Üblicherweise
fällt mir als Beschreibung von Lebensläufen nicht ein, das Leben wäre ein
langer ruhiger Fluss gewesen. Vielleicht gibt es auf der Welt Orte, bei denen
dies die passende Bezeichnung wäre, ich habe Zweifel.
Ich kenne hingegen
zahlreiche Menschen, bei denen das Leben von Windungen und Wendungen durchsetzt
war, die sie sich so nicht gesucht hatten, mit denen sie, wenn überhaupt, nur
eingeschränkt gerechnet hatten und in der Folge den Eindruck entwickelten: Ich
bin nicht vorbereitet.
Zunächst
denke ich an schwere Unfälle. Würden wir ständig mit dem Eintreten eines
solchen rechnen, könnten wir unser Leben nicht bewältigen. Wir würden morgens
nicht in ein Auto steigen, aber auch nicht in die U-Bahn. Wer sein Leben von Ängsten
diktiert lebt, sich zunehmend zurückzieht und aus vielem heraushält, weiß: Es
gibt keine Sicherheit im Leben.
Wem es
gelingt, sich nicht von Ängsten seine Lebensgestaltung diktieren zu lassen, ist
leider nicht automatisch ausreichend gerüstet, wenn eine schlimme unerwartete
Wendung in seinem Leben eintritt, der schwere Unfall passiert.
Die Aufgabe,
wenn wir hiervon betroffen sind, ist es, Strategien zu entwickeln, das schlimme
Ereignis zu bewältigen. Gelingt uns das nicht, können langfristig depressive
und körperliche Symptome daraus entstehen. Das Leben verlöre an Lebendigkeit,
das Erleben verarmte.
In meiner
Beobachtung ist es nicht selten der Fall, dass Menschen die Belastung, die
durch ein unerwartetes Ereignis entsteht, unterschätzen. Das innere Motto
„Augen zu und durch!“ oder gar „Gelobt sei, was hart macht!“ läuft mehr oder
weniger bewusst mit, ist vielleicht von Vorbildern übernommen worden, passt
aber häufig nicht.
Auch kann es
sein, dass ein Ereignis sehr wohl schon erwartet wurde, aber die Stärke der
emotionalen Beeinträchtigung so nicht vorhergesehen wurde. Die emotionale
Reaktion kann als niederschmetternd erlebt werden, sogar als vernichtend, wenn
die schon länger vorhergesehene Arbeitslosigkeit tatsächlich eingetreten ist.
Sogar bei
gewünschten Veränderungen können Belastungen entstehen, die eine aktive Bewältigungsstrategie
erfordern:
Lebensveränderungen
durch Umzug, Wechsel des Arbeitsplatzes, eine Eheschließung, eine Geburt – sie
sind häufig gewünscht und dennoch erfordern sie Ideen zur kreativen Gestaltung
und Umorientierung.
Umso mehr
gilt dies bei Umzug und Wechsel des Arbeitsplatzes aufgrund von äußeren Ereignissen,
die man sich so nicht herbei gewünscht hatte.
Kinder können
unter einem Schulwechsel sehr leiden, und selbst wenn dieser gewünscht war, braucht
es Aufmerksamkeit und Energie für die Veränderung.
Verluste
jeder Art, sei die Gesundheit betroffen, sei es eine Trennung von lieben
Menschen, die Trennung von lieben Gewohnheiten, die Erkenntnis des Verlustes
der Jugend, Verluste im sozialen im Status und finanziellen Bereich – all dies
erfordert Bewältigung.
Gut ist es,
wenn es Unterstützung gibt!
Wenn wir
Menschen allerdings bereits einmal als wenig hilfreich erlebt haben, indem diese
nicht die Aufmerksamkeit und Zeit investieren mochten, uns zuzuhören, wenn wir gar
erleben mussten, dass unsere Sorgen und Beeinträchtigungen klein geredet wurden,
nicht ernst genommen wurden, dann sollten wir künftig diese Menschen nicht erneut
aufsuchen, wenn wir Unterstützung bekommen möchten. Wir sollten und schützen!
Sätze wie „Du
hast es doch nicht anders gewollt!“ zum Beispiel bei einer Trennung, Sätze wie „Daran
bist du doch selbst schuld!“ zum Beispiel nach einem Unfall bei einer riskanten
sportlichen Betätigung, Sätze wie „Übertreibe doch nicht so!“ zum Beispiel, wenn
wir auf den neuen Arbeitsplatz mit Sorgen und Befürchtungen reagieren, oder
Sätze wie „Das wird schon wieder!“ oder „Anderen geht es noch schlechter!“ sollten
wir uns nicht anhören, wenn wir Verständnis suchen! Wir können jederzeit ein
Gespräch beenden, das uns nicht gut tut!
Wir sollten,
wenn wir erkennen, dass der aktuelle Übergang Veränderung bedeutet und wir
spüren, dass wir beunruhigt sind, nach Menschen suchen, die mit uns gemeinsam zunächst
akzeptieren können, dass ist hier um eine Belastung geht.
