetragen, teils von innen produziert, fange ich gleich mal damit an. Und als äußeren Anlass wähle ich für heute das Händewaschen. Immer mit Aufmerksamkeit und Ruhe.

Tschüss bis bald!
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Tag 3
Moin!
Heute habe ich mal wieder in das Buch Das Stühlespiel geschaut. Auf unter anderem hypnosystemischen Wurzeln steht diese Methode von Stefan Hammel. Er beschäftigt sich mit den Möglichkeiten eines menschlichen Erlebens und nimmt als Metapher für Persönlichkeit einen See von Lebensmöglichkeiten: Dort kann sich das Ich von etwas weg und zu etwas anderem hinbewegen und die Unterschiede erspüren. (Seite 28)
Er spricht also nicht von Teilen einer Persönlichkeit, was mir sehr sympathisch ist. Er sagt, wenn ich mich dann von einem Teil verabschieden möchte, kann unbewusst das Bild einer Amputation entstehen. Mit dieser Idee kann ich etwas anfangen und auch damit, eben lieber von den Möglichkeiten zu sprechen. Mir drängt sich das Bild von Aggregatzuständen auf, allerdings gibt es davon nicht so viele… Dann fällt mir das Wort Allel ein. Hatten Sie das im Biologieunterricht? Ich war damals völlig fasziniert (ist schon ein paar Jahre her ;)): Ein Genabschnitt, der zum Beispiel für rote Haare steht, ist als Möglichkeit zu sehen, angeschaltet oder abgeschaltet, unser Biolehrer sprach von einer Rotationsachse des Gens, um die sich selbiges drehen kann. Heute spricht man viel von Epigenetik und davon, dass sich solche Schaltzustände sogar vererben können… Herrje, ich schweife sowas von ab!
All diese Bilder finde ich stimmiger als das Bild von den Teilen einer Persönlichkeit. Und wozu das Ganze?
Herr Hammel setzt diese Möglichkeiten auf Stühle. Ja. Und diese benannten Möglichkeiten kann der Mensch, der mit einem sogenannten Problem kommt, besetzen. Feststellen, wie sich das dort anfühlt. Eine Möglichkeit unter Umständen in Dauerurlaub schicken. Eine andere gegebenenfalls transformieren zu etwas, das hilfreicher ist.
Klingt kompliziert? Wenn die Benennung sich ändert, wird es vielleicht etwas klarer: Da drüben könnte die mit den Schulterschmerzen sitzen, daneben möglicherweise die, die sich nicht vorstellen kann, dass sich das je bessert. Und dort diejenige, der es besser geht, als sie es je für möglich hielt. usw. Wenn Sie nun merken, dass Sie da mal nachlesen wollen: Folgen Sie dem Link Das Stühlespiel!

Ich erzähle jetzt noch aus dem Buch von der Frau mit den Schlafstörungen, die die Methode zur Selbsthilfe nutzte:
“Ich habe derjenigen, die abends nicht einschlafen kann, einen Platz gegeben und ihr gesagt, sie kann sich dort für mich Gedanken machen. Dann bin ich gleich eingeschlafen.”
Eine andere berichtet: ” Ich habe die, die nachts noch arbeiten will, in einen anderen Raum an den Schreibtisch gesetzt. Das hat aber nicht gereicht.” Sie hat dann noch die herein geholt, die im Sommer so gern auf dem Balkon liegt. Das habe dann geklappt (S. 51).
“Wer nachts erwacht ist und Schwierigkeiten hat, wieder einzuschlafen, könnte denjenigen, der wach bleiben möchte, auf einen Nachtspaziergang schicken.”

Das gefällt mir alles sehr gut! In der Therapie oder Beratung lässt sich das noch wunderbar auffächern und alles an Möglichkeiten kann gewürdigt werden. Wenn Sie wollen: Spielen Sie schön!
Ich mach jetzt mal ein Nickerchen.

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Tag 4
Moin!
Puh, da habe ich aber ml eine seeeehr lange Pause gemacht! Wie kam’s? Viele Verpflichtungen, die sich leider nicht wegdebattieren ließen, sie waren real, vieles, das so schief ging, wie es nur gehen konnte, daher viel zuwenig Zeit für Muße und Verpusten – da blieb dann mein Blog auf der Strecke zurück. Um einen Gedanken zu fassen, dazu etwas zu verfassen, auch wenn es nur “Splitter” sind – es braucht halt einen Kopf, der nicht mit Alltag vollgepfropft ist. Jedenfalls geht es mir so.
Solche Zeiten gibt es halt, das dürfte nicht vermeidbar sein.  Und es geht ja auch vorüber in der Regel. Wenn nicht, ist es an der Zeit, das eine oder andere zu überdenken an der Lebensführung.

Was mich beschäftigt, ist die Frage an mich selbst: Lade ich mir zuviel auf? Neben dem Unvermeidbaren, gibt es da irgendwo ein  Zuviel? Hierbei denke ich durchaus auch an das Schöne im Leben. Wenn ich im Garten gewerkelt habe, kann ich danach nicht mehr tanzen gehen. Wenn ich das Wochenende mit einem Trip zu dem wunderbaren Martin Schläpfer‘schen Ballett in Düsseldorf zugebracht habe, ist der Alltag danach sehr anstrengend und Überforderungsgefühle stellen sich ein, die mich dann niedergeschlagen sein lassen. Nicht mehr dreißig, mehr als doppelt so viel, was geht da noch? Will ich zuviel? Ist eine Einsicht notwendig in die Endlichkeit der Kräfte? Aber wo sind die Abstriche zu machen? Oder muss nur die Organisation anders aussehen?

Älterwerden – ich kenne Damen in weit fortgeschrittenernem Alter, die noch ganz viel wollen und können. Mich schmerzen meine Knochen und Muskeln. Und ich brauche mehr Schlaf. Sport allerdings fiel seit Wochen flach, da könnte es einen Zusammenhang geben….

Um all dies immer neu zu bewerten, zu prüfen und zu entscheiden: Dafür benötige ich als allererstes Zeit! Ab jetzt will ich sie mir nehmen!

Auf geht’s! Bis bald!

___________________________________________________________________________Tag 5
Moin! Ich habe darüber nachgedacht, was ich wirklich möchte in meinem Leben. Ich habe mal beiseite gelegt, was ich meine, möchten zu müssen. Ich habe zur Kenntnis genommen, dass die Dinge, die meine Aufmerksamkeit zwingend benötigen, diese auch bekommen sollten… Da sind wir wieder bei der Achtsamkeit gelandet, siehe da!
Dass ich groß begründen muss, einige Aufgaben  n i c h t  übernehmen zu wollen, das glaube ich deutlich seltener und schwächer als vor ein paar Monaten. Da bin ich nun bei H. Stavemann gelandet und dadurch bei dem Gedanken, dass ich mich nicht vom Wohlwollen anderer abhängig machen möchte. Und dass ich da noch etwas Übung benötige…

Gestern endete mein Kurs in Progressiver Muskelentspannung mit Teilnehmenden 70+. Alle waren sich einig, dass das Schöne am Ältersein  ist, zu sich zu stehen, dies zu auch zu zeigen und es zu genießen.

Alles darf sein! In diesem Sinne endet dieses Thema hier für mich. Ich geh jetzt in die Sonne!