Auf dem Weg, Heilpraktikerin für Psychotherapie zu werden, bin ich hier und da auf den provokativen Ansatz gestoßen. Bisher habe ich mich nicht darin weiter gebildet, aber in diesen Corona-Zeiten gibt es vermehrt Möglichkeiten, dies auch online zu tun, was ich sehr begrüße.
Auch in der Kognitiven Verhaltenstherapie wie ich sie praktiziere gibt es durchaus provozierende Elemente, niemals etwa herabsetzend oder besserwisserisch angewendet, sondern immer in der Grundhaltung, Klienten zuzutrauen, damit für sich selbst gut umzugehen.
So kann die Frage: „Und wozu machen Sie das?“ wenn sich jemand über sich selbst beklagt und dort zunächst nicht weiter kommt, entscheidende Richtungswechsel anstoßen, provozieren.
Was also soll provoziert werden? Es geht um den Anteil, den wir haben leise werden lassen, die Seite in uns, die um die unseren Zielen förderliche Lösung weiß, die sogar die Funktion der sogenannten Hindernisse kennt.
Für Traumata oder Trauer taugt das nicht! Was schlimm ist, soll und darf gewürdigt werden! Auf den Prüfstand gehören allerdings die Strategien, die wir mit „Opferhaltung“ bezeichnen können. Hüten wir uns davor, diese, wenn wir sie finden sollten, zu verurteilen oder lächerlich zu machen, darum geht es nicht! Auch diese Haltung hat ihren guten Grund gehabt, sollten wir sie in schlimmen Zeiten entwickelt haben. Auf Dauer hält sie uns allerdings in etwas fest und wir könnten sie abwickeln.
Dr. E. Noni Höfner, die aufbauend auf der von Frank Farrelly (* 26. August 1931; † 10. Februar 2013) entwickelten provokativ arbeitenden therapeutischen Richtung das Deutsche Institut für Provokative Therapie im Team leitet, sagt, es sei eine Geisteshaltung, so zu arbeiten (zu sehen auf youtube). Es gehe darum, Klienten den Ausweg aus Sackgassen zu ermöglichen und es ihm zuzutrauen, ihn zu finden.
Ich überlege, inwieweit dieser Ansatz auch bei der Arbeit mit uns selbst uns weiterbringen kann. Also sozusagen aus eingefahrenen Gleisen zu springen (möglichst ohne zu verunfallen), einen Knoten im Kopf zu lösen (die Fäden dabei in der Hand zu behalten), in neues Fahrwasser zu kommen (das Ziel nicht aus dem Auge verlierend).
Nöni Höfner sagt, Stolpersteine habe man sich in der Regel selbst in den Weg gelegt. Daraus schließe ich, ich könnte diese so karikieren, dass ich selber darüber lache. Nicht mich auslache! (Manche Klienten tun das mit Fleiß, sarkastisch über sich zu lachen.) Gut wäre, stattdessen liebevoll karikierend mein an dieser Stelle wirksames Weltbild zu betrachten, mit Humor.
Ich schließe aus Noni Höfners Worten, ich könnte mir mal mehr recht geben, als ich es gewöhnlich tue, wenn ich zu mir sage, hier wäre keine Änderung möglich. So sehr nämlich, dass ich mir anschließend an die Stirn tippe. Ich vermute, die meisten von uns kennen es, dass widerstreitende Gedankenströme, an die wir uns gewöhnt haben, durchziehen und wir sie leider nicht dinggfest machen. So wabert auch in mir manches herum.
Provoziere ich mich nun selbst zum Beispiel damit, dass ich es NIE schaffen werde, mit meiner Schreibtischarbeit auf Stand zu sein, weil ich zu faul und inkonsequent dafür bin, mich also damit abzufinden habe, nichts dagegen tun können werde bis ich ins Gras beiße! So könnte doch am Ende der Gang zum Aktenordner mit der Steuererklärung stehen. Obwohl ich noch garnicht gemahnt wurde! Ich übertreibe nun ordentlich: Ich muss so weiter machen wie bisher, es gibt keine Lösung! Nicht für mich jedenfalls! Faul wie ich bin! (Während ich so mit mir rede steht mir vor Augen eine grinsende Katze. Das ist halt mein inneres Bild, das mich davor schützt, mich in Selbstverurteilung zu wälzen. Führt ja auch zu nix.)
Ich kann mich auf eine mit mir selbst liebevolle Weise selbst provozieren. Ich kann das, wenn ich grundsätzlich um meine Ressourcen weiß, sie im Moment nur nicht aktiviere, aus Gewohnheit.
Manchmal braucht jemand Hilfe, dies liebevoll und humorvoll mit sich so zu tun, weil sie oder er zu sehr – und schon länger dabei festgefahren – verurteilend mit sich umgeht. Dann nämlich wird es schwer, allein zu einer Erkenntnis zu kommen, dass der gewählte Weg im Umgang mit sich selbst eine Sackgasse ist (in die man aus Gründen gegangen ist, die auf den Prüfstand gehören, wenn man wieder rauswill).
Ich kann die Lösung für das Problem anderer Menschen nicht wissen. In meiner Praxis kann ich beim Entdecken der Selbstwirksamkeit helfen, beim Ausgraben verschütteter Kompetenzen, ich kann begleiten, wenn sich jemand anders als gewohnt auf den Weg machen will.
Einige provozierende Sätze als Beispiel:
„Sie können das nicht! Sie haben ja dafür gar nicht das Rückgrat!“ Mit einem leichten Augenzwinkern gesagt, immer wieder, und das Gegenüber beginnt sein Rückgrat immer deutlicher zu spüren… Der Leib will sich aufrichten, widerborstig geradezu!
„Das geht nicht! Dafür ist es nun zu spät! Dafür sind sie zu alt!“ NA? Was könnte passieren?
Oder
„Das haben Sie doch schon immer so gemacht! Sie sehen ja, was Sie sich damit eingebrockt haben, aber Sie können sich jetzt nicht einfach ändern! Was soll denn Ihre Umgebung dazu sagen!“ Na?
Testen Sie mal in der Ich-Form!
Vielleicht haben Sie ja solche inneren Sätze, verstärken Sie sie doch mal spielerisch, bis zum Absurden! Am Ende haben Sie sie vielleicht weggelacht und haben Raum für was anderes in Ihrem inneren Chor!
Eine gute Woche!