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Über ulroder_am

Sonderpädagogin und Heilpraktikerin, beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie, Hamburg und Ammersbek

Heut wird’s ein wenig paragraphisch!

Meine derzeitige Fortbildung „Schutz und Hilfe bei häuslicher Gewalt – ein interdisziplinärer Online-Kurs“, durchgeführt vom Universitätsklinikum Ulm, hat laut Projektbeschreibung zum Ziel, „ein umfassendes (Handlungs-) Wissen für die spezialisierte Unterstützung und Versorgung von Frauen und ihren Kindern nach Gewalterfahrungen zu vermitteln.“
Es soll unter anderem eine gemeinsame Sprache aller an einem Hilfeprozess Beteiligten gefördert werden. Denn schon der Begriff „Häusliche Gewalt“ könnte in die Irre führen: Er steht für jegliche Gewalt zwischen Erwachsenen – denn Gewalt an Kindern und Jugendlichen wird gesondert erfasst – unabhängig davon, ob diese Gewalt im häuslichen Rahmen, in der Öffentlichkeit oder auch im virtuellen Raum ausgeübt wird.
Es geht um Gewalt in aktuell oder früher bestehenden Paarbeziehungen. Wichtig: Damit wäre auch für Polizei und Soziale Dienste eine Gewalthandlung keine „Streitigkeit“ oder kein „Konflikt“ mehr, was allzuleicht dem Privaten zugeordnet werden kann und woraufhin entsprechend unangemessen und wenig hilfreich reagiert werden könnte.
Ich vermute, die Istanbul-Konvention ist nicht sehr breit bekannt, deshalb hier einige Erläuterungen dazu: Dem Titel „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ folgt in der Präambel unter anderem folgende Standortbestimmung:

(…) „in Anerkennung der Tatsache, dass die Verwirklichung der rechtlichen und der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern ein wesentliches Element der Verhütung von Gewalt gegen Frauen ist;
in Anerkennung der Tatsache, dass Gewalt gegen Frauen der Ausdruck historisch gewachsener ungleicher Machtverhältnisse zwischen Frauen und Männern ist, die zur Beherrschung und Diskriminierung der Frau durch den Mann und zur Verhinderung der vollständigen Gleichstellung der Frau geführt haben;
in Anerkennung der Tatsache, dass Gewalt gegen Frauen als geschlechtsspezifische Gewalt strukturellen Charakter hat, sowie der Tatsache, dass Gewalt gegen Frauen einer der entscheidenden sozialen Mechanismen ist, durch den Frauen in eine untergeordnete Position gegenüber Männern gezwungen werden;
in dem Bestreben, ein Europa zu schaffen, das frei von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ist –
sind wie folgt übereingekommen (bezogen auf die Staaten, die Konvention ratifiziert haben):
„Artikel 1 – Zweck des Übereinkommens
1 Zweck dieses Übereinkommens ist es,
a) Frauen vor allen Formen von Gewalt zu schützen und Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu verhüten, zu verfolgen und zu beseitigen;
b) einen Beitrag zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau zu leisten und eine echte Gleichstellung von Frauen und Männern, auch durch die Stärkung der Rechte der Frauen, zu fördern; c) einen umfassenden Rahmen sowie umfassende politische und sonstige Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung aller Opfer von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt zu entwerfen;“

Es folgen ca. 120 Seiten, nachzulesen im Internet.

Konventionen sind völkerrechtlich bindend. Das Übereinkommen verpflichtet die Staaten zu umfassenden Maßnahmen in allen Bereichen, von der Prävention (Kapitel III), über Unterstützungsangebote (Kapitel IV) bis hin zum Straf-, Zivil- und Ausländerrecht (Kapitel V, VI, VII). Soweit die Absicht.
Vielleicht haben Sie / hast Du es gelesen oder gehört: Polen und die Türkei wollen das Abkommen verlassen. Und wo stehen wir im eigenen Land? Z. B. bezogen auf gesetzliche Vorgaben?

Hierzu einige Beispiele:
Art. 32
Zivilrechtliche Folgen der Zwangsheirat: ist umgesetzt (§ 1314 Abs. 2 Nr. 4 (Aufhebung der Ehe), § 1317 Abs. 1 (Antragsfrist 3 Jahre ab Wegfall der Zwangslage) BGB, § 132 Abs. 1 FamFG)
Es wäre wünschenswert: Evaluation der praktischen Umsetzung zum Erkennen von Umsetzungsmängeln.

Art. 33
Psychische Gewalt: keine eigene gesetzliche Norm, ist nur indirekt umgesetzt in verschiedenen Normen wie Nötigung (§ 240 StGB) und Bedrohung (§ 241 StGB);
weitere Änderungen dieser Normen mit Blick auf Hassrede und Hasskommentare im Internet sind aktuell im Gesetzgebungsverfahren.

Art. 34
Nachstellung: ist weitgehend umgesetzt (§ 238 StGB § 4 GewSchG), insbesondere, wenn die zu Art. 33 erwähnten Gesetzesvorlagen noch umgesetzt werden.

Art. 35
Körperliche Gewalt: ist umgesetzt (§§ 223, 224, 226 StGB)        

Art. 36
Sexuelle Gewalt einschließlich Vergewaltigung: ist umgesetzt (§ 177 StGB)

Art. 40
Sexuelle Belästigung: ist umgesetzt (§ 184i StGB)                          

Art. 48
Verbot verpflichtender alternativer Streitbeilegungsverfahren oder Strafurteile nicht gegen den Willen des Opfers: Eine Verpflichtung des Opfers zur Teilnahme am Streitbeilegungsverfahren wäre eine Verletzung verschiedener Gesetze (§ 155a StPO, § 36 Abs. 1 Satz 2 FamFG; §§ 1, 2 Mediationsgesetz (MediationsG), Art 14 RL 2012/29/EU); sie darf auch nicht unterschwellig kommuniziert werden. Insofern ist Information, Sensibilisierung und Fortbildung bei allen Professionen, die mit häuslicher Gewalt zu tun haben, notwendig. (Hervorhebung von mir.)

Schutz und Unterstützung, Art. 19
Informationen der Betroffenen. Angemessene und rechtzeitige Information über verfügbare Hilfsdienste und rechtliche Maßnahmen in verständlicher Sprache:
Schriftliche Informationen sind vorhanden, sie bedürfen jedoch wegen der teilweise komplizierten Ausdrucksweise in der Regel persönliche Erläuterungen für Betroffene; dafür sind ausreichend Beratungspersonen notwendig.

Und da liegt wohl ein Teil des Problems: Es mangelt an Personen, die diese Paragraphen unserer Rechtsprechung und die Artikel der Konvention einer Umsetzung im Sinne der Betroffenen näher bringen können.

Deshalb wird mein Blog sich mit der Information zu diesem Thema beschäftigen. In der nächsten Woche werde ich über die Formen von Gewalthandlungen und ihre Begrifflichkeit schreiben. Es wird leichter, miteinander über etwas zu sprechen, wenn Begriffe klar definiert sind. Was zum Beispiel bezeichnen die Begriffe „psychische Gewalt“, „soziale Gewalt“ oder „digitale Gewalt“? Ist es Gewalt, wenn jemand meine Mails liest? Es kommt auf den Kontext an. Fragen und Anmerkungen sind willkommen, schreib mir, schreiben Sie mir eine Mail!

