Heute ist Montag, es ist auch Heilig Abend für die Christen, ein Familienfest immerhin auch für viele, die mit dem Christentum wenig oder gar nichts zu tun haben mögen. Für manche ist es ein scheußlicher Abend, weil sie ihn nicht so verbringen, dass sie sich dabei wohlfühlen. Sie sind allein, wären aber lieber in Gemeinschaft. Sie betrinken sich, mit Genuss hat es selten etwas zu tun. Sie sind mit der Familie zusammen und die Emotionen kochen ab einem bestimmten Zeitpunkt hoch – oder es fröstelt einen, weil Wahrhaftigkeit fehlt.
Manche sagen auch, es sei ein Friedensfest. Dafür gibt es kaum Belege. Beim Hören der heutigen Nachrichten finde ich eher solche für das Gegenteil, auch für die sich christlich definierenden Gegenden dieser Erde werte ich das so.
Aus Gründen, die sich mir nicht erschließen, ereignen sich in dieser Zeit häufig Naturkatastrophen – möglicherweise fällt es mir auch nur stärker auf, weil mich die Erwartung auf stille Tage begleitet.
Diese stillen Tage gönne ich mir in jedem Jahr ab dem frühen Abend des 24.12. Vor etlichen Jahren habe ich beschlossen, alles dafür zu tun, dass ich diese Tage nach meinem Geschmack gestalte. Ruhe bitte! Diesen Text schreibe ich gern, danach noch ein allerletzter Gruß an einen lieben Menschen – dann kehrt Ruhe ein. Handy aus, TV aus, kein Geplapper am Gartenzaun. Zur Ruhe zu kommen ist mir ein hohes Gut.
Meinem Glauben entspricht es nicht, dass an Weihnachten ein Heiland geboren sei zu unser aller Erlösung, diese Idee ist mir fremd. Es sind jedoch auch für mich mit diesem Fest Metaphern verbunden, die mir etwas sagen. So finde ich die Idee sehr schön, dass es da einen Gott gäbe, der sich hinein in diese Welt begibt, durch Geburt menschlich. Die Grenze von Schöpfer und Geschöpf wird durchlässig, es kann Nähe entstehen, sogar Vertrautheit.
Heute denke ich darüber nach, dass die Menschwerdung des Schöpfergottes nach christlicher Vorstellung in Gestalt eines Neugeborenen geschieht. Ich denke darüber nach, was es ist, das ein Neugeborenes ausmacht.
Es ist der Fürsorge bedürftig, denn es kann noch nicht für sich sorgen. Es will genährt, gewärmt und sauber gemacht werden, damit es sich wohlfühlen kann. Es bedarf der Stimme vertrauter Personen, es braucht Aufmerksamkeit, Zuwendung, sogar Gerüche, die es ihm ermöglichen, sich geborgen zu fühlen.
Wenn der erste Schock des Übergangs der Geburt ins Leben überlebt ist, die Orientierung im Außen noch sehr eingeschränkt möglich ist, dann braucht das Neugeborene Verlässlichkeit und Bindung, es braucht Menschen, die es willkommen heißen.
Wir wissen darum, dass nicht jeder Mensch dies alles so bekommt, wie es gut gewesen wäre. Selbst für diejenigen, bei denen alles gut begann, bleibt der Weg ins Leben ein Abenteuer mit Fallstricken, Überraschungen und Herausforderungen. Ich denke, das bleibt ein Leben lang so und ich denke, es ist gut, sich bewusst zu sein, dass wir Bedürfnisse haben, für deren Erfüllung wir aufmerksam und wirksam sein sollten.
Sollten Sie in diesen Tagen über Ihre Glaubensgrundsätze, ihre Werte und Ziele nachgedacht haben? Ich möchte Sie dazu animieren, alle diese unter ein Mikroskop zu legen, oder, falls Ihnen das leichter fällt, so zu betrachten, als lägen die Werte, Ziele und Glaubenssätze ganz weit weg und Sie benötigten ein Fernglas zur Betrachtung. Mögen Sie auch nicht? OK. Dann stellen Sie sich vor, diese Werte, Ziele und Glaubenssätze berichtete Ihnen ein nahestehender Mensch als die seinen. Wie würden Sie mit diesem Menschen darüber sprechen?
Und nun?Jetzt prüfen Sie: Ist das alles gut für ein Gefühl des Aufgehobenseins in dieser Welt? Hilft es, sich beschützt, gewärmt, genährt zu fühlen? Ist das alles gut für die Eroberung des nächsten Tages mit all seinen Besonderheiten?
Was brauchen Sie, um sich willkommen und zuhause in dieser Welt zu fühlen? Denken Sie sich für einen Moment als Neugeborenes, welches Gefühl entsteht dabei?
Legen Sie alles auf den Prüfstand: Vielleicht wollen Sie etwas anders denken, anders gestalten, anders erhoffen, anders einfordern, anders geben als bisher?
Ich wünsche Ihnen Tage, in denen Sie die Ruhe herstellen, die Sie zum Nachdenken brauchen. Und sollten Sie allein sein gegen Ihren Wunsch – gehen Sie raus! Gehen Sie unter Menschen, lassen Sie das TV aus mit seinen rührseligen Sendungen, schauen Sie ins reale Leben und vielleicht finden Sie eine Begegnung. Es muss ja nicht in der Eckkneipe sein.
Frohe Feiertage und bis nächsten Montag!