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Über ulroder_am

Sonderpädagogin und Heilpraktikerin, beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie, Hamburg und Ammersbek

Über Gewicht: Ein Zutatenkorb für Ihre Selbsthypnose

Nach dem Workshop von Anne M. Lang, MEG online im März 2021, es sind ihre Ideen, die ich hier aufzeichne, mit meiner Auswahl und mit kleinen Ergänzungen.

Haben Sie schon mal eine Diät gemacht? Haben Sie die Idee entwickelt, Sie wüssten nicht, wie Sie sich nachhaltig helfen können?

Abnehmen, und Gewicht halten mit Hilfe von Hypnose, ist Ihnen das dann als Lösungsweg in den Sinn gekommen?

Schon diese Idee kann der erste Schritt sein, auf Ihren eigenen Entwicklungsweg zu kommen. Der Weg hat im günstigen Fall Gesundheit zum Ziel. Wir wissen um die gesundheitsschädigende Wirkung von zu viel Bauchfett um die inneren Organe. Wir können hier gemeinsam eine Selbsthypnose vorbereiten und einleiten.

Gewicht ist ein Lebensthema, in der Pubertät, bei Paarbildung, im Alter tritt es häufig sehr deutlich zu Tage, dass es so ist.

Auch die berufliche Situation und das Stresslevel spielen eine Rolle.

Kognitive Zuschreibungen können zu hohem Gewicht führen: gewichtig sein wollen.

Die Angst, als träge oder undiszipliniert, als dumm und unattraktiv zu gelten, hilft interessanterweise eher nicht dabei, das Gewicht zu regulieren.

Wir befinden uns in einem Dickicht von widerstreitenden Bedürfnissen, der Norm entsprechen zu wollen, die Chips aber doch essen zu wollen am späten Abend… Bestimmte Kleidungsstücke tragen zu wollen, sich aber auch mit Nahrung belohnen zu wollen…

Manche schaffen es nicht, etwas übrig zu lassen, manche spüren keine Sättigung. Sie essen sehr schnell. Wie fühlen Sie Sättigung?

Viele sagen: Ich esse nicht viel und nehme zu. Wie ist Ihr Bewusstsein für Ihr Essverhalten?

Manche spüren ihr Übergewicht nicht, sie sagen, ich bin doch beweglich, ich fühle mich wohl. Und beim Treppensteigen, beim Yogakurs, beim Kleidungskauf: Wie ist es da? Fragen Sie sich: Wie spüren Sie Ihr Gewicht?

Manche essen zu viel als Folge ihres Lebensstils, essen am Computer, nebenbei.

Manche können dem Überangebot schwer widerstehen, überall wird Nahrung angeboten, schnell ist das Teilchen gekauft… Wie ist es bei Ihnen?

Schreiben Sie sich bitte etwas zu den folgenden Fragen auf:

Welche Fähigkeiten habe ich, meinem Ziel näher zu kommen? Wie genau lautet mein Ziel? Woran würde ich es merken, wenn ich auf einem guten Weg bin?

Welche Erfahrungen habe ich mit einem guten Körpergefühl? Mich gut zu spüren, wo erlebe ich das?

Wo kenne ich mich als eine Person, die eine gute Kontrolle einsetzen kann? Vielleicht bei einem Hobby?

Wo kenne ich mich als eine Person, die sich gut umstellen kann, Änderungen herbeiführen kann?

Wo erlebe ich mich insgesamt als selbstwirksam? Wo stehe ich für mich ein?

Wie erlebe ich das in meinem System von Bezugspersonen und Situationen?

Wie ist mein Tagesverlauf in Bezug auf das Essen? Wie die Woche? Im Urlaub?

Was weiß ich schon alles über die Körpervorgänge, Stoffwechsel, Schlaf und Hunger, Bewegung, den Einfluss von Medikamenten?

Wie kann ich mich gut fokussieren und auf eine bedeutsame Thematik einstellen? Und wie ist es beim Thema Gewichtsveränderung?

Wie hoch ist meine Motivation für Veränderung? Wie stelle ich mir meine Veränderung mit allen Sinnen vor? Was will ich weiterhin genießen? Wie wünsche ich mir mein Körperempfinden?

Und nun wählen Sie einen Zugang, der für Sie passt, beantworten Sie sich diese Fragen als Einstimmung auf eine Selbsthypnose:
Wie möchtest Du auf Deine Situation so schauen, dass Du den gebührenden Abstand einnehmen kannst? Willst Du auf das Geschehen schauen, vielleicht als wäre es auf einer Bühne? Wie weit weg? Gefällt Dir die Idee einer Sportarena? Wie groß? Magst Du aus einem schwebenden Ballonkorb schauen? Bist Du wie ein Adler, der Einzelheiten wahrnimmt und sich Überblick gut verschaffen kann? Siehst Du Dir das ganze wie durch ein Fernglas an? Welche Ideen hast Du dazu?

Wie kannst Du Dir Dein Körpergefühl vorstellen, mit mehr Leichtigkeit, mehr Fitness?

Wie stellst Du Dir vor, Dich auf diesem Weg zu halten, wie möchtest Du Dich ermuntern und Dir gut zusprechen?

Dein Motto für die gewünschte Veränderung? Geh spielerisch damit um! Hast Du Symbole, die Dich stützen können? Wie wären die neuen Lebensgewohnheiten? Hast Du innere Bilder? Magst Du sie zeichnen? Wie ist es jetzt? Wie sieht das Neue aus, das Du anstrebst? Deine Sehnsuchtssituation?

Jetzt ist der Korb doch schon gut gefüllt! Möchtest Du noch eine Überschrift für die Wunsch-Situation formulieren? Bitte positiv formulieren! Ich werde sein wie … Mein Leben wird sein wie … Mein Gefühl für mich und mein Leben wird sei wie…

Und einige Selbstsuggestionen können helfen:

Mir ist wichtig…, und deshalb werde ich diesen Weg weiter verfolgen … und deshalb kann ich gut auf diesem Weg bleiben … und auch wenn ich zwischendurch abschweife, ich finde meinen Weg erneut … Du findest Deine passenden Formulierungen! All dies ist schon Teil der folgenden Trancearbeit!

Nun nimm von dem Folgenden, was für Dich passt, vielleicht passt alles, und nimm es Dir auf, damit Du es immer wieder verwenden kannst, wenn Du es brauchst! Sprich Dir Deine Selbsthypnose mit ruhiger Stimme und in gemäßigtem Tempo vor, auf dem Handy oder Ähnlichem. Achte auf eine ruhige Umgebung bei der Aufnahme! Höre die Trance stets in einem gesicherten Umfeld, niemals im Auto! Sprich zu Dir in der Du-Form oder ändere den Text in die Ich-Form um! Ich empfehle ersteres, aber Du entscheidest!

„Setz Dich bequem hin oder lege Dich hin, richte Dich komfortabel ein!

Richte Deine Augen nach oben zu den Augenbrauen! Führe dann Deine Aufmerksamkeit nach innen, zentriere Dich zum sogenannten dritten Auge und lege Deine oberen Augenlider über Deine Augen hin zu den unteren Lidern, sobald es Dir angenehm ist!

Oder: Fixiere einen Punkt in Deiner Umgebung und lege Deine Augenlider über Deine Augen, wie Jalousien, sobald es Dir als erleichternd erscheint!

Oder: Spüren Deinen Atem, den vertrauten Atemfluss, den Du kennst seit Deiner Geburt, folge ihm und sinke mit jedem Atemzug tiefer in Dein Inneres ein.

In tiefem Vertrauen in unsere Unwillkürlichkeit, die uns am Leben hält, denke an Deine Hände. Lege Deine Hände nach oben ausgerichtet oder zueinander gerichtet ab, und wisse, dass Du mehr weißt, als Du weißt. Gerade, wenn wir etwas vorhaben, was für uns wichtig ist, finden wir diesen Zustand, in dem unser Organismus für sich sorgt.

Unser Kopf denkt manchmal, alles wäre klar. Wir fragen das Unbewusste nach seiner Meinung. Wie machen wir das? Wir gehen in Kontakt mit unserer Unwillkürlichkeit.
Deine Hände sind in Trance. Spüre die Unwillkürlichkeit in Deinen Fingern. Ist Dein inneres Wissen damit einverstanden, Dich aktuell zu unterstützen bei Deinem Vorhaben? (Dein Gewicht zu Deinem Besten zu verändern?) Wie reagieren Deine Finger auf diese Frage? Gibt es ein Zeichen für bejahende Zusammenarbeit? Zeigt Dein Zeigefinger auf, ja, ich weiß etwas? Wird er zum Ja-Finger? Das ist die Antwort Deines Unbewussten. Du konzentrierst dich auf den Zeigefinger und auf die Frage und Du spürst die Antwort. Kleine Bedenken gibt es in den allermeisten Fällen, und es gibt auch klare Antworten.

Wenn Du Hindernisse erkennst, spüre die Ambivalenzen, um die Du Dich kümmern wirst! Du wirst es erkunden, es ist interessant. Jeder Aspekt ist wichtig.

Wenn etwas nicht so gelingt, wie Du es gerne hättest, dann stell dir einfach vor, dass es gelingt!

Wie wird sich etwas Neues einrichten? Wie wird sich Deine Aufmerksamkeit ausrichten?

Vertiefe Deine hilfreiche Trance und geh weiter nach innen. Nimm das Ist-Bild, das Du innerlich oder tatsächlich gezeichnet hast vor Dein inneres Auge. Gleiche die Ist-Darstellung mit der Wunsch-Darstellung ab, damit Du den Weg sehen kannst.
Gleiche die Ist-Darstellung mit der Wunsch-Darstellung ab, damit Du den Weg sehen kannst.

Und auf diesem Weg dahin, nimm die Fähigkeiten und guten Erinnerungen, Deine individuellen Möglichkeiten, die Bedeutsamkeit, die Zuversicht und Motivation in Dich auf.

[Hebe die Stimme, werde bestimmt]: Nun schau innerlich in den Spiegel! Den Spiegel der Ist-Situation. Sieh Dich in einem Ganzkörper-Spiegelbild, betrachte das, realistisch!