Und übrigens:
Art. 57 Vorgaben für die Durchführung des Strafverfahrens
Rechtsberatung: Vertragsstaaten sind verpflichtet, das Recht der Opfer auf Rechtsbeistand und unentgeltliche Beratung sicherzustellen.

Eine gute Woche!

Dilemma-Kompetenz und Selbstfürsorge

Heute schreibe ich für alle, die sich beruflich oder ehrenamtlich um Menschen mit Hilfebedarfen kümmern und für alle, die sich dafür interessieren, wie sie einem Dilemma begegnen könnten. Mein Text verwendet einen Beitrag von Antonia Drews, Psychologin und systemische Therapeutin, den diese einer online-Fortbildung „Schutz und Hilfe bei häuslicher Gewalt“ des Universitätsklinikums Ulm zur Verfügung gestellt hat.
In den nächsten Wochen werde ich hier aus dieser Fortbildung berichten, denn ich bin der Ansicht, dass diesem Thema mehr Aufmerksamkeit zukommen sollte und dass außerdem Inhalte von Fortbildungen häufiger geteilt werden sollten, damit sie breitere Wirkungen entfalten können. Zum Thema:

Menschen, die sich am Arbeitsplatz mit den Belastungen und Hilfebedarfen anderer Menschen befassen, haben ein erhöhtes Risiko, an einer stressbedingten Gesundheitsstörung zu erkranken. Eine der Ursachen für Stress ist oftmals ein Dilemma. Hierzu ein Beispiel aus der Fortbildung:

„Frau Schulz im Dilemma

Frau Schulz arbeitet als Sozialpädagogin in einer Fachberatungsstelle, welche sich auf die Begleitung und Beratung von Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, spezialisiert hat. Die Arbeit ist kräftezehrend und Frau Schulz ist eine besonders engagierte Kollegin, die ihren Job sehr ernst nimmt.
An einem Freitagmittag kurz nach Schließung der Beratungsstelle taucht Frau Steinmann mit ihrem achtjährigen Sohn Anton auf und bittet um Hilfe. Die Klientin ist Frau Schulz bereits bekannt und befindet sich nun offensichtlich in einer Notsituation: Anfang der Woche sei ihr Lebenspartner ihr gegenüber gewalttätig geworden, woraufhin Frau Steinmann kurzfristig und übergangsweise bei einer Freundin untergekommen sei. Hier könne sie allerdings nicht länger bleiben, da Antons Wutausbrüche und unruhiges Verhalten die Wohnsituation für die Freundin und ihre Familie untragbar machen. Frau Steinmann ist verzweifelt und weiß nicht, was sie nun tun soll. Frau Schulz fühlt sich hin und her gerissen: Sie selbst ist erschöpft nach monatelanger Überarbeitung – das Balancieren ihrer zwei 50 % -Stellen in der Beratungsstelle und im Gleichstellungsreferat haben ihre Spuren hinterlassen. Gleichzeitig liegt ihr das Schicksal ihrer Klientin am Herzen und diese in einer solch verzweifelten Situation abzuweisen, ist für sie kaum vorstellbar.
Der Lösungsversuch von Frau Schulz, den Fall an ihre Kollegin Frau Meier abzugeben, scheitert. Als Frau Schulz ihre Kollegin aufsucht, ist diese gerade dabei ihr Büro abzuschließen. Sie fühle sich nicht wohl und würde sich für den Rest des Tages krankmelden.“

Frau Schulz ist in einer Entscheidungssituation. Ihre möglichen Verhaltensweisen schließen einander aus. Sie können nicht zeitgleich erfüllt werden. Frau Schulz muss sich entscheiden, ob sie sich des Falls Anton annimmt und länger im Büro bleibt oder beschließt, dieses Mal „Nein“ zu sagen und nach Hause zu gehen.

Ihre Entscheidung wird höchstwahrscheinlich Folgen für zukünftige verknüpfte Situationen haben. Entscheidet sie sich zum Beispiel wieder und wieder, sich um Klient*innen zu kümmern, muss sie sich früher oder später dafür entscheiden, in einer solchen Situation nach Hause zu gehen. Zum einen wird Frau Schulz irgendwann an die Grenze ihrer persönlichen Kräfte gelangen, zum anderen wird ihre eigene Familie vermutlich immer vehementer ihre Präsenz einfordern.
Die Situation und das Erleben, sich im Dilemma zu befinden, wird verschärft durch den unmittelbaren Handlungsdruck.

Organisationen, wie zum Beispiel Beratungseinrichtungen, Jugendämter oder Frauenhäuser können verschiedene und sogar widersprüchliche Interessen gleichzeitig verfolgen. Die einzelnen Mitarbeitenden können das nicht: Gleichzeitig rechts und links gehen.

Frau Schulz fühlt sich in einer Zwickmühle gefangen. Keine der Entscheidungsoptionen, die ihr zur Verfügung stehen, ist zufriedenstellend für sie:

Option 1: Frau Schulz überlegt, sich zusammenzureißen und zu bleiben, um vor Ort ein ausführliches Gespräch mit Frau Steinmann und Anton zu führen und nach bestmöglichen Lösungen zu suchen.

Option 2: Frau Schulz denkt auch darüber nach, ihre Kollegin Frau Meier zu bitten, trotz Unwohlsein noch eine absehbare Zeit zu bleiben, um eine Mindestversorgung für die Klientin und ihren Sohn sicherzustellen.

Option 3: Eine weitere Option ist, sich trotz der Alternativlosigkeit, die dies für die Klientin bedeuten könnte, zu entscheiden, die Beratungsstelle wie geplant zu verlassen und nach Hause zu gehen. Das würde bedeuten, die Klientin abzuweisen und einen späteren Gesprächstermin anzubieten.

Jede der Optionen ist für Frau Schulz mit erheblichen „Kosten“ behaftet. Das für Frau Schulz naheliegendste Verhalten wäre es, erneut Überstunden in Kauf zu nehmen und sich zu entscheiden, länger zu bleiben. Das ist ihr jedoch in der jetzigen Situation, in der sie sich erschöpft und ausgelaugt fühlt, kaum mehr möglich. Zu bleiben würde außerdem bedeuten, erneut später nach Hause zu kommen und nicht, wie mit ihrem Ehemann abgesprochen, die gemeinsame Tochter aus der Kita abzuholen. Frau Schulz ist bewusst, dass sie in letzter Zeit kaum noch Energie hatte, um aktiv an ihrem eigenen Familienleben teilzunehmen. Wenn sie nun heute wieder Überstunden macht, würde dies die die Situation zu Hause verschärfen.

