Überflutung – Dinge stürzen in mich hinein?

Wenn ich mich nicht gut abgrenzen kann, was als Folge von frühen Traumatisierungen so entstanden sein kann, dann fehlt mir oft auch das Empfinden des eigenen Körpers. Nicht wirklich bei mir zu sein, zu vieles von außen scheint mein Leben zu bestimmen: Von diesem Erleben wird mir in der Praxis immer wieder berichtet. Vorab:
Traumatisierung ist ein schillernder Begriff, sodass ich hier versuchen möchte, ihn zu entdramatisieren. Ein Trauma erlebt zu haben, traumatisiert worden zu sein durch mangelnden Schutz oder mangelnde Bindung in der Entwicklung, ist schlimm und es kann schlimme Folgen haben. Gleichzeitig ist es gut zu wissen, dass viele Menschen das erlebt haben und viele Menschen es gut bewältigt haben. Woraus ja folgt: Es ist nicht einfach, aber machbar, sich auf einen Weg der Heilung zu begeben. Nein, eine erlebte Traumatisierung bedeutet kein lebenslanges Urteil, daran leiden zu müssen. Sich selbst zu spüren, sich als Person wahrzunehmen, sich gegen Überflutungseindrücke abzugrenzen, ohne dafür Mauern aufbauen zu müssen, ist ein gutes Ziel und es ist erreichbar.

Wir brauchen für unsere Gesundheit die Möglichkeit, Eindrücke zu filtern, auch auszublenden, wenn wir nicht in ständiger Übererregung durchs Leben gehen wollen. Und ebenso kann es sein, dass eine zu weit offene Empfindungsbereitschaft für alles und jedes in unserer Umwelt uns in Überforderungsempfindungen und Hoffnungslosigkeit führt.

Was tun? Die Übungen der letzten drei Wochen, die auf meiner Homepage zu finden sind, werde ich heute durch eine weitere Übung ergänzen:

Ressourcen wieder lebendig werden lassen, neue Ressourcen finden

Kinder finden erschaffen sich innere Freunde, finden Gegenstände oder Orte für sich, die ihnen Schutz und Kraft geben. Diese wunderbare Fähigkeit hilft ihnen, sich auch durch sehr schädigende Lebensumstände hindurch zu erhalten und nicht unterzugehen. Erwachsen geworden können Menschen, die noch unter den Folgen ihrer Entwicklung leiden, diese Fähigkeit nutzen.

Übung: Papier und Stift brauchen wir, falten es in der Mitte zu zwei Spalten, verwenden wir Zeit und Geduld auf diese Übung! (Manche “verzieren” diese schriftliche Übung mit Zeichnungen!)

Links schreiben wir, was uns an äußeren, rechts, was uns an inneren Ressourcen ins Bewusstsein kommt. Es kann etwas aus der Natur sein, Musik, ein Bad, Bewegung…
Genuss empfinden können, kreativ sein, mutig… Auch wenn es sich in schwierigen Zeiten nur schwach zeigen mag, schreiben wir es auf!

Fehlt etwas? Wie lässt sich das ändern? Zu wenig Kontakt zu Menschen? Keine Hobbies? Machen wir uns auf die Suche nach Veränderungsmöglichkeiten und notieren uns diese!

Wie lassen sich die Ressourcen ins Leben bringen? Wieder mehr spazieren gehen? Sinneswahrnehmungen bewusst steuern, berühren von lieben Gegenständen, die uns an Gutes erinnern – eine der Möglichkeiten.
Rituale einführen: Jeden Abend etwas aufschreiben, was heute zumindest recht gut war. Und wenn es nur das gelungene gekochte Ei war.

Was hat bisher gut geholfen? Es wird etwas geben, sonst wären wir gar nicht hier!

Was hat mich im Leben gehalten? Es ist gut, sich das ausführlich vorzustellen! Als ich damals… etwas Bereicherndes gelernt habe, etwas Neues ausprobiert habe…

Levine sagt, die größte Ressource sei, vom Unwohlsein zu Wohlbefinden pendeln zu können, von der Entfremdung zur Verbundenheit. Diese Selbstwirksamkeit genannte Ressource können wir uns bewusster machen und stärker ins Leben holen – indem wir sie üben!
Gerade hatte ich noch Durst, ich habe ein Glas Wasser getrunken, jetzt ist mir wohler. Mich fröstelte, ich habe ein warmes Tuch um mich geschlungen. Es war mir zu still, ich lege eine schöne Musik auf. Mir ist ein wenig allein zu Mute. Wen darf ich um diese Zeit anrufen? Es ist zu spät am Abend? Dann schreibe ich mal wieder einen Brief.

Ich weiß wohl, dass es nicht immer einfach ist, so zu handeln. Erlauben wir uns auch die schwachen Zeiten! Erinnern wir uns, dass diese Zeiten kommen und gehen. Stellen wir uns einfach vor, wie es sein wird, wenn wir wieder mehr unsere Kraft spüren! Machen wir uns bewusst, dass innere Vorstellung eine sehr kräftige Ressource ist und sorgen wir durch Übung dafür, dass wir sie zum Guten für uns nutzen!

Was sein kann: Manchmal klappt es nicht allein. Dann gibt es Möglichkeiten, sich Unterstützung zu suchen! Wie immer es am passendsten erscheint: Alte Freundschaften oder lang vergessene Gruppenkontakte wieder beleben, Beratungsstellen aufsuchen, therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen, jetzt ist der Moment!

Eine gute Woche!