Und da Du in Trance alles machen kannst: Geh hindurch! Geh einfach hindurch! Sieh dahinter Dein Zukunftsspiegelbild! Werde dieses Zukunftsspiegelbild! Das ist bestimmt eine Umstellung, das zu spüren, wie es wäre! Woran spürt du es, wie spürst Du es? Wo in Deinem Körper? Werde dieses Zukunftsspiegelbild, so wie es im Moment schon geht! Du kannst in Dein Zukunftsbild hineingehen, da einfach schon mal hindurch gehen und dort hineingehen!

[Wieder gelassener, doch munter]: Und Du kannst sogar schon sehen, wie das alles in Deinem Leben immer selbstverständlicher neu eingerichtet wird. Wie in einem Umzug in eine neue Wohnung. So ein Umzug ist mühselig. Und da ist doch diese Sehnsucht nach dem helleren Zimmer, dem Mehr an Raum. Die alte Wohnung ist vertraut, alles ist am gewohnten Platz, man kennt sich aus. Und doch schaut man sich nach etwas Neuem um, prüft und malt es sich aus, wie es sein kann. Und dann entscheidet man sich, einmal hinzugehen und sich das anzuschauen. Die Entscheidung ist der erste Schritt. Es folgen viele weitere Schritte, manche sind mühselig, man fremdelt vielleicht ein bisschen. Und es gibt so vieles Neue zu entdecken! Die Einrichtung im Äußeren ist wichtig, das neue Ordnen ist wichtig. Auch für das Innere. Nach vier Jahreszeiten, so sagt man, ist man angekommen.

Sage zu Dir: Ich kann mein Verhalten steuern, ich habe es in der Hand. Und mit meiner Hand kommen nur die Dinge in meinen Mund, die mich auf meinem Weg halten. Ich werde das entscheiden. Sage zu Dir: Ich kann mein Essverhalten steuern.

Und hinter dem Zukunftsspiegel wirst du interviewt! Stell Dir das mal vor, Du wirst interviewt! Und Du wirst gefragt, wie war das eigentlich mit dem Verändern auf Deinem Weg? Wie hast Du das geschafft? Welche Hindernisse hast Du überwunden? Was hat sich alles geändert? Welche Überraschungen hast Du erlebt? Wie wohl fühlst Du Dich jetzt? Hör Dich antworten! Hör Dich antworten auf die vielen Fragen! Du antwortest. Was ist der größte Gewinn?

Und dann gibt es noch ein Geheimnis, das Du für Dich behalten kannst.

Spür Deinen Körper, wie Du in Entwicklung bist. Bleibe eine Weile dabei.

Jetzt werden die Hände wieder bewusster, die Atmung wird bewusster, Die Augen werden bewusster, Du hast das Bedürfnis, Dich zu bewegen. Du atmest tief ein und aus, Dein Unbewusstes schließt sich auf das für Dich angemessene Maß. Dein Kreislauf kommt wieder in Schwung.

Die Trance ist vorbei, die Wirkung bleibt. Was für Dich wichtig war, damit beginnst Du Dein Projekt.

Es hat schon begonnen. Es entwickelt sich. In den nächsten Tagen, Wochen, Monaten… eine gute Zeit!“

Gehirn verstehen 2: Sucht nach Hunger

Manche junge Frau hungert und stirbt daran. Was sagt Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer dazu? Wie hängen Geist und Gehirn bei dieser Thematik seiner Ansicht nach zusammen? In unserer Kultur sei unser Verhältnis zum Essen ein künstliches, sagt er. Wir lernen aus verschieden Gründen nicht mehr, dem natürlichen Bedürfnis nach Nahrung nachzukommen.
(Ich gebe hier weiter, was er in der Sendereihe „Geist & Gehirn“ von BR-alpha, dem Bildungskanal des Bayerischen Rundfunks, dazu gesagt hat und gebe gelegentlich meinen Senf dazu.)

Wir essen vieles, das künstlich ist und oft ungesund. Das Essverhalten von Jugendlichen wird deswegen oft kritisiert, und das kann beim Zustandekommen einer sogenannten Essstörung eine Rolle spielen. Wer sich in die Defensive gedrängt sieht für das, was er nun einmal gerne tut, wird reagieren. Eine Möglichkeit, dem Konflikt auszuweichen wäre, ins gegenteilige Extrem zu verfallen und nach und nach nur noch etwas Salat zu verzehren. Anfangs freuen sich darüber noch alle, bis dann das Blattgemüse in immer geringeren Dosen zu sich genommen wird und höherkalorische Nahrung gar nicht mehr.

Ähnlich könnte es einem Heranwachsenden ergehen, der Dauerkritik erntet, weil er Stunden an seinem Handy oder dem Laptop verbringt. Trotzig beginnt er zu laufen, euch zeig ich’s! Guckt mal, was ich kann! Was wollt ihr von mir? Der Stress, den die Dauerkritik auslöst, wird in Bewegung umgesetzt, und bei wem es sich gut anfühlt, so zu handeln, der könnte das immer ausgeprägter praktizieren.
Zunächst wirkt dies selbstwerterhöhend, denn es wird möglicherweise viel Lob und Bewunderung gespendet, auch entsteht der Eindruck, die Lage im Griff zu haben. Es ändert sich der Prozess, wenn Hungern und Joggen zu sichtbaren Zeichen der Gesundheitsgefährdung führen, Muskelmasse verloren geht trotz Training und die sogenannte Magersucht eingetreten ist.

Stress jeglicher Art kann zu verminderter Aufnahme von Nahrung und damit von Energie führen. Am Anfang kann es so sein, dass die Jugendlichen sich abgrenzen wollen, sich in dem Zeigen von Leistung nicht fremdbestimmen lassen wollen, damit also ganz gesunden Wünschen dieses Alters folgen. Bis sich der Mechanismus anscheinend verselbständigt. Und paradoxerweise will der Organismus sich gleichzeitig damit mehr bewegen, fast wie auf einer Flucht, und wird damit mehr Energie verbrauchen. Ein Teufelskreis.

Die Gehirnforschung hat uns schon für zahlreiche Themen gezeigt, dass bestimmte Bedingungen eben auch bestimmte Regionen im Gehirn aktivieren.
Dazu eine Studie zum Thema Gewicht:
Frauen, die Bilder untergewichtiger, sogenannt normalgewichtiger und übergewichtiger Frauen sahen, sollten deren Gewicht schätzen. Frauen, die an Anorexie, genannt Magersucht, litten, zeigten keine Besonderheiten in der Einschätzung des Gewichtes, verglichen mit Frauen, die nicht an Anorexie litten.
Wurden die Frauen allerdings nach dem Empfinden gefragt, das sie verspüren, wenn sie sich vorstellen, dieser gezeigte Körper wäre der ihre, zeigten sich deutliche Unterschiede. Frauen, die selbst als normalgewichtig eingestuft waren, fühlten sich auch beim Anblick der gezeigten Norm am besten. Anorektische Frauen fühlten sich dort jedoch bereits schlecht, am besten fühlten sie sich beim Anblick der untergewichtigen Frauen. Soweit deren Selbstauskunft. Das war so auch zu erwarten.
Deren Gehirnaktivität allerdings zeigte etwas mehr: Dieses Wohlgefühl bildete sich auch im Nucleus accumbens ab, der mit den mit ihm verbundenen Hirnregionen für Glücksempfinden, Vergnügen, Belohnung, Motivation und Lernen steht. Leider ist er auch mit dem Erlernen von Sucht verknüpft.  Hier bildet sich die Energie dafür, etwas Angenehmes immer wieder zu tun. Wenn der Gedanke an Hunger zunehmend verknüpft wird mit dem Gedanken an Wohlbefinden und Belohnung, dann sind wir im Zustand des Hungerns nach Hunger.
Es scheint so zu sein, dass der Nucleus accumbens auch in unangenehmen Situationen aktiv wird. Wenn jemand auf etwas stößt, das er / sie nicht mag, dann wird im Nucleus accumbens die Motivation aktiviert, aus dieser Situation zu entkommen. Möglichst mit etwas, das Spaß macht.
Neurotransmitter spielen wie immer eine Rolle, besonders Dopamin, und endogene Opioide.
Eine Aktivierung dieser Gehirnregion führt zu Lernprozessen. Der Lernturbo für positive Dinge geht an und leider auch für Suchtverhalten.
Untergewicht und das damit grundsätzlich assoziierte Hungergefühl wird ungünstigenfalls mit Wohlgefühl verbunden. Irgendwann wird der Hunger nicht mehr gespürt. Nur noch das Wohlgefühl bei dem Vermeiden der Nahrungsaufnahme. Einmal gelernt, schleift sich die Verbindung immer weiter ein. Schlankheit denken, Hunger denken bringen also ein gutes Gefühl. Das möchte man wieder haben, der Vorgang verstärkt sich immer weiter.
Vielleicht können wir nun schon besser verstehen, was es den betroffenen Menschen so schwer macht, ihr Verhalten so zu ändern, dass sie ihren Organismus nicht länger schädigen!

Verstehen allerdings, das kriegen wir alle zusammen mit unserer Großhirnrinde hin, und es gibt die Verbindung: Hin und zurück, vom Denkapparat zu all den inneren Beteiligten bei selbst herbeigeführter Belohnung. Reden wir miteinander, Wissen hilft!

Eine gute Woche!

Sucht lass nach: Der Sehnsucht würdigend begegnen!

Nach Reinhold Bartl in einem Workshop für die Milton Erickson Gesellschaft im März 2021

Therapie und Beratung bedeutet, Menschen dabei zu unterstützen, die Informationen aus ihrem eigenen Leben zieldienlich aufzubereiten und zu bewerten. Für die hypnosystemische Sicht ist der Blickwinkel entscheidend, nämlich die Beziehungsgestaltungen zu untersuchen, in denen diese Menschen leben und sich organisieren. Dabei kann die Metapher helfen, sich eine Fußballarena vorzustellen, von der aus mit Abstand das Geschehen auf dem Feld betrachtet werden kann. Wir sitzen mit unseren Klienten auf der Tribüne und beobachten die Dynamik zwischen den beteiligten Menschen. Alle relevanten Angehörigen spielen z.B. mit, auch die physisch nicht (mehr) anwesenden.