Die Möglichkeit, ihre Kollegin zu bitten, zu bleiben und den Fall anzunehmen, würde bedeuten, die Bedürfnisse von Frau Meier zu übergehen und etwas scheinbar Unmögliches einzufordern. Frau Schulz ist sich bewusst, dass Frau Meier nicht sehr belastbar ist. Sie erneut zu bitten, würde ihr von Frau Meier ziemlich sicher als unempathisch und grob ausgelegt werden.

Schließlich würde ein Abweisen der Klientin in einer Notsituation für Frau Schulz bedeuten, den Ansprüchen an ihre Arbeit nicht gerecht zu werden. Sie würde das Vertrauen der Klientin in die Beratungsstelle als Anlaufort für ihre Not verletzen und wahrscheinlich das Verhältnis zu dieser Klientin nachhaltig schädigen.

Wem muss Frau Schulz gerecht werden?

Mehrere „innere“ und „äußere“ Aufträge wirken in dieser Situation auf Frau Schulz ein:
Der Arbeitgeber und die in der Organisation vorherrschende Arbeitskultur vermitteln mehr oder weniger deutlich ausgedrückt: „Wir geben alles für unsere Klient*innen!“ Zentral ist der Auftrag der Klientin Frau Steinmann: „Helfen Sie mir und meinem kleinen Sohn!“ Gleichzeitig erlebt Frau Schulz die Forderung vonseiten ihrer eigenen Familie, Präsenz zu zeigen und gemeinsame Zeit zu verbringen. So könnte ein Auftrag von Ehemann und Kindern an Frau Schulz lauten: „Komm nach Hause!“ oder „Sei für uns da!“ Die Kollegin Frau Meier, die sich für den restlichen Tag krankgemeldet hat, bittet Frau Schulz um Verständnis und Entlastung. Sie fordert: „Bürde mir das nicht auf!“
Zugleich kommt den inneren Aufträgen, die Frau Schulz in Form eigener inneren Stimmen an sich selbst richtet, in der Dilemmasituation eine wichtige Bedeutung zu. Hierbei handelt es sich um eigene Ansprüche und Selbsterwartungen. Zu diesen Aufträgen zählen in unserem Beispiel die folgenden inneren Stimmen von Frau Schulz:
Innere Stimme I (gegenüber der Klientin): „Lass die Klientin nicht hängen!“
Innere Stimme II (gegenüber sich selbst): „Denk auch mal an Dich!“
Innere Stimme III (gegenüber der Kollegin Frau Meier): „Sei eine loyale Teamplayerin!

Zwischen welchen Glaubenssätzen sieht sich Frau Schulz gefangen?

Im Laufe unseres Lebens bilden wir sogenannte Glaubenssätze aus. Das sind Sätze, die wir – zurzeit zumindest – nicht hinterfragen und die uns, je nach Situation, das Leben erleichtern oder erschweren können. Sie können der Orientierung dienen und mit ihnen können wir uns ins Dilemma führen. Ein solcher Satz könnte lauten: „Die Bedürfnisse der anderen sind wichtiger als meine eigenen“. Oder: „Ich darf Hilfesuchende nicht abweisen.“
Frau Schulz könnte sich auch mit der Frage beschäftigen: „Was denkt die von mir, wenn ich in dieser Situation >Nein< sage?“ Dies wäre eng verknüpft mit der Frage: „Was bin ich bereit und in der Lage auszuhalten, das andere von mir denken mögen?“

Eine Sorge von Frau Schulz könnte an dieser Stelle sein, von der Klientin oder ihrer Arbeitskollegin als nicht hilfsbereit, vielleicht gar unsozial wahrgenommen zu werden. Eine bedeutsame Prämisse könnte lauten: „Wenn ich auf die Öffnungszeiten der Beratungsstelle bestehe, bin ich unsozial.“ Eine weitere Prämisse, die Frau Schulz gefangen hält, könnte lauten: „Wenn ich nicht alles für meine Klient*innen gebe, mache ich keinen guten Job.“

All dies wird es Frau Schulz erschweren, auf ihre eigenen Grenzen zu hören und diese geltend zu machen. Es wird wahrscheinlicher, dass sie zuungunsten ihrer eigenen Bedürfnisse nachgibt.
Vielleicht hat Frau Schulz, die sich in ihrer Arbeit stets in außenordentlichem Maße einsetzt, außerdem die Vorstellung, ein Zurücktreten und ein Sich-Bekennen (z. B. „Es ist an diesem Punkt zu viel – das kann ich nicht leisten.“) sei gleichzusetzen mit beruflichem Scheitern. Ihre Prämisse könnte lauten: „Wenn ich das alles nicht unter einen Hut bekomme, bin ich nicht gut genug!“ oder „Wenn ich der Belastung nicht standhalte, bin ich die Falsche für diesen Job!“ Ihrer Erschöpfung würde sie dann mit noch mehr Anstrengung und Arbeitseinsatz begegnen.

Glaubenssätze zu bestimmten Selbst- und Fremderwartungen an die eigene Rolle als Mutter, wie beispielsweise „Wenn ich so viel Zeit auf der Arbeit verbringe, bin ich eine Rabenmutter“, setzen Frau Schulz zusätzlich massiv unter Druck.

Dann sind da noch die mehr oder weniger „heimlichen“ Botschaften der Organisation: „Wem in der Beratung Geld und Urlaub / Ausgleichszeit wichtig ist, der*die ist hier falsch!“ oder „Beratung ist ein hartes Brot.“
Diese Botschaften legen einen Verhaltenskorridor fest, innerhalb dessen sich die Mitarbeitende bewegen sollen, wenn sie Teil der Organisation bleiben wollen. Solche organisationalen Spielregeln definieren, welche Kriterien „gute Arbeit“ auszeichnet, z. B. „Eine gute Beraterin lässt ihre Klient*innen nicht im Stich.“ Und auch „Eine faire Kollegin entlastet andere Mitarbeitende bei Bedarf.“
Sie legen außerdem fest, worüber innerhalb der Organisation / der Abteilung gesprochen wird (und worüber nicht) und wie dies geschieht. So gibt es beispielsweise häufig eine bestimmte Kultur, über Fehler (nicht) zu sprechen und bestimmte Emotionen zu tabuisieren, z. B. „Man darf die Beratungsfälle nicht so sehr an sich heranlassen – sonst ist man unprofessionell.“

Frau Schulz ist hin- und hergerissen. Scheinbar gibt es keinen Ausweg und sie möchte gleichzeitig bleiben und gehen.

Was tun?

Folgen wir der Idee des Konstruktivisten Heinz von Foerster, dass es auf zu entscheidende Fragen keine objektiv richtigen Antworten gibt! Diese Überprüfung können wir uns also sparen!
Die Bewältigung eines Dilemmas kann nicht darin bestehen, eine perfekte Lösung zu finden, mit der alle Beteiligten zufrieden sind! Vielmehr geht es darum, sich bewusst für bestimmte Nachteile / „Kosten“ zu entscheiden und somit einen Standpunkt zu beziehen und Verantwortung für die getroffene Entscheidung zu übernehmen.
Dilemmata gehören zu Organisationen. (Diese Erkenntnis kann in unserem Beispiel dem Gedanken „Wenn nur Frau Meier nicht so empfindlich wäre, dann wäre alles besser!“ entgegenwirken.)
Dilemmata gehören dazu und sie sind herausfordernd.
Vielleicht fühlen wir uns in ihnen gelähmt, hilflos und machtlos. Die Kernbotschaft, dass es keine perfekte Lösung geben wird, zu verdauen, ist anspruchsvoll. Oft ist dies verbunden mit Enttäuschung, Frustration bis hin zu Scham und Ärger.