Auch im
Gespräch mit uns selbst geht es zunächst darum, zu akzeptieren, dass wir
Belastung erleben. Vielleicht haben wir zuvor von uns gedacht, wir seien stärker,
zum Beispiel, wenn wir wussten, dass wir den Arbeitsplatz verlieren würden oder
dass ein geliebter Mensch, der lang schon krank war, uns verlassen wird. Wir
glaubten vielleicht zu wissen, dass wir uns gut vorbereitet haben, und dann ist
womöglich die Trauer, ist die Angst, die Schlaflosigkeit größer als erwartet. Dies
könnte bedeuten, dass wir zusätzlich Angst und Depression empfinden, weil wir
glauben, von uns selbst enttäuscht sein zu müssen. Wir erleben dann womöglich
ein Gefühl von Hilflosigkeit. Es ist dann hilfreich zu wissen, dass es gesund
und durchaus normal ist, solche starken Emotionen zu erleben, wenn ein harter
Übergang zu bewältigen ist!
Der Versuch,
solche Emotionen zu unterdrücken, kann hingegen dazu führen, dass der nächste
Bewältigungsschritt später oder schwächer, unvollständig, schädigend oder sogar
gar nicht stattfindet, zum Beispiel durch das Entwickeln einer
psychosomatischen Erkrankung. Ich halte es für notwendig, die erste Phase eines
schwierigen Übergangs bewusst zu durchleben, die Gefühle zu spüren und den eigenen
Gedanken zuzuhören, und zunächst bedingungslos alles zu akzeptieren, was Körper
und Seele zum Ausdruck bringen wollen!
Erlauben Sie
sich dies und suchen Sie Menschen, die bereit sind, Sie dabei zu begleiten!
Erlaube Dir
dies und suche Dir Menschen, die bereit sind, dich dabei zu begleiten!
Das kann durch
therapeutische Hilfe sein oder beratende Gespräche, auch durch Gespräche im
gewohnten Umfeld, wenn die Voraussetzungen stimmen.
Alarmzeichen
sind allerdings Gedanken, die in Richtung Selbstverletzung oder Selbsttötung
gehen! Da heißt Akzeptanz: Erkenntnis, dass es so ist und dass sofort gehandelt
werden muss! Notfallhilfe gibt es in Kliniken und über Notrufnummern! Sind Sie
gefährdet? Bist Du gefährdet? Legen Sie sich, lege Dir Notfalltelefonnummern
griffbereit! Und nutze sie!
Wenn Sie
ohnehin in Gruppen aktiv sind, wo die Teilnehmenden mit Achtsamkeit nicht
gänzlich unvertraut sind, vielleicht in einer Yoga-Gruppe oder Ähnlichem,
könnte es gut für Sie sein, auch dort einmal zu erzählen, wie es Ihnen geht.
Entspannung
kann unterstützend erlebt werden, Progressive Muskelentspannung, Autogenes
Training, Körperübungen, die Anspannungen zum Entladen führen, zum Beispiel TRE
– für alle, die es kennen… Alles, was der Selbstvergewisserung dient: Welche
Ressourcen habe ich, wo liegen meine Stärken und worin meine Bedürfnisse,
schreiben Sie es sich auf, zeichnen Sie, was Sie bewegt! Schreiben, zeichnen
Sie in ein Tagebuch… Etliche sagen auch, dass sie eine sportliche Betätigung am
besten stärkt… Singen Sie, rufen Sie, wenn Ihnen danach ist, laut in die Welt
hinaus!
Sollten Sie
dazu neigen, zu denken, Sie dürften sich anderen nicht zumuten? Dann schauen Sie,
ob Sie nicht Ihrerseits solche Zumutungen durch andere Menschen durchaus
schon einmal aushalten konnten – und ob es daher durchaus möglich ist, dass
andere auch Sie aushalten werden.
Bleiben Sie
sich dabei bewusst, dass Ihr Gegenüber für sich selbst verantwortlich ist und
wenn es ihm Zuviel wird, dies äußern kann. Nehmen Sie Signale wahr, sobald und
wenn Sie es können, ob es an der Zeit ist, Ihr Gegenüber zu fragen: „Kannst Du
noch, darf ich Dir noch mehr erzählen?“ und akzeptieren Sie die Antwort, so wie
sie kommt! Niemand kann Ihnen Ihre Belastung wegnehmen, den Weg zur Bewältigung
können nur Sie selbst gehen, eine gute Begleitung stützt und hilft dabei.
Bleiben Sie
achtsam für Ihre Veränderungen, bemerken Sie auch, wenn es Ihnen zeitweilig
beginnt, besser zu gehen, wenn Sie Hoffnung schöpfen, wenn Sie sich selbst
wieder mehr zutrauen!
Hilfreich
ist es nach meiner Erfahrung, sich darüber klar zu werden, was in der
Vergangenheit bei der Bewältigung eines schwierigen Übergangs geholfen hat: „Was
hat mir schon einmal gut getan, möchte ich das noch einmal versuchen zu erleben?“
Prüfen Sie jedoch kritisch, ob es eine kurzfristige und scheinbare Entlastung
erbrachte, das gilt für Selbstschädigungen jeder Art, oder ob es langfristig
gut für Ihr weiteres Leben war!
Stellen Sie
sich das Leben vor, wie es sein wird, wenn dieser Übergang bewältigt ist!