Wir nehmen mit dieser Perspektive eine Haltung ein, mit der wir uns vom sogenannten Problem abtrennen und die Szenerie beobachten. Man könnte es nennen: Aus der Innenperspektive in die Außenperspektive gehen, denn dort erleben wir uns in der Regel kompetenter.
Wir können gut erkennen, dass wir mit unserem Symptom in einem bestimmten Kontext stehen, wir sind nicht das Symptom und wir haben auch keine Krankheit, sondern dieses Symptom erleben wir in bestimmten Situationen. Zum Beispiel können wir tags gut und erfolgreich arbeiten, abends dann zum Glas oder zur Tüte greifen, in einer Weise, mit der wir uns schädigen. Vielleicht wollen wir das bewusst nicht länger tun, aber es geschieht scheinbar unwillkürlich, dass wir es doch tun.
„Ich will ja auf hören, aber  e s  geht nicht!“ Hier haben wir also einen Konflikt zwischen intuitiver Gefühlswelt und bewusster Wollenwelt. Dies führt zu Leid und meist auch abwertender Haltung von außen. Im möglicherweise nachfolgenden Kater auch von innen.
Wir stellen fest: Wir sitzen zu dritt auf der Tribüne! Die Person, die will und die Person, die fühlt und die sich oft durchsetzt, sitzen neben der Therapeutin. Eine will aufhören, aus Vernunft, die andere fühlt sich wohl mit dem Glas in der Hand. Wir erleben einen Zielkonflikt.

Menschen sind sinnlich orientiert, sie suchen nach freudvollen und lustvollen Erlebnissen. Daran ist nichts falsch oder gestört. Und warum verzichten? Nun, spätestens dann, wenn wir merken, dass wir mit unserem Verhalten unsere Lebensgestaltung schädigen, zum Beispiel Geld verspielen, das wir benötigen, Gewicht zulegen, das uns krank macht, wird der Konflikt deutlich. Das alles macht uns noch lange nicht zu einem verantwortungslosen Menschen.
Das Leid in diesem Konflikt entsteht dann, wenn ein Verlust von Wahlfreiheit erlebt wird. Unter Umständen wird dies zunächst nur von außen an die Person herangetragen. Du sollst das nicht machen, Du sollst nicht wählen dürfen! Innen kann es sich anders anfühlen. Es kann sich nämlich genau wie Wahlfreiheit anfühlen, in dem Moment, in dem wir zur Zigarette greifen. Wir sollten als Therapeut_inn_en unbedingt danach fragen! Ist das so? Fragen, nicht zuschreiben!

Was wird gewählt? Und wozu?

Der Konsum von Giften, das Kaufverhalten oder das Glücksspielverhalten wird häufig selbstwertstärkend erlebt! Wir könnten denken: Das Suchtmittel verspricht es! Es ist ein guter Verkäufer! Es verkauft ein Lebensgefühl! Es geht nicht ums Mittel, es geht um das Versprechen.

Wieso erliegen wir diesem Versprechen? Manchmal handelt es sich um einen Lösungsversuch, sich herauszunehmen aus etwas, das nervt, anekelt, stört. Und dieser Lösungsversuch wird dann keinem Realitycheck unterworfen.

Die Schule mit ihrem Leistungsanspruch nervt, im Computerspiel kann ich mich als super leistungsstark und erfolgreich erleben. Wehe, es misslingt! Ich mach weiter, bis es gelingt. Realitycheck? Morgen früh bin ich wieder der Depp. Manche gehen nicht mehr hin, in diese Realität.

Zucker? Schoki? Für wenige Minuten fühlen wir uns richtig gut. Schnell und intensiv! Die Folgekosten bleiben verborgen. Erstmal. In dem Moment ganz gewiss!

Pornos? Zugehörigkeit zu einer Gruppe von Männern, die ihr Dominanzstreben miteinander teilen. Mann ist unter sich – wir sind doch in Ordnung! Das Gemecker bleibt außen vor.

Überlege mal:

Was tust Du richtig, richtig gerne? Oder was hast Du schon mal richtig, richtig gern gemacht? Ist das schon seit langem so? Was ist so toll daran? Da ist die Sehnsucht, da will es hin gehen…

Gibt es massive Kritik von außen daran? Wenn Du dem nachgeben würdest, wie wäre das für Dich? Was verlörest Du, wie fühlte sich das an? 
Wenn Du lieber Deiner Leidenschaft weiter folgen möchtest, gleichzeitig aber weiter der womöglich massiven Kritik ausgesetzt wärest, was würdest Du mit Deiner Leidenschaft tun? Würdest Du sie sein lassen? Eher nicht, sehr wahrscheinlich suchst Du Dir Gleichgesinnte, eine Peer-Group, wo Du nicht andauernd angemotzt wirst oder hochgezogene Augenbrauen oder ein wissendes Grinsen erntest!

Den Kritiker_inne_n wirst Du ausweichen, schönfärben, vermeiden. Anstrengend, leider!

Dieses Sehnsuchtssystem von Verhalten und Verbergen kann auch von abwesenden Kritikern bevölkert sein, sogar von nur vorgestellten, oder den inneren Stimmen …

Wir Menschen haben eine strukturierte, disziplinierte und außenorientierte Seite, die uns befähigt, klarzukommen, nicht vor ein Auto zu laufen, obwohl wir doch über die Straße wollen. Wir haben auch die andere, die Seite nämlich, die Mühen scheut und Hindernisse doof findet. Diese Seite wird gern kritisiert. Soll so nicht sein. Und da lockt uns das Suchtmittel, schwenkt die Fahne, auf der steht: Von mir kriegst Du’s, das Vergnügen, schnell, verlässlich, unbedingt. Bei mir darfst Du Dich der Situation ganz hingeben, ohne an die Beschränkungen zu denken!

Dann denken wir, wenn wir süchtig entgleisen, wir seien süchtig nach dem Mittel. Es geht aber um die Wirkung. Es soll gut tun, es soll helfen. Dies soll nicht bedroht werden!

Manchmal übernimmt jemand anders komplett die strukturierte / strukturierende Seite, regelt alles. Und kritisiert. So wird eine Co-Abhängigkeit kreiert.

Da alles kann auch im inneren System geschehen: eine gegenseitige im Kampf verbundene Abhängigkeit, ein Tauziehen, bei der die situativ lustbringende Seite gewinnt. Und der Eindruck entsteht: E S  ist mir passiert.

Therapeutisches Vorgehen wird die Sehnsucht hinter der Sucht würdigen! Wer ließe sich freiwillig seine Sehnsucht nehmen? Die heißen wir willkommen! Slow Motion auf die erwünschte Wirkung, mit allen Sinnen! Wir holen die Sehnsucht ins Ich-Erleben, ins willentliche Gestalten. Nicht einfach, aber machbar!

Das Verhalten und seine Kosten können wir gemeinsam einem Check unterwerfen. Die Geschichte von Verhalten und Kritik daran können wir in der Arena betrachten. Wir können lernen, wie alles konstruktiv in Bezug zueinander gesetzt werden kann. Wir drei auf der Tribüne.

Eine gute Zeit bis zum nächsten Mal!

Gehirn verstehen 1

 „Der bekannte Hirnforscher Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer erläutert, wie unser Gehirn konstruiert ist, wie Gefühle wirken, Wahrnehmung und Denken funktionieren, wie der Mensch im Schlaf lernt und dass man selbst im Alter noch weise werden kann.“ So lautet es im Begleittext der Online-Veranstaltung „Herz und Gehirn / Körper und Geist“, die das Auditorium Netzwerk seit heute präsentiert. Das Video, von dem ich hier berichte, ist der Sendereihe „Geist & Gehirn“ von BR-alpha, dem Bildungskanal des Bayerischen Rundfunks, entnommen. Ich wies vor einigen Tagen bei facebook auf diese Veranstaltung hin und möchte in loser Folge hier etwas davon teilen. Der folgende Text gibt seinen Vortrag an vielen Stellen wörtlich wieder, aber nicht in allen, und hier und da lasse ich etwas aus. Ich verzichte daher meistenteils auf die Zeichen für wörtliche Rede.
Heute lesen Sie den Teil: „Großmutterneuronen“ – schon der Titel ist typisch Spitzer. Ich zitiere ihn mit seiner Art zu sprechen, bin also weniger „schriftlich“. Versuchen Sie, ihm beim Lesen „zuzuhören“! Viel Spaß!

„Guten Tag, meine Damen und Herren, es geht um Ihr Gehirn!“ So beginnt Spitzer und bemerkt, früher hätte man ja vor allem in der Hirnforschung gelernt, was auf keinen Fall zuträfe. Er sagt:

Wir haben damals gelernt, in der Psychologie, dass es Großmutterneuronen wirklich nicht gibt. Wir haben diese Theorie gelernt, um zu lernen, wie visuelle Wahrnehmung nicht funktioniert. Sie funktioniere nicht so, dass zunächst in einem Bereich die Informationen, sozusagen wie Pixel, von den Augen in die unteren Bereiche des Gehirns, ins visuelle System hinein gingen, und in anderen Bereichen, nämlich denen der Gehirnrinde, bestimmte Aspekte des Gesehenen verarbeitet werden, indem bestimmte Neuronen dafür zuständig seien.
Es wurde gelehrt, es gehe zunächst um die Identifizierung von Ecken und Kanten, um Richtungen, Bewegungen, Farben. Anschließend würden diese Informationen kombiniert, es würden immer komplexere Dinge identifiziert, es würden zum Beispiel Gesichter, zum Beispiel Objekte, zum Beispiel Landschaften identifiziert. Wichtig ist, dass wir damals gelernt haben, dass auf keinen Fall Wahrnehmung so funktioniere, dass hier die Pixel hinein gingen, und dann weiter oben die Bereiche nicht mehr nur für Ecken und Kanten zuständig seien, sondern um mehr, zum Beispiel für die eigene Großmutter. Das Großmutterneuron war also damals eine Karikatur. Die stand dafür, wie es nicht funktioniert. Dass nämlich nicht in der Großhirnrinde ein Neuron funke, wenn meine Großmutter vor mir steht und mich anlacht.

