Von Dingen abhängig sein

Heute schreibe ich über keine Übung und nicht über ein Experiment, es geht heute auch nicht darum, dass ich meine Meinung oder meine Haltung zu einem Thema erläutern möchte. Es ist einfach so, dass ich heute Spaß daran finde, öffentlich über Dinge nachzudenken.

Eine Bekannte erzählt mir, dass sie Angst hat, dass bei ihr ein Feuer ausbrechen könnte. Es sei nicht so, dass sie Angst habe, ihr Leben oder ihre Gesundheit zu verlieren, sondern sie fürchte um ihre Dinge. Sie sagt sogar: Sollte das Haus unbewohnbar sein, es wäre nicht das Schlimmste, das könne man notfalls wieder aufbauen. Sie hat also keine Angst vor finanziellem Verlust oder vor Obdachlosigkeit. Nein, sie hat Angst um ihre Erinnerungsstücke, um ihre Bücher, um ihre Musik und ihre Kleidung. Sie sagt im Gespräch, das alles mache sie doch aus. Das sei sie. Wenn diese Dinge weg wären, dann wäre sie selbst ein Stück weg .

Ich selbst habe vor einigen Jahren erlebt, dass es mir etwas ausmacht, wenn eingebrochen wird und anschließend der Safe weg ist. Vielleicht ist das leicht nachzuvollziehen. Allerdings: Die Schmuckstücke und Steine und Uhren waren nicht viel wert. Es waren für mich Erinnerungsstücke, das war das Problem. Ich habe durchaus gedacht, es hätte schlimmer kommen können. Wenn zum Beispiel mein Notebook weggewesen wäre, hätten mir wichtige Dokumente gefehlt, die ich zum Arbeiten brauche. Der Schmuck war nur Deko. Inzwischen vermisse ich ihn nicht mehr und habe mir auch keinen neuen gekauft und das ist okay. Erstmal hatte ich aber ganz schön zu knabbern!

Eine Freundin stellt sich selbst dar, indem sie ihr Bücherregal und ihre Plattensammlung im Wohnzimmer aufbewahrt und kein*e Besuchende kann an der riesigen Wand mit Büchern und Platten vorbei schauen.

Ein Bekannter sammelt Modellautos. Jede*r Besuchende bekommt sie gezeigt. Ältere Menschen haben manchmal Sammeltassen in Vitrinen. Diese Tassen werden selten benutzt, sie sind Deko. Viele Menschen neigen offenbar dazu, sich über die Dinge, die sie besitzen, ihren Mitmenschen vorzustellen.

Es gibt auch Besuchende, die erst einmal unaufgefordert die Buchrücken in meinem Regal studieren und ihre Kommentare dazu abgeben. Ich mag das nicht besonders. Ich fühle mich, als wäre mir jemand zu dicht gekommen.
Ich erinnere mich aber, dass, als ich noch ziemlich jung war und eine schwierige Zeit durchlebte, mir die Dinge in meiner Wohnung Sicherheit zu geben schienen. Ich habe sie oft sortiert und angeschaut. Damals habe ich sie auch durchaus präsentiert – als mein ganz persönliches Schaufenster in mein Leben.

Heutzutage empfinde ich es eher entlastend, mich von Dingen zu trennen. Das ist vielleicht eine Alterserscheinung. In der Tat muss man sich darum kümmern, wenn man viele Sachen besitzt. Wenn diese selten genutzt werden oder jahrelang überhaupt nicht, ist es wahrscheinlich besser, sie zu verschenken, zu verkaufen oder wegzuwerfen.

Es kommt natürlich vor, dass jemand etwas weggeworfen hat und es dann doch vermisst. Das ist dann ein bisschen schade, aber in der Regel nicht wirklich schlimm.
Zurück zu den Erinnerungsstücken: Es gibt auch solche, die überhaupt nicht mit guten Erinnerungen verknüpft sind und die dennoch aufbewahrt werden. Wozu kann das gut sein? Inzwischen werfe ich immer mehr weg von derartigen Dingen – erstaunlich, wie viele ich davon habe!

Wenn ich an manchen Dingen „hänge“, ist das nicht wirklich schlimm. Schwierig finde ich, wenn ich davon abhängig zu sein glaube und mich regelrecht fürchte, sie zu verlieren. Einen lieben Menschen oder ein anderes Lebewesen, die eigene Gesundheit – all das möchte ich nicht verlieren, das ist klar. Auch eine Pflanze kann eine besondere Qualität haben, wegen der ich sie nicht missen möchte.  Tote Dinge hingegen gehören auf den Prüfstand, so meine ich .

Turbulent kann es im Gefühlsleben werden, wenn wir glauben, dass unsere Darstellung nach außen von diesen Dingen abhängt – hier denke ich nicht nur an diejenigen, die sich über ihren teuren Sportwagen mitteilen möchten. Ich denke auch an die Urlaubsdias. Freude an Dingen finde ich okay, Abhängigkeit nicht.

So, nun habe ich ein bisschen ins Unreine gedacht und bin noch nicht zu einem Ende gekommen mit den Überlegungen. Zum Schluss dieses Textes fällt mir ein, dass ich mich einmal sehr wohl gefühlt habe, als ich in einem Urlaub nur so wenig dabei hatte, wie in ein Boot passt: Die Tonne für die Lebensmittel und für den Schlafsack, das Paket mit dem Zelt und einige praktische Kleidungsstücke und Verbandszeug. Ich weiß noch, wie frei ich mich gefühlt habe! Morgens musste ich ganz wenig zusammenpacken und konnte weiter paddeln…

Das war’s für heute, bis nächste Woche!