Unsere Entscheidung werden wir auch anderen Personen gegenüber vertreten müssen und unter Umständen auf Widerspruch stoßen. Vielleicht fürchten wir die Konsequenzen unseres Verhaltens – für uns und für andere.

Bevor uns das alles zu überrollen droht: Ohne Langsamkeit werden wir es schwer haben. Langsamkeit, Innehalten, Zeit einfordern, von uns selbst, von unserer Umgebung:

Das Hinterfragen von Prämissen

Beispielsweise könnte Frau Schulz hinterfragen, ob ein Bestehen auf den eigenen Feierabend wirklich bedeutet, eine schlechte / unsoziale Beraterin zu sein. Frau Schulz könnte auch „Eine faire Kollegin entlastet andere Mitarbeitende bei Bedarf“ für diese Situation (!) hintan stellen und entscheiden, ihre Kollegin nicht zu entlasten, sondern mit ihrem Ansinnen beharrlich zu bleiben. Hierdurch könnten neue Handlungsspielräume entstehen.

Undenkbar? Es wird sehr wahrscheinlich anderen Personen im beruflichen oder privaten Umfeld auffallen, wenn ich mich entgegen meiner üblichen Gewohnheiten verhalte. Es lohnt sich, sorgfältig zu prüfen, zu welchem „Kulturbrüchlein“ ich mich entscheiden kann, und welche Auswirkungen ich in der Lage und bereit bin, auszuhalten?

Nutzung von Gefühlen und Werten als Orientierungshilfe / Richtungsweiser

Die Konstruktion aus verschiedenen Glaubenssätzen ist häufig begleitet von starken, oft negativen Gefühlen. Aus der Entscheidungsforschung ist bekannt, dass wir Entscheidungen in Einklang mit unserem emotionalen Erleben bringen müssen, damit tragfähige Positionierungen entstehen können. Um inneren und äußeren Turbulenzen zu begegnen, ist ein Einbezug von emotionalem Erfahrungswissen und dazugehörigen Körpersignalen hilfreich.

Damit wären Gefühle im Dilemma mehr als nur quälende Begleiterscheinungen. Vielmehr könnten wir ihren Informationsgehalt gezielt nutzen! Zum einen können auftretende Gefühle Hinweise darauf geben, welche Bedürfnisse hinter dem Hin- und Hergerissen-Sein stecken. Zum anderen können Gefühle im Dilemma als Ratgeber fungieren: Wie kann ich anschließend gut für diese Bedürfnisse sorgen? In diesem Sinne fungieren Gefühle im Dilemma als wertvolle Richtungsgeber.

Schauen wir dazu auf unsere spontanen Erstreaktionen, welche nicht immer sofort erkennbar sind und was deshalb einiger Übung bedarf. Ist unser Gefühl primärer Natur und verschafft uns Zugang zu wertvoller Information, die wir im Entscheidungsprozess sinnstiftend nutzen können? Oder haben wir es mit einem sekundären Schutzgefühl zu tun, das uns auf Abwege führt? Vielleicht denkt Frau Schulz zunächst, ihre Lage sei ausweglos, fühlt sich hoffnungslos, ihr Körpergefühl ist schlaff und kraftlos? Vielleicht schiebt sie dies sofort weg und denkt: „Die Kollegin lässt mich im Stich, Sauerei!“ In der Folge reagiert sie verärgert. Das erste Gefühl könnte ihr helfen, ihre eigenen Bedürfnisse nach Erholung ernst zu nehmen. Das zweite, scheinbar eine Schutzfunktion einnehmend, wird sie im Dilemma gefangen halten. Vielleicht hat sich ihr Nacken bereits verspannt.

Jede Entscheidung ist ebenso Ausdruck von bestimmten Werten. Im Fallbeispiel von Frau Schulz scheinen Loyalität und Hilfsbereitschaft Werte zu sein, die ihr besonders wichtig sind. Gleichzeitig hält Frau Schulz offensichtlich an dem Wert, Arbeit und Familie zu vereinbaren fest. Sie könnte sich fragen, welchen ihrer Werte sie auf keinen Fall aufgeben möchte. Dies könnte sie in einer stillen Stunde, die sie sich hierfür reservieren würde, herausfinden.
Was wäre, wenn ich einen anderen Wert weniger wichtig nehmen wollte, was, wenn ich ihn im Zweifelsfall nicht verfolge? Für die nächste brenzlige Situation wäre ich schon besser vorbereitet.

Eine konsequente Übung im Erkennen ihrer Empfindungen der Psyche und des Körpers und eine Überprüfung ihrer Prioritätenliste können Frau Schulz bei ihren Entscheidungen künftig helfen.

Wozu will ich mich bekennen? In manchen Situationen werde ich wählen müssen! Und ich habe Wahlfreiheit! Im Dilemma frage ich mich also:

  1. Welche Gefühle habe ich unmittelbar (gehabt)? Hierfür habe ich mich in Selbstbeobachtung geübt!
  2. Welche Werte treiben mich derzeit an? (Dafür kenne ich sinnvollerweise schon meine Prioritätenliste!)
  3. Welche Prämissen halten mich gerade gefangen? (Dies habe ich erforscht und geprüft!)

Nun habe ich einen Kompass!

Eine gute Woche!

P.S. Dem Ursprungsartikel habe ich sehr vieles entnommen, vieles gekürzt, einiges ganz weggelassen und manches hinzugefügt oder verändert. Mein Dank geht an Antonia Drews!

Das können Sie nicht ändern! Das ist völlig unmöglich!

Auf dem Weg, Heilpraktikerin für Psychotherapie zu werden, bin ich hier und da auf den provokativen Ansatz gestoßen. Bisher habe ich mich nicht darin weiter gebildet, aber in diesen Corona-Zeiten gibt es vermehrt Möglichkeiten, dies auch online zu tun, was ich sehr begrüße.

Auch in der Kognitiven Verhaltenstherapie wie ich sie praktiziere gibt es durchaus provozierende Elemente, niemals etwa herabsetzend oder besserwisserisch angewendet, sondern immer in der Grundhaltung, Klienten zuzutrauen, damit für sich selbst gut umzugehen.

So kann die Frage: „Und wozu machen Sie das?“ wenn sich jemand über sich selbst beklagt und dort zunächst nicht weiter kommt, entscheidende Richtungswechsel anstoßen, provozieren.

Was also soll provoziert werden? Es geht um den Anteil, den wir haben leise werden lassen, die Seite in uns, die um die unseren Zielen förderliche Lösung weiß, die sogar die Funktion der sogenannten Hindernisse kennt.