Wir sind heute einige Jahrzehnte weiter. Natürlich funktioniert Wahrnehmung genauso, wie wir vor 30 Jahren gelernt haben, dass sie nicht funktioniere. Woher wissen wir das? Man hat schon vor etlichen Jahren die Möglichkeit gehabt, bei einzelnen Affen einzelne Nervenzellen abzuleiten und genau zu schauen was treibt die um, wann gehen die an? Dafür gabs einen Nobelpreis in den Achtzigern. Am Anfang des Sehsystems gibt es Nervenzellen, die sind tatsächlich für Ecken und Kanten zuständig. Wie es weiter oben sein würde, das hat man lange Zeit nicht genau gewusst, also, wie es denn ist, wenn die Nervenzellen immer spezieller werden. Ja, dann war das irgendwann mal möglich. Dann hat man nämlich die geniale Idee gehabt, wir zeigen Affen mal Gesichter. Es stellte sich heraus, es gibt tatsächlich in höheren Zentren, die sitzen irgendwo da rechts oben, da gibt es tatsächlich Nervenzellen, die werden aktiv, wenn der Affe ein einzelnes Gesicht sieht. Das Spannende ist jetzt, der kann das Gesicht von vorne sehen, oder von der Seite oder von der anderen Seite, und diese eine Nervenzelle geht an, bei einem ganz bestimmten Gesicht. Die Nervenzelle steht also offensichtlich nicht für irgendeine bestimmte Geometrie. Sie steht für Eigenschaften des Objekts, steht für etwas Höherstufiges, Abstraktes. Für diese Person, da, deren Gesicht, von wo auch immer betrachtet, so aussieht.

Das war damals sehr spannend und man hat sich überlegt, wie ist denn das bei Menschen? Bei Patienten, bei denen man sowieso genau schauen wollte, weil man da operieren musste, zum Beispiel weil da ein Tumor war, wollte man schauen in bestimmten Bereichen des Gehirns, wofür welche Nerven denn zuständig sind. Da hat man einen guten Grund gehabt, sich das Gehirn ganz genau anzuschauen und eben auch beim wachen Patienten das Gehirn zu charakterisieren und in bestimmten Bereichen des Gehirns nachzuschauen, wofür einzelne Nervenzellen stehen.
Und jetzt gab die wirklich große Überraschung: Zum Beispiel hat man gefunden, dass aus der Seifenoper „Friends“, mit x Folgen mit immer mit den gleichen Schauspielern, die Schauspielerin Jennifer Aniston, von vorne, von der Seite gezeigt, dass da bei einem Patienten ein Neuron gefunkt hat. Das war für Jennifer Aniston zuständig, also ein Jennifer-Aniston-Neuron. Bei einem anderen Patienten hat man eins gefunden, das war für die Schauspielerin Halle Berry zuständig, auch wieder von verschiedenen Perspektiven angeschaut. Wenn diese Schauspielerin dran war, dann ging das Neuron an.
Es geht nicht nur um Großmütter, nicht nur um Schauspielerinnen, nicht nur um einzelne Gesichter, es gilt auch für Objekte. Welche Objekte nehme ich denn? Die wirklich jeder kennt und mit denen wirklich jeder irgendwie mal zu tun gehabt hat, die sozusagen bei jedem Menschen neuronal repräsentiert sind. Den Eiffelturm kennt jeder, es gibt andere Dinge, zum Beispiel auch das Opernhaus in Sydney.  Das Ding kennt einfach jeder, weil die Architektur so besonders ist, weil es ja auch so viel Geld gekostet hat, weil man es schon wieder renoviert hat und so weiter und so weiter. Jeder, der das sieht, der weiß gleich, was das ist und er kann das auch von woanders sehen, obwohl es dann ganz anders aussieht, man erkennt es. Die Objekteigenschaften sind jedes Mal vollkommen anders, und das ist wichtig, worauf das Neuron anspricht, ist also nicht irgendwelche „Dreieckshaftigkeit“ oder „Großsegelhaftigkeit“ oder „Gebäudehaftigkeit“ – das Neuron spricht an auf Sydney Opera House.

Und folgendes kann man beim Affen nicht machen. Man konnte es aber beim Menschen machen: Sie können auch einfach nur Sydney Opera hinschreiben. Das gleiche Neuron geht wieder an. Wir haben also hier tatsächlich mit Nervenzellen zu tun, die stehen nicht für irgendwelche Wahrnehmungseigenschaften, sondern die stehen für das ganz Allgemeine, was wir aus der Pixelsauce machen, die von den Augen kommt, und in unser Gehirn reingeht. Was wir draus machen – das finden wir tatsächlich in einzelnen Nervenzellen.
Das heißt nun nicht, dass nur dieses einen Neuron aktiv wäre. Wenn wir zum Beispiel an das Sydney Opera House denken:  Die Information, die in vielen Kanälen hineingeht und die dann da oben zusammenläuft, von der wissen wir ja, dass diese Information von da oben auch wieder runter gefüttert wird unser Eingangsbild. Es handelt sich nicht um Einbahnstraßen, sondern um 2-Wege Verbindungen. Das heißt, wenn von unten die Information hoch geht: Achtung, da ist eine Kante, dann kommt von da oben die Informationen zurück: Achtung, da hat ne Kante zu sein! Sofern das, was ich erkannt habe, es möglicherweise auch ist. Das heißt, die oberen Bereiche, die geben die Kanten zurück und die unteren geben die Kanten hoch, und dann gleichen sie sich ab und kriegen so raus aha, hier sieht das so aus und muss so aussehen. Das ist ganz wesentlich, denn nur durch dieses Hin und her der Informationen kommt es tatsächlich zustande, dass wir auch so schnell und so gut wahrnehmen, wie wir wahrnehmen.

Wenn ich nun an sowas denke oder auf den Schriftzug anspringe, oder ich so etwas wahrnehme, dann geht es nicht darum, dass dieses eine Neuron angeht, sondern es geht dann die ganze Kaskade von den Einzelheiten, von der Farbe, von vielleicht der Bewegtheit von bestimmten Umrissen, bis zu dem zuständigen Neuron und auch wieder runter.
Da ist natürlich nicht nur ein Neuron, da sind Hunderttausende von Neuronen drum herum. Wir haben gute Gründe zur Annahme, dass diese Neuronen so angeordnet sind auf der Gehirnoberfläche, dass ähnliche Repräsentationen nebeneinander liegen. Haben Sie ein Neuron, das für Jennifer Aniston zuständig ist in einer ganz bestimmten Hinsicht, dann ist vielleicht daneben eins, das für diese Schauspielerin in anderer Hinsicht zuständig ist. Wir haben eine ganze Reihe, wir haben eine Population von Neuronen, die für diese Schauspielerin oder jene oder für Ihre Großmutter zuständig sind.

Gibt es also Großmutterneuronen? Die Antwort heißt zunächst mal ganz klar JA. Es ist aber nicht so, dass Ihre Wahrnehmung von irgendeiner Sache nur in der Aktivierung eben dieses einen Neurons bestünde, sondern die Wahrnehmung besteht in der Aktivierung der ganzen Kaskade, die aber in dem Neuron zusammenläuft und gewissermaßen von dem Neuron auch zusammengehalten wird.
Und man hat tatsächlich herausfinden können, wie clever diese Großmutterneuronen sind, also diese Neuronen, die für etwas ganz Bestimmtes stehen: Man hat nämlich von der Schauspielerin, die mit ihrer Ehe Probleme gehabt hat und mittlerweile ja geschieden wurde, Bildchen gezeigt. Mit einer anderen Schauspielerin aus der Sendung gezeigt, ging das Neuron an, denn auf dem Bild war ja die Schauspielerin. Dann hat man ein Bildchen gezeigt von der Schauspielerin mit ihrem Ex-Mann Brad Pitt. Das Neuron ging nicht an. Das Neuron war also über die neusten Entwicklungen aus der Regenbogenpresse bestens informiert.
Sie sehen, es geht hier wirklich nicht nur um Wahrnehmung oder um Aspekte von Wahrnehmung. Es geht hier um Aspekte von Bedeutung, und es geht darum, dass wir hier einen fließenden Übergang haben von den Dingen, die von unten herein gehen, ins Wahrnehmungssystem, immer hochstufiger werden bis zu Neuronen, die wirklich für ein einzelnes, Abstraktes, für die bestimmte Person oder das bestimmte Objekt stehen, und das gesamte Hin und Her, die gesamte Hirn-Interaktion, die machen letztlich die volle Wahrnehmung aus.

Glückwunsch, Sie haben durchgehalten! Eine schöne Woche!

Bauchladen für Therapie?

Vor einiger Zeit schrieb ich darüber, dass ich es problematisch finde, mit einer fertigen Diagnose in den therapeutischen Prozess zu gehen.
https://heilpraxis-psychotherapie-roderwald.de/diagnosen/ (Bitte in den Browser einfügen, falls Anklicken nicht funktioniert! )
Ich ziehe es vor, diese Diagnose auf jeden Fall mit Ihnen gemeinsam zu ermitteln. Dass wir uns nicht falsch verstehen: Ich möchte nicht Menschen aus Ihrem privaten Umfeld oder Fachleute herabwürdigen, indem ich etwa sage, das stimme gar nicht, was diese herausgefunden haben. Auch sind Sie möglicherweise mit Hilfe von Literatur zu einer Selbstdiagnose gekommen, die Ihnen sogar Halt gibt. Aber damit ich mit Ihnen arbeiten kann, brauche ich mein eigenes Bild, bei dem Sie mir helfen, es sichtbar zu machen. Wir arbeiten dann auf einer transparenten Grundlage miteinander.

Ebenso empfinde ich es als wenig hilfreich, wenn jemand mich etwa so fragt: „Machen Sie Hypnose, Sie machen doch Hypnose, und Sie machen doch EMDR? Da hat mir jemand gesagt, das hilft. Können Sie das bei mir machen?“  Auch hier verstehen Sie mich nicht falsch: Es kann durchaus sein, dass diese Idee genau die richtige ist. Und genau hierfür möchte ich mir mein eigenes Bild machen. Mit Ihnen gemeinsam.
Es ist ja menschlich sehr verständlich, wenn Sie hoffen, nach einer oder zwei Hypnosesitzungen geht es Ihnen besser. Manch eine_r verspricht das. Eine seriöse Heilpraktikerin, ein seriöser Heilpraktiker wird das nicht tun. Denn zu Anfang steht immer eine Bestandsaufnahme, eine Feldbegehung, vielleicht sogar eine Diagnose.  Haben Sie manchmal schon beim Hausarzt oder der Fachärztin gedacht „Der hat mich gar nicht richtig untersucht, er hat mir gleich eine Tablette verschrieben.“ oder „Die wusste gleich, was ich habe, ich kam gar nicht zu Wort!“ Wäre es nicht ebenso seltsam, wenn ich sagen würde: „Sie haben also Schlafstörungen und Ängste, da machen wir das und das. Da nehmen wir mal die Hypnose.“ oder „Ach, Sie hatten ein Trauma? Na, dann machen wir EMDR, das ist ja der Standard.“
Ich möchte so nicht arbeiten. Wir werden in den ersten Sitzungen herausfinden – manchmal dauert es nur einen, manchmal dauert es mehr Termine – was genau Ihre Ziele sind. Natürlich möchten Sie gerne, dass es Ihnen besser geht. Was genau heißt das, „besser“?
Was belastet Sie? Das möchten Sie wahrscheinlich loswerden. Manchmal ist Loswerden gar nicht die Lösung. Sondern eine andere innere Einstellung. Manchmal ist Loswerden genau das Richtige, wenn es darum geht, sich nicht länger von etwas beherrschen zu lassen.
Haben Sie auch eine Idee davon, was Sie stattdessen mehr erleben möchten? Was Sie wieder stärker in Ihrem Leben empfinden möchten? Was hat Sie bisher gestützt und geschützt? Woran wollen Sie anknüpfen? Auch das gehört dazu. Die Zielbestimmung heißt nicht nur, etwas solle nicht mehr sein oder nicht mehr so viel oder nicht mehr so stark, sondern auch etwas anderes soll wieder mehr Raum bekommen. Vielleicht sogar etwas Neues sich entfalten können. Es ist ein gemeinsamer Prozess.
Sie berichten mir, wenn es Ihnen wichtig ist, was Ihnen bereits von anderen geraten wurde. Und wir werden das kritisch prüfen. Sie berichten mir, worunter Sie leiden. Das soll beides durchaus seinen angemessenen Platz finden. Und Sie sagen mir etwas über Ihre Ziele.
Gemeinsam können wir zu einem Schluss kommen, was Ihnen vermutlich am besten helfen kann. Vielleicht brauchen Sie einfach mehr Gespräche, mehr Raum dafür, sich einmal mitzuteilen, in einem Umfeld fernab von Ihren Verstrickungen? Und vielleicht ergibt sich ein neuer Auftrag an mich, aus diesem Gespräch heraus. Sie wollen sich auf einen längeren Weg machen, nachhaltig wirksam? Herausfinden, wie Sie ticken und wo Sie etwas verändern möchten? An Ihren inneren Einstellungen arbeiten?  Therapie ist keine Zauberei, und um es ganz polemisch zu sagen: Es ist kein Bauchladen. Wo jemand reingreifen könnte und sagen „Das gefällt mir, das machen wir, das nehme ich.“

Ich würde es nicht verantwortungsvoll finden, so zu arbeiten. So aber schon: Wir bestimmen gemeinsam den Weg und den Prozess. Wir gucken immer wieder drauf, wie läufts, wo wollen wir uns gegebenenfalls neu entscheiden? Menschen sind verschieden, keiner gleicht dem anderen. Traumata sind verschieden, keines gleicht dem anderen. Ängste sind verschieden. Sehr verschieden. Auch in der Ursache. Und die gilt es zu ermitteln.
Vielleicht haben Sie auch über den Arzt, die Ärztin gesagt: „Früher haben die erst eine richtige Diagnose gestellt. Heute geht das zack zack, und dann ist schon die Lösung da.“ Manchmal hilft’s zufällig, es sei allen Beteiligten gegönnt, dass es geklappt hat.

Bevor jetzt jemand böse mit mir ist: Natürlich gibt es auch ganz, ganz andere Ärzte und Ärztinnen. Die sich Zeit nehmen. Und die auch von Ihnen erwarten, dass Sie keine schnellen Zack-zack-Lösungen akzeptieren, sondern sich mit Ihnen auf den Weg machen, die richtige Methode zur Verbesserung zu finden und dabei in Kontakt bleiben wollen. Bis Ihre Ziele erreicht sind. So möchte ich mit Ihnen auch arbeiten.

Eine gute Woche.

Der Panther, der Tiger, der Löwe: Metaphern

Im Jardin des Plantes, Paris

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille –
und hört im Herzen auf zu sein.

Rainer Maria Rilke, 6.11.1902, Paris

Als ich das Gedicht das erste Mal hörte, weinte ich. Bis heute ist es für mich die Metapher für ein zerstörtes Leben. Die Kraft ist anscheinend noch da, sie kann aber nicht genutzt werden, ohne dass es einen Willen dazu gäbe. Der betäubte Wille wiederum benötigt für seine Wiedererweckung eine Vorstellung, ein Bild von dem, wie es anders sein könnte. Es kann auftauchen und in den Körper fahren, der dann zur Aktion bereit sein könnte – wenn es diese Stäbe nicht gäbe. Und da es sie gibt, verglimmt das Feuer, erlischt. Die Seele, das Herz wird nicht erreicht.

Auch Menschen leben auf dieser Erde, denen die gewaltigen äußeren Umstände alles nehmen, was ihnen noch die Möglichkeit gäbe, ihre Kräfte zu nutzen. Deren Leben so aussichtslos ist, dass die inneren Bilder das Herz nicht mehr erreichen können. Diejenigen, denen es besser geht, werden es in der Regel ausblenden, müssen es ausblenden, weil es einfach schlimm ist, sich so eine Existenz vorzustellen und nicht zu wissen, was zu tun wäre. Wir sehen die Tagesnachrichten und sie erreichen unser Herz oft nicht.

Meine Motivation, zunächst als Lehrkraft für Menschen mit besonderen Erschwernissen und nun als Heilpraktikerin für Psychotherapie, für wenigstens ein paar an Leib und Seele Leidende da zu sein, hat vermutlich dort eine ihrer Wurzeln: Im Wunsch, dort, wo es nicht ganz und gar aussichtslos ist, dort, wo es Hoffnung auf die Wiedererlangung der Kräfte und der Wirksamkeit der Vorstellungen gibt, das Meine zu tun. Darin, ein wenig dazu beizutragen, das Leiden in der Welt zu mindern.
Das kann ich nur, wenn ich den Glauben daran behalte, dass es diese Möglichkeit gibt, dass es diese Kraft im Menschen gibt, sich zu befreien und aus den Bahnen auszubrechen, die einmal vorgezeichnet waren, aber nicht für das ganze Leben wirksam sein müssen. Die gemeinsame Suche nach den inneren Bildern, nach der Vorstellung von einem besseren Leben des unter seinen Einschränkungen leidenden Menschen ist es, die mir die Motivation immer wieder aufs Neue gibt, diese Arbeit zu tun. Bei der gemeinsamen Suche werden die Möglichkeiten oftmals nach und nach erkennbar.  

Eine andere Geschichte: Ein Tiger lebt seit seiner Geburt in einem Zookäfig. Er schläft, er frisst, ansonsten läuft er hin und her. Kurze Strecken im engen Käfig. Missgelaunt scheint er zu sein, die Vorübergehenden schaut er an. Diese sehen, was sie sehen wollen, oder aber sie sehen, was sie selbst von sich kennen. Manche_r sieht viel Traurigkeit, andere sehen Zorn, wieder andere Resignation.
Vom Fortgang der Geschichte wird erzählt, wie dem Tiger ein größerer Käfig gegeben wurde, deutlich größer, mit mehr Bewegungsfreiheit. Der Tiger aber läuft genau die Bahnen, die er von vorher kennt. Hin und her, mit eben der Stimmung, die er dabei schon lange hatte, damals im kleinen Käfig.

Manchmal genügt es einem Tiger nicht, nur einen größeren Käfig zu bekommen, um den Impuls für größere Bewegung zu spüren. Was wäre, wenn dieser Tiger behutsam ausgewildert würde, vielleicht in einen weiträumigen Wildpark? Wenn er eine Weile bräuchte, er zunächst seine Angst zu überwinden hätte, dann aber seinen Ort vor dem Auswilderungstransportkorb verließe – könnte er zu seiner Kraft und seiner Wildheit zurückfinden?
Ein hilfesuchender Mensch wird im Verlauf einer Therapie vielleicht bemerken, dass die Lösung nicht innerhalb des inzwischen größeren Käfigs liegt, den er sich mit seinem veränderten Denken anders anschaut als bisher, und in dem er sich auch durchaus befreiter bewegen kann – ihm dies aber nicht genügt, weil das Leiden blieb? Manchmal muss es mehr sein. Manchmal muss es auch die Veränderung im Außen geben.

In der inzwischen durch Bernhard Trenkle schon fast berühmt gewordenen Löwengeschichte verlässt ein Löwe sein angestammtes Revier in der Wüste, wo ihm alles sehr gewöhnlich geworden ist: die fehlende Pflanzenwelt und der ständige Wind, der die Wasseroberflächen der brackigen Wasserlöcher kräuselt. Er kennt es, er ist seiner selbst müde. Er geht fort und je weiter er geht, desto mehr verliert er seine alten Orientierungen aus dem Auge. Noch nimmt er nichts um sich herum wirklich wahr. Er sieht und er sieht nicht.
Endlich bekommt er Durst und wird von dem Duft des Wassers in einem Teich angezogen. Hier am Teich ist es windstill und als er den Kopf zum Wasser beugt, sieht er einen großen starken Löwen im Wasser. Er erschrickt und legt sich unter einen Baum, um zu warten, bis der andere Löwe weg ist. Irgendwann wird er sehr durstig und will den anderen Löwen mit Gebrüll verscheuchen, aber dieser reißt sein Maul furchterregend weit auf. Der Löwe, voll Angst, legt sich zurück unter den Baum. Während er vor sich hin träumt, erinnert er sich wieder daran, wie es damals war, als er noch ein kleiner Löwe war. Wie er versucht hat, Schmetterlinge zu fangen – ohne Erfolg zwar, aber es war egal, wie er Steine umgedreht hat ohne zu wissen, was drunter war und es gab keine Angst, wie sich seine Neugier und Entdeckerfreude immer wieder auf Neues richtete.
Schließlich steht er auf, geht zum Teich und senkt sein Maul ins Wasser, und da war kein anderer Löwe mehr und er trinkt und trinkt, bis sein Durst gelöscht ist.

In dieser Geschichte kehrt der Löwe zwar zurück, er ist aber ein anderer geworden, er sieht und sieht wirklich, hört und hört wirklich, läuft und spürt sich im Laufen. Es ist eine Veränderung geschehen  durch seine Erinnerung an frühere Kräfte, die er vergessen hatte, durch das Wissen darum, dass er nicht in der Wüste bleiben muss, dass es Gegenden mit frischem Wasser und freundlichen Lüften gibt und dass er sich nicht länger fürchtet vor seiner eigenen Kraft als großer Löwe.