Für Traumata oder Trauer taugt das nicht! Was schlimm ist, soll und darf gewürdigt werden! Auf den Prüfstand gehören allerdings die Strategien, die wir mit „Opferhaltung“ bezeichnen können. Hüten wir uns davor, diese, wenn wir sie finden sollten, zu verurteilen oder lächerlich zu machen, darum geht es nicht! Auch diese Haltung hat ihren guten Grund gehabt, sollten wir sie in schlimmen Zeiten entwickelt haben. Auf Dauer hält sie uns allerdings in etwas fest und wir könnten sie abwickeln.

Dr. E. Noni Höfner, die aufbauend auf der von Frank Farrelly (* 26. August 1931; † 10. Februar 2013) entwickelten provokativ arbeitenden therapeutischen Richtung das Deutsche Institut für Provokative Therapie im Team leitet, sagt, es sei eine Geisteshaltung, so zu arbeiten (zu sehen auf youtube). Es gehe darum, Klienten den Ausweg aus Sackgassen zu ermöglichen und es ihm zuzutrauen, ihn zu finden.

Ich überlege, inwieweit dieser Ansatz auch bei der Arbeit mit uns selbst uns weiterbringen kann. Also sozusagen aus eingefahrenen Gleisen zu springen (möglichst ohne zu verunfallen), einen Knoten im Kopf zu lösen (die Fäden dabei in der Hand zu behalten), in neues Fahrwasser zu kommen (das Ziel nicht aus dem Auge verlierend).

Nöni Höfner sagt, Stolpersteine habe man sich in der Regel selbst in den Weg gelegt. Daraus schließe ich, ich könnte diese so karikieren, dass ich selber darüber lache. Nicht mich auslache! (Manche Klienten tun das mit Fleiß, sarkastisch über sich zu lachen.) Gut wäre, stattdessen liebevoll karikierend mein an dieser Stelle wirksames Weltbild zu betrachten, mit Humor.

Ich schließe aus Noni Höfners Worten, ich könnte mir mal mehr recht geben, als ich es gewöhnlich tue, wenn ich zu mir sage, hier wäre keine Änderung möglich. So sehr nämlich, dass ich mir anschließend an die Stirn tippe. Ich vermute, die meisten von uns kennen es, dass widerstreitende Gedankenströme, an die wir uns gewöhnt haben, durchziehen und wir sie leider nicht dinggfest machen. So wabert auch in mir manches herum.

Provoziere ich mich nun selbst zum Beispiel damit, dass ich es NIE schaffen werde, mit meiner Schreibtischarbeit auf Stand zu sein, weil ich zu faul und inkonsequent dafür bin, mich also damit abzufinden habe, nichts dagegen tun können werde bis ich ins Gras beiße! So könnte doch am Ende der Gang zum Aktenordner mit der Steuererklärung stehen. Obwohl ich noch garnicht gemahnt wurde! Ich übertreibe nun ordentlich: Ich muss so weiter machen wie bisher, es gibt keine Lösung! Nicht für mich jedenfalls! Faul wie ich bin! (Während ich so mit mir rede steht mir vor Augen eine grinsende Katze. Das ist halt mein inneres Bild, das mich davor schützt, mich in Selbstverurteilung zu wälzen. Führt ja auch zu nix.)

Ich kann mich auf eine mit mir selbst liebevolle Weise selbst provozieren. Ich kann das, wenn ich grundsätzlich um meine Ressourcen weiß, sie im Moment nur nicht aktiviere, aus Gewohnheit.

Manchmal braucht jemand Hilfe, dies liebevoll und humorvoll mit sich so zu tun, weil sie oder er zu sehr  –  und schon länger dabei festgefahren – verurteilend mit sich umgeht. Dann nämlich wird es schwer, allein zu einer Erkenntnis zu kommen, dass der gewählte Weg im Umgang mit sich selbst eine Sackgasse ist (in die man aus Gründen gegangen ist, die auf den Prüfstand gehören, wenn man wieder rauswill).

Ich kann die Lösung für das Problem anderer Menschen nicht wissen. In meiner Praxis kann ich beim Entdecken der Selbstwirksamkeit helfen, beim Ausgraben verschütteter Kompetenzen, ich kann begleiten, wenn sich jemand anders als gewohnt auf den Weg machen will.

Einige provozierende Sätze als Beispiel:

„Sie können das nicht! Sie haben ja dafür gar nicht das Rückgrat!“ Mit einem leichten Augenzwinkern gesagt, immer wieder, und das Gegenüber beginnt sein Rückgrat immer deutlicher zu spüren… Der Leib will sich aufrichten, widerborstig geradezu!

„Das geht nicht! Dafür ist es nun zu spät! Dafür sind sie zu alt!“ NA? Was könnte passieren?

Oder

„Das haben Sie doch schon immer so gemacht! Sie sehen ja, was Sie sich damit eingebrockt haben, aber Sie können sich jetzt nicht einfach ändern! Was soll denn Ihre Umgebung dazu sagen!“ Na?

Testen Sie mal in der Ich-Form!

Vielleicht haben Sie ja solche inneren Sätze, verstärken Sie sie doch mal spielerisch, bis zum Absurden! Am Ende haben Sie sie vielleicht weggelacht und haben Raum für was anderes in Ihrem inneren Chor!

Eine gute Woche!

Vor der Blog-Pause eine kleine Trance

Mein Blog macht eine Sommerpause. Heute kommt noch eine kleine Anleitung, selbst in Trance zu gehen und sich für den Tag zu stärken, dann ist Pause bis Anfang August.
Auch mein wöchentlicher Telefontermin macht eine Pause, ab dem 03.08. geht es dann wie gewohnt montags von 18.00 Uhr bis 19.30 Uhr weiter.
Die Praxis ist jedoch nicht geschlossen!
Termine können Sie gern per Mail anfragen, bitte ohne persönliche Informationen preiszugeben, das besprechen wir lieber direkt!
Gern können Sie aber dazu schreiben, welche Zeiten für Sie passen würden, wenn wir zusammenkommen sollten.

Nun die kleine Übung: (Wie immer sicher sitzend, bequem und keinesfalls im Auto!)

  1. Einstimmung
    Einatmend und mit geöffneten Augen die Augäpfel nach oben in Richtung des Mittelscheitels rollen lassen, langsam zählend 1 – 2 – 3.
    Atem kurz zum Stillstand kommen lassen. Augen schließen.
    Ausatmend mit geschlossenen Augen die Augäpfel wieder in die gewohnte Position rollen lassen. Den Mund dabei leicht öffnen.
    Augen öffnen.

Dies einige Male wiederholen, bis es vertraut ist.

  1. Körper spüren
    Augen schließen, Atem spüren.
    Bei der Wanderung durch den Körper einen guten Ort finden, der sich gerade konfliktfrei anfühlt – möglichst angenehm oder neutral, mindestens aber weniger belastet als andere Orte.
    Wenn Du ihn gefunden hast, intensiviere diese Erfahrung für Dich.
    Gib diesem Ort eine Farbe, die Du magst, vielleicht erscheint sie vor Deinem Auge wie von selbst.
    Sende bewusst Deinen Atem dorthin und lausche nach einem Klang – er kommt und er kommt nicht, sei neugierig!
    Sende bewusst Deinen Atem dorthin und spüre der Temperatur dieses Ortes nach.
    Wenn es gut ist, intensiviere Dein Erleben. Sonst ändere, was Du ändern möchtest.
    Lass diese Eindrücke sich in Deinem Körper ausbreiten. Du kannst staunen, wie gut Dir das gelingt!
    Wenn Dir innere Bilder erscheinen, schau, wie sie Dir gefallen.
    Sind sie gut, verweile.
    Sind sie nicht so angenehm, geh weiter in Deinen inneren Vorstellungen.
    Ist es nur ein Farbrauschen, ein Nebel? Auch gut, wenn es Dir gefällt. Sonst geh weiter.
  2. Innere Stärke
    Mit allem, was Du Wohltuendes entdecken konntest, mit dem Körperempfinden, vielleicht mit Tönen oder Bildern, lenke Dich auf eine Ort,
    den ich heute Deine innere Stärke nenne.
    Vielleicht hast Du andere Worte dafür, vielleicht übernimmst Du für heute, wie ich es nenne.
    Sie kann in der Vorstellung Deines Körpers zu finden sein, sie kann in der Vorstellung eines angenehmen Ortes zu finden sein, sie kann in der Vorstellung Deines Geistes zu finden sein oder in dem Fühlen Deines Selbst tief in Deinem Inneren.
    Gib Dir Zeit, diesen Ort zu finden. Deine Stärke kann heute groß sein oder klein, deutlich oder verschwommen,
    Du kannst sie spüren oder ahnen – sie ist da.
    Wenn Du es gefunden hast, was ich heute Deine innere Stärke nenne,
    verweile.
    Und staune. Und Du kannst neugierig sein, wie sie sich zu erkennen gibt.
    Und Du kannst ihr einen Namen geben, ein Symbol, einen Gedanken, der Dich erinnert,
    wenn Du wieder im Alltag bist. Vielleicht auch eine Handbewegung, sei neugierig, was sich Dir zeigen wird.
    Oder entscheide selbst ganz bewusst, was Du als Alltagsanker nehmen möchtest.
    Und es ist gut zu wissen, dass dieser Anker Dir alles Wohltuende ins bewusste Erleben geben wird, wenn Du es möchtest.
    Bei allem, wo Du es vielleicht brauchst.

Und mit diesem Wissen nimm einen tiefen Atemzug, öffne langsam die Augen und orientiere Dich an Deinem Ort hier und jetzt.

Eine gute Woche!

Nicht nur Friede Freude Eierkuchen…

Ein bisschen will ich mit dieser Überschrift Interesse wecken, zugegeben. Die wenigsten Klient*innen, die ich bisher in meiner Praxis kennengelernt habe, erwarten, dass es ihnen von nun an nach jeder Sitzung besser gehe und dass es in den Sitzungen hauptsächlich ums sich Wohlfühlen ginge.

Eher ist es so, dass einige Befürchtungen mit in die ersten Stunden genommen werden: Werde ich auch nicht missverstanden werden? Wird man mich auch ernst nehmen? Komme ich womöglich komplett ins Trudeln und verliere die Kontrolle, wenn ich an meine schwierigen Themen rühre? Ist die Therapeutin vertrauenswürdig? Komme ich im Verlauf des Prozesses noch mit meinem Lebenspartner oder Eltern klar oder wird es alles noch schwieriger?

Und vieles mehr. Solche Befürchtungen aufzunehmen ist Teil des therapeutischen Prozesses. Damit ist mehr gemeint als nur der Aufbau eines vertrauensvollen Verhältnisses zwischen Klient*in und Therapeut*in.

Es geht auch darum, das Vertrauen in die eigenen Kräfte beim hilfesuchenden Menschen zu wecken und zu entwickeln und auch ganz wesentlich darum, im therapeutischen Prozess eine Transparenz und Orientierung herbeizuführen, die es den Hilfesuchenden erleichtert, sich als wesentliche Akteure ihrer Therapie zu erleben.

Wenn das gelingt, geschieht oft Herausforderndes.

Im Verlauf der Therapie wird nicht selten entdeckt, dass eine Traurigkeit zwar lange schon im Leben dabei war, aber irgendwann einmal wurde sie mit allerlei Mechanismen unseres kreativen Gehirns so versteckt, dass sie nicht mehr gespürt, nicht mehr gesehen wurde.
Diese Entdeckung ist von Frieden, Freude, Eierkuchen weit entfernt. Die Tränen fließen und die Traurigkeit ist sehr präsent. Dennoch, all das ist häufig begleitet von der Empfindung, dass sich etwas löse und dass dies gut sei.

Schwieriger kann es werden, wenn etwas auftaucht, was als destruktiv erlebt wird. Was tun? Wichtig ist hier, wie auch an vielen anderen Stellen, an denen sich Klienten als irgendwie falsch erleben, innere Bilder und Sätze anzubieten, die bedeuten:

Du bist nicht diese Wut, diese Lust zu zerstören, zu verletzen, nicht dieser Drang zur Selbstverletzung.
Du bist nicht diese Angst, diese Panik, diese Erstarrung. Auch nicht diese Hoffnungslosigkeit.
Was immer es sei, es ist eine Seite von Dir. Du bist mehr als das.

Ein schlimmer Zahnschmerz will Dir auch erzählen, Dein Ich säße im Zahn. Und doch stimmt es nicht. Der Schmerz vergeht, wird behoben, und Du bist immer noch da. Lass Dir nichts erzählen, geh zum Zahnarzt! Deine Beine helfen dir dabei!

So wie der Schmerz Dich auf etwas hinweist, was dringend getan werden sollte, nämlich zuerst mal „Ruf die Praxis an, Mensch!“ so kann auch die erschreckende Erfahrung, dass es destruktive Seiten in Dir gibt, Dich auf einen Handlungsbedarf hinweisen. Du bist mehr als das. Du kannst etwas tun.

Der Wunsch, die Fäden der Handlung in der Hand zu behalten oder zurückzuerobern wird häufig von der Vorstellung begleitet, diese destruktive Seite müsse weg. So wie ein schlechter Zahn. Das funktioniert allerdings eher nicht. Die destruktive Seite sollte sinnvollerweise gefragt werden: Hey, warum machst Du das? Du Wutnickel, Du Angsthase in meinem inneren Ensemble? Du, die/der Du mich von meinen guten Vorsätzen abhalten willst, weil angeblich große Gefahr droht?

Und so beginnt es: Wir gehen in den Dialog mit unseren wenig geliebten Seiten. Wir stellen Fragen, wir wollen Antworten.

Wir können der Seite, die wir identifiziert haben im Chor unserer inneren Stimmen einen Namen geben. Wir können ihr eine Gestalt verleihen: Groß oder klein, dünn oder dick. Laut? Wahrscheinlich ja. Beweglich? Schwer zu fassen? Aufdringlich? Welche Stimme hat sie? Von woher redet sie? Hinter mir, von oben? Drohend aufgebaut vor mir? Beißt sie mich in die Wade?
Nein, ich verhohnepiepele Sie nicht, solche Bilder können auftauchen und sie könne dafür sorgen, dass innerer Abstand gewonnen wird. Wir sind mehr als unsere inneren Gestalten. Und: Wir haben sie einmal selbst entwickelt!