Bis es so weit ist, kann es dauern bei uns Menschen. Mit einer Geschichte allein wird es nicht getan sein, bis wir uns an unsere Träume erinnern und unserer Kraft vertrauen. Wichtig scheint mir, ist es den Kontakt zu den inneren Bildern nicht zu verlieren, wie es vielleicht tatsächlich einmal anders war oder es auch nur in unserer Vorstellung als ersehnte Alternative existiert: Damit uns die Kraft in die Glieder fährt und nicht im Herzen verlöscht, sondern wir in Bewegung kommen – aus inneren Käfigen heraus ebenso wie aus äußeren.

Eine gute Woche!

Da sagt jemand glatt: Ich bin dann mal weg!

Da verlassen Menschen eine Situation, die sie so nicht mehr erleben wollen, und eine nicht geringe Menge anderer Menschen ist völlig überrascht, wie es denn so weit kommen konnte…

Tja. Wie? Die Zeitungen schreiben über einen Trainer, der darum gebeten hat, vorzeitig aus seinem Vertrag entlassen zu werden. Entlassen aus dem Job, entlassen vielleicht aus einem gefühlten Gefängnis? So nach dem Motto: „Lasst mich hier raus!“
Wie kann es so weit kommen?

Wenn ein Trainer unter stetiger Erfolgserwartung steht, aber an für seinen Erfolg wichtigen Entscheidungen nicht beteiligt wird, wenn einer seine Kompetenz schon gründlich bewiesen hat, aber seine Einwände abgetan werden, dann kann es am Ende so weit kommen. Aber ich weiß das genauso wenig wie alle andern, die nicht dabei waren, ob das in diesem Fall so war.

Ich war allerdings dabei, als eine Lehrerin gesagt hat „Ich bin demnächst dann mal weg“, denn diese war ich selbst. Lieber Risiken eingehen und auf Sicherheiten verzichten, als permanent als sinnlos bis schädigend beurteilte Anweisungen umsetzen zu müssen. Lieber, als für die Folgen vor sich selbst und vor anderen geradestehen zu müssen, jedoch keinen Einfluss auf den Prozess eingeräumt zu bekommen. Man mag eine Weile kämpfen, nicht vorzeitig aufgeben, aber irgendwann ist Schluss.

Auch kenne ich Menschen, die in ihrem Arbeitsleben einen beachtlichen Berg an Erfolgen und immer wieder frischen neuen Kompetenzen angehäuft haben, die ihre Vorschläge argumentativ gut untermauern können, analytisch und methodisch top sind, denen dennoch nicht zugehört wird.

Manchen wird zugehört, aber gleich wieder vergessen, was gesprochen wurde. Umgesetzt wird irgendwas anderes. So ist es manchmal in Teams. Kennen Sie / kennst Du den Werbespot, an dem es am Ende heißt „Wir machen das mit den Fähnchen?“ Das Altbekannte, das Naheliegende, das kurzfristig Erfolgversprechende schlägt dabei jede Analyse und jede Argumentation. Manchmal einfach, weil es bequemer ist, erstmal.

Ganz schlimm wird es, wenn Werte niedergetrampelt werden auf einem gemeinsam begonnenen Weg. Werte sind vielen viel mehr Wert als die Leitlinie „Mach Geld, mach mehr Geld!“ So sagt jedenfalls die Forschung, wenn sie Arbeitsmotivation untersucht.

Manche Entwicklung schmerzt regelrecht, man mag es nicht mehr aushalten, dann ist es so weit: „Ich bin dann mal weg.“

Gar nicht selten ist „Schmerz“ wörtlich zu nehmen. Im Widerspruch zu eigenen Erkenntnissen leben und arbeiten zu müssen, kann körperlich weh tun. Zunächst entsteht Stress, der als andauernder Zustand zu Kopf-, Schulter-, Rückenschmerz führt – und nein, es trifft nicht nur die besonders empfindsamen Menschen, es trifft auch die besonders engagierten und leistungsstarken.
Schmerz sei für das Gehirn nur eine besondere Variante von Stress, schreibt Ulrich T. Egle, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, gleich zu Beginn seines Buches „Psychosomatische Schmerztherapie“ Kohlhammer 2020. Die vernetzten Hirnareale für Stressverarbeitung und Schmerz überlappen sich demnach weitreichend.

Während überschaubare und kontrollierbare Stresssituationen über eine Aktivierung des sympathischen Nervensystems und nach einer Reihe biochemischer Abläufe im Körper eher Lernvorgänge befördern, die zu einem angemessenen Umgang mit der Stresssituation führen können, enden unüberschaubare und unkontrollierbare Stresssituationen im schlimmsten Fall bei bleibenden Schädigungen mehrerer Hirnstrukturen und damit bei Einschränkungen in den Fähigkeiten, einen angemessenen Umgang mit der Situation zu finden. Auch erwachsene Gehirne seien davor nicht gefeit, schreibt Egle. Auch das Schmerzerleben werde beeinflusst, die Schmerzreize würden zunehmend intensiv wahrgenommen.  

Ein Verarbeitungsprozess im Gehirn, der unvernetzt stattfände, bliebe ohne Auswirkungen. Unser Gehirn arbeitet vernetzt, allerdings gibt es besonders bedeutsame Bereiche für die jeweiligen Prozesse. Das wissen wir, weil sich das durch bildgebende Verfahren ermitteln lässt. Egle schreibt über den Bereich, der Insula genannt wird, dass diese eine integrierende Funktion habe, für den inneren Zustand, für die Gesamtverfassung, und er bezog dies auf Stressverarbeitung und Schmerzerleben, auf dem Hintergrund biografischer Daten. Dabei hebt er ein Erleben von Ausgeliefertsein und Ausgrenzung besonders hervor.

So wurde ich auf die Insula neugierig und ich schaute mal wieder auf der großartigen Internetseite dasgehirn.info vorbei – und das ist, was ich fand:

Dass die Erfahrung von gerechtem Verhalten als Belohnung erlebt werde. Dass das Erleben von zugemutetem unfairen Verhalten sich in der Aktivierung der Insula abbilde. Dass insbesondere bei ungleicher Verteilung von Nahrung der vordere Teil der Insula im Gehirn aktiv werde – ein Areal, das nicht nur auf schmerzvolle Stimuli reagiere und bei Ekel und Abneigung aktiv sei, sondern auch auf soziale Ausgrenzung, missglückte Kooperation oder das Erlebnis, geliebte Menschen in ihrem Schmerz zu sehen, reagiere. Und offenbar ebenso dann, wenn man selbst meint, ungerecht gehandelt zu haben. Forscher vermuteten, dass dieses Hirnareal unter anderem dabei helfe, negative soziale Erlebnisse in Zukunft zu vermeiden.

Fairness sei mehr als eine moralische Kategorie. Es sei eine Sichtweise, die tief in uns verankert sei. (Quelle: Neuroökonomie – Kooperation und Fairness werden belohnt (dasgehirn.info))

Die Insula sei ein wichtiger Projektionsort der Empfindungen der inneren Organe – neben Hunger kämen hier weitere Informationen an, darunter solche über Atemnot, Übelkeit und Völlegefühl. (dasgehirn.info/grundlagen/anatomie/der-insellappen)

Es kann uns anwidern,

wenn der wirtschaftliche Erfolg vor der Wertigkeit des Produkts steht,

wenn die Einzigartigkeit eines Individuums glattgebügelt werden soll,

wenn dessen Autonomie missachtet wird,

wenn ausgegrenzt und Kommunikation verweigert wird,

wenn Ungerechtigkeit normal sein soll,

wenn Solidarität keine Rolle spielt

und Selbstachtung negativ bewertet wird…

Und hier schießt sich der Kreis. Da ist manch_e dann lieber einfach mal weg, wenn Zustände solcherart empfunden werden. Und so möchte ich mich auch künftig für einen Abschied entscheiden, wenn ich mich angewidert fühle!

Eine gute Woche!

Depressiv? Aus der Reaktion in die Aktion kommen!

Nein, ich komme jetzt nicht mit Vorschlägen wie „Gehen Sie raus an die frische Luft!“ oder „Treiben Sie Sport!“ oder „Gehen Sie mehr unter Leute!“ um die Ecke (Letzteres ist eh im Moment heikel). Wobei es natürlich vollkommen in Ordnung ist, raus an die Luft zu gehen. Es reicht allerdings meistens nicht aus, wenn die Gedanken schwarz und die Gefühle schwer sind.
Was ich meine ist: Wenn Sie Ihre Depression in Art einer Selbsthypnose selbst herbeiführen würden, könnten Sie dies als Kompetenz erleben. Wenn ich mich hinein hypnotisieren kann, kann ich auch wieder heraus. (Diesen Zugang zum depressiven Erleben verdanke ich Gunther Schmidt.)

Achten Sie auf die Bilder oder Szenen, die Sie verwenden, um Ihr Erleben zu beschreiben:

Ich sehe überhaupt kein Licht am Ende des Tunnels!
Mir fehlt einfach der Mut dazu!
Ich kann diese Gedanken nicht wegschieben!
Ich möchte endlich mal wieder zur Ruhe kommen!
Ich fühle mich wie versteinert!
Mir schnürt sich alles zusammen!
Ich schaffe das nie!

Wenn Sie sich in einem dieser Sätze wiederfinden, oder einen ganz eigenen gefunden haben, malen Sie sich das so richtig aus! Übersteigern Sie ruhig! Keine Angst, Sie machen das, Sie selbst, nicht irgendwas oder irgendwer! Wenn Sie wollen, hören Sie mit der Produktion innerer Bilder auf, wann immer es Ihnen gefällt.

Ich stelle mir mal vor, dieser Tunnel werde mit jedem Schritt, den ich hinausgehen will, länger. Schritt, Schritt, Schritt, Schritt… Ist der denn nie zu Ende? Sehe ich irgendwo was zur Orientierung? Da ist ja nur Dunkelheit, verdammt!