Diese Erkenntnis ist gut: So wie unsere Träume ganz und gar unser sind, sogar die Alpträume, so sind es die im Inneren Agierenden auch. Sie wurden in unserem kreativen Gehirn einmal entwickelt, weil sie zur Hilfe in der Not irgendwie gut zu sein schienen. Vielleicht waren wir da noch ganz klein oder sehr jung.

Es ist oft nicht einfach, dies zu akzeptieren und dann auch noch herauszufinden, was das denn für eine Hilfe gewesen sein könnte. Es lohnt sich, auf die Suche zu gehen: Hey Du, warum machst Du das? Oder auch: Warum hast Du das damals so gemacht, als es begann?

Wir können die destruktive Gestalt auf eine Bühne stellen und uns die Performance einmal ansehen. Will „Heinrich“ oder „Berta“ einen Monolog halten? Dann hören wir ihm oder ihr gut zu. Will „Clara“ mit den anderen Stimmen im Chor sprechen und sie auf ihre Seite ziehen? Schau‘n wir mal, wer macht da mit? Und dass es keine Missverständnisse gibt: Wir sind auch mehr als die Summe unserer Seiten. Wir sind die Instanz, die zuhört, zuschaut, Schlüsse zieht und Konsequenzen ableitet.

Mag die Existenz eines Selbst, eines inneren Kerns, das wozu wir „Ich“ sagen, von manchen geleugnet werden – die meisten von uns erleben sich so, identifizieren sich mit dieser Idee, und wer sich hingegen verloren hat, verliert oft auch den Halt.

Wenn wir nun also von unserem Theatersessel aus dem Treiben auf der Bühne zuschauen und zuhören, werden wir womöglich dahinter kommen: All die da auf der Bühne meinen es irgendwie gut. Sie wollen Anerkennung dafür. Fragen wir sie nach ihren positiven Absichten.

Tun wir so, als wäre diese destruktive Seite unser Klient, unsere Klientin: Was führt Sie hierher, wobei kann ich Ihnen helfen? Worunter leiden Sie? Was suchen Sie? Was sind Ihre Ziele? Gibt es  Gegenspieler?

Seien wir wohlwollend, aufmerksam, wertschätzend. Das heißt nicht, dass wir den Ideen von Heinrich oder Berta folgen müssten. Wir können jedoch würdigen, dass er oder sie uns vor Gefahren warnen will. Vielleicht hat er noch nicht verstanden, dass wir jetzt erwachsener sind, handlungsfähiger. Vielleich muss Berta jemand sagen, dass wir viele andere hilfreiche Seiten in uns haben und weder Panik noch Wut brauchen, um uns zu schützen. Nehmen wir Clara bei der Hand: Ruh Dich aus. Ich hab Dich gehört. Danke für Deine Stimme. Du meinst es gut.

Zeigen wir Verständnis. Bleiben wir dran. Gehen wir in Verhandlungen. Stellen wir die Mitspieler einander vor!

Wichtige Botschaft auch an die schwierigen Seiten: Du darfst sein! Darf ich Dir nun von den anderen Seiten erzählen, die Du noch nicht kennst, sie kamen ja erst später ins Ensemble?

So beginnt es. Und am Ende kann Versöhnung stehen, mit allem, was uns ausmacht.

Eine gute Woche!

Freund oder Feind?

Wenn wir auf der Straße einer Person begegnen, die wir lange nicht gesehen haben, kann es gut sein, dass wir sie nicht erkennen und dennoch auf sie reagieren: mit Freude oder mit Angst, mit Zuneigung oder mit Ablehnung. Wahrscheinlich geschieht dies eher in milderer Form, aber doch spürbar. Wir empfinden etwas, ohne den Ursprung dafür in diesem Moment zu wissen. In unserem Gedächtnis-Netzwerk wurden Verknüpfungen ausgelöst, ohne dass wir einen bewussten Zugang dazu haben.

Es kann leicht geschehen, dass wir unsere veränderte Gestimmtheit dann den aktuellen Erlebnissen gutschreiben oder anlasten – je nachdem, was wir empfinden.
Das ist weder gut noch schlecht, wir sollten uns darüber lediglich im Klaren sein, damit wir im Hier und Jetzt genügend Abstand und die Bereitschaft zu einem inneren Stopp haben.

Vielleicht ist unser neuer Kollege gar nicht daran beteiligt, dass wir gerade so missgestimmt sind. Wir schauen gerade durch eine getönte Brille, die wir wegen unbewusster Vorgänge aufgesetzt haben, als unser Gedächtnis-Netzwerk auf den Typen im Bus reagiert hat – den von früher, den wir bewusst kaum wahrgenommen haben. Geben wir dem neuen Kollegen die Chance, sich uns zu zeigen, wenn wir aus dem Rad der Missstimmung wieder ausgestiegen sind und die Brille abgesetzt haben!

Oder anders: Unsere rosarote Brille sorgt nach einer nicht bewussten, an Angenehmes anknüpfenden Begegnung für Unbeschwertheit und Risikofreude, und wir trällern ein Lied und unterschreiben in der Fußgängerzone für ein Zeitungsabo, das uns die Straßenverkäuferin so freundlich anbot. Hinterher fragen wir uns vielleicht, wieso wir das gemacht haben. Ein Duft, der an uns vorüber zog, kann damit zusammenhängen. Auch dieser hatte unser Netzwerk aktiviert. Gut, dass wir solche Aufträge stornieren können!

Sanfte, gleichsam atmosphärische Empfindungen helfen uns oft, uns zu orientieren und in sozialen Zusammenhängen wohl, sicher und zugehörig zu empfinden. Treffen wir eine zugewandte, freundliche Person, mit der wir gute Erfahrungen gemacht haben, reagieren wir darauf mit dem ganzen Körper. Dies wird wiederum unserer Umgebung etwas über unseren gegenwärtigen Zustand mitteilen und so erneut zu zufriedenstellenden Kontakten beitragen.

Treffen wir hingegen auf Menschen, die uns in der Vergangenheit übel mitgespielt haben, reagieren wir ebenso mit dem ganzen Körper. Wir sind besonders aufmerksam und gleichen ab, ob es hier sinnvoll sein könnte, in eine Angriffs- oder Abwehrbereitschaft zu gehen. Auch dies teilt sich unserer Umgebung mit. Im günstigen Fall finden sich Menschen bereit, mit uns zusammen aufmerksam zu sein und gegebenenfalls zu unserer Sicherheit beizutragen. Vielleicht sind wir selbst als Teil einer solchen Umgebung schon einmal tätig geworden und haben eine völlig fremde Person gefragt, ob sie Hilfe benötigt – nur aufgrund ihrer Körpersprache.