Ich stelle mir mal vor, ich wollte was machen, was ich eigentlich möchte, aber dann immer kneife, bisher jedenfalls, zum Beispiel …. Na, das behalt‘ ich jetzt für mich. Und dann stelle ich mir vor, wie ich wieder und wieder den Antrieb nicht finde, weil meine Befürchtungen überwiegen. Wieder und wieder in der Aktion stocken und aufhören. Und nochmal… nix, und nochmal… nix…

Wollen Sie auch mal damit experimentieren? Seien Sie neugierig, was passiert! Sie als Steinskulptur? Wo stehen Sie denn? Wie ist dieser Ort? Sind da Leute? Was machen die? Sie als Stein können nichts tun! Die Tauben scheißen auf Ihre Schultern …

Sie kommen nicht zur Ruhe? Genießen Sie mal diese Vorstellung mit allen Sinnen: Aufdringliche Geräusche, Gestank, ein saures Aufstoßen, zu helles Licht, oh, diese Hitze – oder Kälte – wer soll denn da zur Ruhe kommen!

Erinnern Sie sich nun an den Anfangsgedanken: Was Sie sich in kräftigen Farben und Formen vorstellen, das machen Sie alles selbst. Es sind Ihre inneren Welten. Darin sind Sie Chef_in!

Und nun können Sie, falls das überhaupt noch nötig ist, sich die auflösenden Szenen ausmalen. Vielleicht haben bestimmte Aspekte Ihres depressiven Erlebens aber auch schon an Farbe verloren, sind irgendwie ausgebleicht, in Grautönen. Es kann auch ein Konturenverlust sein, alles wird leiser oder das Körperempfinden ist ein wenig aufgeweicht worden.

Für mehr davon lassen Sie wieder Ihre Fantasie spielen. Ich stelle mir gerade vor, wie dieser einengende breite Gurt um meinen Leib sich verhält wie alles Textile nach einer Weile: Die Nähte werden morsch und reißen auf. Stückchen für Stückchen.
Naja, falls es Hightec-Stoff ist: Hej, da liegt ja diese Schneiderschere, die hab‘ ich ja ganz übersehen!

Kennen Sie diese Skulpturenkünstler, die auf Plätzen herumstehen? Man fragt sich, wie die das schaffen, regungslos, wie eingefroren, stundenlang stehen sie da, unbeeindruckt von allem um sie herum. Aber nun ja, wenn es einen richtigen Regenguss gibt, alles rennt, rettet, flüchtet, dann sind die auch fix in Bewegung!

Das führt mich zu meinem nächsten Gedanken. (Wenn es bisher gut lief, lesen Sie doch ein andermal weiter, genießen Sie erstmal Ihre Erfolge!!!!)

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Angenommen, Ihnen gelingt das nicht so recht, in Ihnen regt sich Widerwillen gegen diese Art von Übung, kann ja sein, ich weiß es nicht: Dann probieren Sie doch mal aus, dies durch Stellvertreter erledigen zu lassen, durch innere Stellvertreter!

Mal angenommen Ihr depressives Erleben oder das im Moment aufdringlichste Symptom wäre irgendein Wesen: Wie sähe es aus? … Was würde es machen? …  Wie groß wäre es?  Wo im Raum würde es sich aufhalten? …  Was will es? Wozu ist es vielleicht gut? …  Wenn es sprechen könnte, was würde es sagen? …

Können Sie helfen? Was bräuchte es um leichter/ruhiger/offener zu werden? Was wäre gut? Was wäre möglich? Wo könnte es sein, damit es nicht ganz so erdrückend wäre? Könnte es kleiner werden? Was könnte helfen?

Wenn da nichts auftauchen mag, versuchen Sie das Gleiche doch mal mit einer Landschaft! Wie sähe sie aus, die Gegend, in der es depressiv zugeht? Malen Sie es sich richtig gut aus!
Und dann, was braucht es, damit es dort besser wird? ….

Und zum Schluss stellen Sie sich genauso ein Stellvertreterwesen vor, das eine depressive Symptomatik auf keinen Fall erlebt, oder eine Stellvertreterlandschaft, in der alles wohl und gut und angenehm ist und bleibt!
Achten Sie bitte darauf, dass SIE es sind, die / der das gestaltet! Verändern Sie munter drauflos, bis Ihnen Ihre Vorstellung so richtig sympathisch und angenehm erscheint!

Eine gute Woche!

Was bedeutet es, in eine Trance zu gehen?

Ich schreibe erstmal, was es für mich nicht ist: Trancen per App sind für mich nix. Nichtssagend.
Drei Wege sind gangbar für mich: Die Online-Anleitung durch einen Menschen, den ich kenne, mit dem ich idealerweise schon Trance-Erfahrungen geteilt habe, die Anleitung durch einen physisch anwesenden Menschen und die Selbstanleitung.

Trancen im Kontakt mit Menschen, die mich kennen, denen ich vertraue, sind für mich gute Erfahrungen. Trancen in Eigenregie sind Erfahrungen von Selbstwirksamkeit, und diese sind unabdingbar für die psychische Gesundheit, davon bin ich überzeugt.

Wir gehen, wenn wir dies noch können, in einen Zustand von Flow, wenn wir kreativ sind, etwas Berührendes lesen, bei bestimmten sportlichen Aktivitäten, beim Betrachten einer Kerzenflamme, strömendem Wasser und vielem mehr. Dabei können wir innere Reisen erleben, die wir möglicherweise Trance nennen möchten.

Eine Trance, die dem Erleben von Selbstwirksamkeit dient, hat ein Thema, eine Frage und manchmal ein Ziel. Ziemlich bekannt ist inzwischen die Entdeckung des inneren sicheren Ortes. Wir finden einen inneren Ort der Geborgenheit, dort die Nähe zu unseren Ressourcen, zur Ahnung oder sogar zur Gewissheit dessen, was uns im Kern ausmacht. Unsere inneren Orte wandeln sich im Lauf des Lebens, immer sind sie einzigartig, so wie wir selbst. Auch wenn uns innere Bilder vorgeschlagen werden, wir kreieren sie selbst, im guten Kontakt mit unserem Unbewussten.

Wenn ich Klient_innen Angebote zur inneren Reise mache, sage ich dies immer dazu: Es können immer eigene Bilder und Szenen entstehen, egal, welche Worte ich spreche, ebenso, dass die Reise jederzeit unterbrochen werden kann, wenn sich etwas störend bemerkbar macht. Entscheidend für das Erleben ist die Bereitschaft und die Neugier, sich auf diese besondere Reise zu begeben.

Einige Vorschläge, wie Du Deine eigene Reise gestalten kannst, träumend vor Dich hin, will ich Dir heute machen. Wenn Du sie nutzen willst, experimentiere ein wenig, finde heraus, wie Du Dir Deines Themas, Deiner Frage bewusst werden kannst, so, wie sie gerade jetzt auftaucht!
(Lies Dir das Folgende durch und vertraue darauf, dass Du alles hervorholen und verwenden kannst, wie es und wann immer es für Dich stimmig ist!)*

  • Du kannst Dir einen Bus vorstellen, wie er an einigen Touristenorten fährt: Du stehst am Fahrbahnrand, Du winkst, die Fahrerin, der Fahrer hält an und Du steigst ein. Dein Ticket hast Du schon gelöst. Du schaust Dich um, findest Deinen Platz, sitzt bequem und schaust hinaus. Du weißt, Du kannst jederzeit ein Signal geben, dass Du aussteigen und die Gegend erkunden möchtest. Der Bus wird anhalten und Du wirst aussteigen. Noch aber fährst Du.
    Du entscheidest, ob Du die Mitfahrenden siehst, schemenhaft oder deutlich, manche steigen aus, manche steigen ein, Du bist ganz bei Dir.
    Und dann kannst Du aussteigen, ein wenig verweilen, und Du weißt, Du kannst einfach mit dem nächsten Bus weiterfahren. Du gibst Dir die Muße zu entdecken, was für Dich passt. Du gibst Dir die Zeit, für Dich Platz zu schaffen in dieser Umgebung.
    In dieser Umgebung, die Du nun vorfindest. Für Dich ist Zeit und für Dich ist Raum, für Deine Neugier, für Deine Versenkung.
  • Nach einem tiefen, vielleicht schon unwillkürlich angenehm tief geschehenden Atem kannst Du beobachten, was immer Du dort vorfindest…
    Dein Atem atmet für Dich seit Deiner Geburt, ohne dass Du ihn beachten musst, wie so vieles andere Lebenswichtige auch in Deinem Organismus einfach geschieht.
    Wenn Du einen Punkt fixierst und Dich darauf fokussierst, reagiert Deine Augenlinse. Und Deine feinen Augenmuskeln? Beobachte und spüre, wie die Augenlider schwerer werden, sich senken mögen. Die Augenlider schließen sich, haben sich geschlossen, werden sich schließen können…
  • Dein Kontakt mit der Natur entspannt Dich? Manchmal bist Du wie im Traum? Du gehst hinein in Deinen Traum. Schritt für Schritt gehst Du diese eine Allee entlang. Und in der Traum-Allee ist alles heilsam und gut für Deine Gesundheit. Gerade richtig sind die Höhen der Bäume, gerade richtig die Abstände.
    Da sind die starken Bäume rechts und links und Du kannst einfach gehen, es geht Dich von allein. Die Beine bewegen sich von allein. Spüre wie es Dich automatisch geht. Empfinde die Lust zu spüren, wie es Dich automatisch geht. Die hohen Alleebäume bewegen ihre Kronen sanft im warmen Wind und es duftet für Dich von Ferne so angenehm. Du hörst das vertraute, ganz leise Rauschen der Wipfel.
    Und dort hinten erblickst Du, was Du schon lange suchst…
    Erkennst Du es jetzt wieder? Und während Dein bewusstes Denken sich noch bemerkbar macht, kann Dein Unbewusstes sich schon atmosphärisch auf diese sanfte Weise ausbreiten – über Deinen Körper, Deinen Geist und Deine Seele. Und Dein bewusstes Sein wird es merken, wie Dein Unbewusstes spürbar wird. Dann geben sich Bewusst und Unbewusst die Hand.

Eine gute innere Reise und eine gute Woche!

*Ein Teil der Gedanken dieses Textes ist von Anne M. Lang, Milton Erickson Gesellschaft, inspiriert.

Schizophrenie, ein Beitrag zum Verständnis

Ich schau gern Krimis, dabei entspanne ich mich. Manche finde ich platt und blöd, manche finde ich spannend und klug gemacht. Aber auch bei diesen werden bestimmte Stereotypien wieder und wieder an die Zuschauenden gebracht und ich weiß, das nervt nicht nur mich. So zum Beispiel die bevorzugte Darstellung von Frauen als Opfer schwerer Gewalt, hilflos… Nervig!

Heute will ich davon schreiben, wie ich die Darstellung von Menschen mit einer bestimmten psychischen Erkrankung finde: falsch und schlimm! Vorzugsweise wird ein verfälschendes Bild von an Schizophrenie Erkrankten gezeichnet.
Haben diese wirklich so durchgängig eine doppelte Persönlichkeit, bei der die eine Gewalttaten begeht, von der die andere nichts weiß? Sind sie wirklich so gefährlich, wie dargestellt? Nein und nochmal nein!

Psychotische Zustände, die dem sogenannten schizophrenen Formenkreis zugeordnet werden, sind leidvoll für diejenigen, die sie durchleben. Sie sind gekennzeichnet durch Ängste, Bedrohungsgedanken, verzerrten und einseitigen Wahrnehmungen, manchmal dem Eindruck, Aufträge erfüllen zu müssen und all dem schutzlos ausgeliefert zu sein.
Manchmal fühlen sich Menschen ausspioniert und verfolgt und verschanzen sich in ihrer Wohnung. Sie erleben die Welt da draußen als Gefahr, und niemand mag ihr Erleben teilen, sie sind damit allein.

So kann es sein, dass sie viel zu wenig essen, denn einkaufen zu gehen, ist gefährlich. Kontakte werden gekappt, denn diese werden als feindlich erlebt. So schädigen sich Betroffene ungewollt selbst, ihr Zustand verschlechtert sich.

Es ist schwer, jemandem beizustehen, wenn er oder sie in diesem Zustand ist! Sie oder er möchte vielleicht Kontakt, aber die Angst und das Misstrauen überwiegen.

Sehr selten lebt jemand als gespaltene, also doppelte Person. Oft hingegen leben die Betroffenen in zwei Wirklichkeiten: in einer, die von der Mehrheit ebenso erlebt wird und in einer zweiten, die von anderen nicht verstanden wird, weil sie bizarr und verzerrt erscheint, irreal. Mal ist die eine Welt im Vordergrund, mal die andere. In einem akut psychotischen Zustand ist es vergebens, den erkrankten Menschen überzeugen zu wollen, dass die Welt nicht so bedrohlich und gegen sie verschworen ist, wie sie es erleben.

Ein Zugang zum Verständnis könnte doch sein, sich einzugestehen, dass wir beinahe alle manches schon mal verzerrt wahrnehmen, dass wir Böses hinter dem Verhalten anderer vermuten, vor allem, wenn wir uns ohnehin nicht wohl fühlen und uns der Ausweg aus einer misslichen Lage momentan unklar ist.

Es könnte doch sein, wenn wir etwas in unserer Geschichte spazieren gehen, dass wir Zeiten bemerken, in denen wir uns nicht eins mit der Welt gefühlt haben, wie herausgefallen. Schon die Trauer über einen verstorbenen Menschen kann dazu führen, dass wir uns abgeschnitten erleben, anders, einsam.

Liebeskummer? Die ganze Welt ist voller glücklicher Paare, oder etwa nicht?

Überflutet von Traurigkeit suchen wir nach Auswegen, manchmal in unsinniger Weise – sagen die anderen. Sie verstehen uns halt nicht. Wollen uns belehren und wir machen zu. Wir wissen es besser.

Unsicherheit kann dazu kommen, was wichtig und bedeutsam ist und was nicht. Wir erschöpfen uns mit dem Versuch, wieder zurecht zu kommen.

Ideen nehmen übermäßige Gestalt an, Groll mündet in Rachephantasien, Wunsch nach Schutz wird zu Größenphantasien… Jetzt sind die Unterschiede zur Psychose immer noch vorhanden, aber der Zustand scheint uns nicht mehr ganz so fremd?

  • Wach und sehr aufmerksam zu sein – oder nicht zur Ruhe kommen zu können
  • Kreativ und energiegeladen zu sein – oder den Alltag zu vernachlässigen
  • Die Gedanken sprudeln – oder sie überschlagen sich und gehen durcheinander
  • Ein Gefühl der Durchlässigkeit für Eindrücke zu haben – oder Reize nicht filtern zu können
  • Vorsicht oder Misstrauen
  • Wachsamkeit oder wahnhafte Gedanken
  • Sich schützen zu wollen aber die Furcht erleben, es nicht zu können
  • Ausgeprägte innere Bilder – oder wahnhaftes Erleben der Szenen im Außen
  • Rückzug zum Selbstschutz – oder Rückzug in innere Welten bei Ausschluss der äußeren
  • die Grenzen fließen.

Einem Menschen in der akuten Psychose können wir mit Verstehen begegnen, dafür, wie schlimm es ihm gerade ergeht. Wir unterlassen es, ihm seine inneren Bilder zurecht rücken zu wollen. Nach dem Abklingen der akuten Phase lassen wir uns berichten, wie es ihm gegangen ist.

Bei einigen bleibt es bei einer einzigen Phase! Vielen ergeht es in den Zwischenzeiten so, dass sie sich vollständig erholen. Manche sind auch in den Zwischenzeiten eingeschränkt, sie können sich schlecht konzentrieren, haben nur geringen inneren Antrieb oder haben wenig Ausdauer.

Die Betroffenen kennen ihre sogenannten Frühwarnzeichen oft – hier sind sie noch gut ansprechbar dafür, sich professionelle Hilfe zu suchen. Diese können sich als Unruhe, Überempfindlichkeit, Leistungsknick äußern oder im Wunsch nach sozialem Rückzug.

Nicht alles, was schwierig erscheint, ist unbedingt ein Frühwarnzeichen. Wer immer schlecht schläft, bei dem ist es keines. Wer immer dazu neigt, alles als Kritik zu deuten, lebt damit und muss nicht in Angst auf die nächste Krise schauen. Es ist wichtig, auch hier immer im Blick zu behalten, dass jeder Mensch einzigartig ist, und wir verzichten darauf, Checklisten aus Büchern auf die Psyche von Menschen anzuwenden.

Ist die Krise eingetreten, gilt das Gleiche. Häufige Anzeichen sind ein veränderter Umgang mit Sprache, sowohl im Verständnis, als auch im Gebrauch. Neue Wörter werden erfunden, die von anderen nicht verstanden werden.
Die Erkrankten können dazu neigen, Zusammenhänge herzustellen, wo niemand sonst sie zu erkennen vermag. Da erscheint der Außenwelt etwas als Stimmungsschwankung ohne Grund. Die erkrankte Person hingegen sieht deutliche Bezüge zwischen Dingen und Ereignissen und interpretiert für sie selbst schlüssig. Darauf reagiert sie dann.

Mehr und mehr kann der Körper in Alarmbereitschaft geraten.

Die Welt wird mehr und mehr zu einem unheimlichen Ort.

Halluzinationen in Gestalt von Menschen, die sonst niemand sieht, sind eher selten. Stimmen werden eher öfter gehört – allerdings ist Stimmenhören kein zwingender Hinweis auf einen psychotischen Zustand, dies kommt auch anderwärts vor.

Jemand hört, wie eine Flüsterstimme zu ihr spricht und glaubt, dass eine fremde Person ihr Verhalten steuern will – das ist schon ein deutlicheres Zeichen. Bleibt so ein Mensch dem unbedingt hilflos ausgeliefert? Muss man den wegsperren, weil er demnächst jemanden von hinten angreift und tödlich verletzt? Nein! Auch da gilt es, genau zu erforschen!

Gefährdung anderer, unbeteiligter Personen, unerwartet, aus dem Nichts: Das gibt es, keine Frage. Es ist die Ausnahme. Unter schizophrenen Schüben Leidende gefährden in erster Linie ihr eigenes Leben und verlieren ihre eigene Lebenszufriedenheit.

Die eine Schizophrenie gibt es nicht, und allein eine ärztliche Diagnose kann nicht vorhersagen, wie die Krankheit im Weiteren verlaufen wird. Die darunter leiden, leiden häufig zusätzlich unter den Ängsten und Ausgrenzungen in ihrer Umgebung.

Ich habe gelesen, dass in Japan der Begriff Schizophrenie nicht mehr verwendet wird und durch den Begriff Integrationsstörung ersetzt wurde.

Was hilft, was schützt? Medikamente, die sorgfältig in ihrer Wirkung und in ihren Nebenwirkungen beobachtet werden müssen, gehören sicher meist dazu. Die Erkrankten werden sie allerdings absetzen, wenn die Nebenwirkungen extrem belasten. Wen wollte das wundern?

Wenn Dir in der U-Bahn demnächst jemand mit unkontrollierten Beinbewegungen gegenüber sitzt oder mit seltsamen Gesichtsverrenkungen: Denk mal, es kann alles Mögliche die Ursache sein. Nimm mal an, die Person leidet darunter, dass sie nichts dagegen tun kann und Du sie dabei beobachtest. Starre nicht, aber wechsle auch nicht gleich den Platz! Vielleicht ist es jemand, der seine innere Spannung im Moment nur mit Medikamenten dämpfen kann, mit Medikamenten, die Nebenwirkungen wie Zuckungen auslösen, hier ist jemand, der bereit ist, sich in der Öffentlichkeit zum Gespött zu machen, damit die Erkrankung ihn nicht überrollt. Spotte nicht mit.

Die Prognose ist weniger ungünstig, als allgemein angenommen wird. Gut ist es, wenn an den Fähigkeiten des Erkrankten angeknüpft wird. Auch eine an Schizophrenie erkrankte Person ist mehr als ihre Erkrankung! Sie kann lernen. Sie kann lernen, ihre inneren Prozesse mit einem gewissen Abstand zu betrachten und neue Bewertungen einüben. Psychosoziale Betreuung und Gespräche helfen bei der Realitätsprüfung.

Nicht über ihn reden, sondern mit ihm, ihn seine eigenen Wege im Umgang mit der Erkrankung finden lassen, bereit stehen, aber nicht gängeln, gemeinsam Pläne entwickeln, die Halt und Orientierung geben, all das, in Achtung und Respekt, kann helfen.

Was hat das mit dem Bild in den Filmen zu tun, wo Unberechenbarkeit, Gefährdung der Umwelt, manchmal schlaue Hinterlist im Verbergen der Krankheit im Vordergrund stehen? Nix. Punkt.

Eine gute Woche!

Für Interessierte: Hier finden Sie Materialien für Metakognitives Training (MKT) für Psychose: https:// clinical-neuropsychology.de/metakognitives_training_psychose/ (Leerzeichen entfernen, dann funktioniert der Link!)