Immer wieder treffen wir auf einen Menschen, mit dem wir noch gar keine Erfahrung gemacht haben, der in uns jedoch etwas auszulösen scheint, wozu wir dann sofort eine Begründung suchen. Etwas in uns löst Alarm aus.
Wieso reagieren wir misstrauisch? Möglicherweise haben wir tatsächlich einen Hinweis erhalten: Vorsicht! Es kann aber auch sein, dass es nur die Färbung der fremden Stimme war, die das Gedächtnis-Netzwerk in Gang gebracht hat. Und wir da wir dies nicht bewusst beurteilen können, neigen wir dazu, unsere Bewertung für bare Münze zu nehmen und wenden sie auf die unbekannte Person an. Auch hier ist es gut, um diese Zusammenhänge wissend, ein innerliches Stopp zu setzen und zu prüfen: Wie komme ich darauf? Ergebnis offen!

Unsere körperlichen Reaktionen bewusst wahrzunehmen ist ein wichtiges und sinnvolles Tun! Der nächste Schritt ist ebenso wichtig und sinnvoll, nämlich Abstand zu vorschnellen Kognitionen herzustellen und eine Weile Wachsamkeit walten zu lassen – nach innen und nach außen. So lange, bis wir geprüft haben, womit wir es zu tun haben. Damit erreichen wir eine Erweiterung unserer Freiheitsgrade und wir können besser wählen, wie wir uns verhalten wollen.

Folgendes kennen wir doch, so oder ähnlich: Was raschelt laut im am Wegesrand im Unterholz? Wir erschrecken, nur um danach zu erkennen, dass es sich wieder einmal um eine emsige Amsel handelt, die da arbeitet. Wir „kommen wieder runter“, behalten aber noch für eine Weile eine gesteigerte Aufmerksamkeit. Unsere Reaktion war sinnvoll, es hätte auch etwas weniger Harmloses sein können. Die Reaktion war für unseren Schutz angemessen, ebenso wie die anschließende Überprüfung. Denn diese dient dazu, dass wir nicht in der hohen Erregung verharren, für die es letztlich doch keinen Grund gab.

Haben wir hingegen keine Antennen ausgefahren, mit denen wir mögliche Gefahren erkennen können, sind wir allzu sorglos unterwegs, kann uns das ganz schön in Schwierigkeiten bringen! Wenn wir übersehen, dass uns ein Mensch mit Aggression begegnet und wenn wir uns nicht gestatten wollen, auf „HAB-ACHT“ umzuschalten, bringen wir uns vor möglichen Gefahren nicht in Sicherheit. Wir wissen darum: Manch ein Mensch ist allzu vertrauensselig, will alle Welt für gut halten – aus unterschiedlichen Gründen, leider oft mit üblen Folgen.
Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als unsere Körperreaktionen ernst zu nehmen, wenn wir unserem Sicherheitsbedürfnis entsprechend in der Welt orientiert sein wollen.

Schwierig? Wie das alles unter einen Hut bringen? Vorschlag:

  1. Eine innere Haltung entwickeln, die  sowohl für unsere Umwelt als auch für unsere eigene physische Reaktion eine neugierige und wache Aufmerksamkeit zulässt.
  2. Üben eines konzentrierten Innehaltens, mit Interesse und der Bereitschaft, Neues zur Kenntnis zu nehmen.
  3. Bewertungsprozesse vorzunehmen und Einschätzungen zu prüfen.
  4. Sich für Annäherung oder Vermeidung aufgrund von geprüftem Behagen oder Unbehagen zu entscheiden.

Richtig oder Falsch kann es da nicht geben. Wir nehmen die Welt und uns selbst mit unserem Organismus wahr, wie er sich in unserem Leben eben entwickelt hat. Wir bewerten unsere Erlebnisse mit unseren Fähigkeiten, so wie sie eben sind. Das dürfen wir. Bewusstheit hilft, neu zu denken und häufiger als bisher unseren Zielen entsprechend zu reagieren.

Eine gute Woche!

Vom Nachgeben und vom Aufräumen

Manche leiden darunter, dass sie sich zu wenig für sich selbst einsetzen. Sie geben zu rasch nach. Sie erfüllen die Wünsche anderer, ohne sich die Zeit zum Abgleich zu geben, ob diese Wunscherfüllung in Konflikt mit den eigenen Wünschen, Zielen oder sogar Werten steht. Damit kann man sich in Teufels Küche bringen, sich als Spielball der Umwelt erleben, den Eindruck gewinnen, sich zunehmend zu verlieren. Wer so das Leben gestaltet, sagt zum Beispiel: Ich mache mich zu wenig gerade.

Da kann es manchmal helfen, genau das über längere Zeit zu praktizieren: Sich gerade machen. Den Leib aufzurichten, hebt den Blick. Da ist es manchmal überraschend, was es da zu sehen gibt! Zum Beispiel sieht A, dass B im Grunde recht gut einmal selbst anpacken könnte und nicht auf As Hilfe angewiesen ist. Dass A schon zu oft den eigenen Krimskrams nicht erledigt hat, weil B so interessante Methoden hat, seinen Krimskrams als dringlicher als den anderer darzustellen. Wohlan B, dann mach hinne, du kannst es! Mach es selbst! So könnte A sagen, wenn A freudig und mutig sich erst körperlich und dann auch geistig im Sich-Gerade-Machen übte. Dieses Angebot könnte A doch annehmen, oder?

Wenn das allein nicht so recht klappen will, sind Sätze manchmal hilfreich: B möchte, dass ich seinen Karren aus seinem Dreck ziehe. Hm, das habe ich nach meinem Geschmack schon zu häufig getan. Ich muss es nicht tun. Ich möchte lieber nicht. Keine Ausrede nötig! Diesmal möchte ich lieber nicht. Mach selber, B!

Zu schwierig? Dann könnte der Weg über die Frage gehen: Sag mal A, wozu machst du das? Wozu gibst du immer wieder nach? Geh mal in dich und prüfe: Willst du gemocht werden? Das ist ja verständlich! Willst du in jedem Fall den Preis bezahlen? Nicht immer? Na dann – siehe oben!

Klingt zu einfach? Nein, einfach ist es nicht, aber machbar. Für sich selbst einzustehen, kann damit beginnen, genau hinzuschauen, wo und wozu genau habe ich heute wieder nachgegeben, obgleich ich mir den Tag, die Stunde, den Moment anders vorgestellt hatte.
Habe alles stehen und liegen gelassen und die Angelegenheiten von B wichtiger genommen als meine. Nicht gut, ist zu oft so. Und vor allem: Die Gründe liegen im Gemocht-Werden-Wollen. Weiter geht’s mit Fragen: Wozu? Wozu immer gemocht werden wollen? Ich muss das so nicht tun. Ich kann mal ausprobieren, ob mir der Himmel auf den Kopf fällt, wenn ich tue, was ich gerade lieber tun will – nämlich mich um mich selbst zu kümmern.

Na, da sind jetzt einige innere Bilder für eine selbstgestaltete kleine Trance-Arbeit aufgetaucht. Sich vorzustellen, da läge ein Karren im Dreck, und man ginge vorbei. Und der Himmel bliebe an seinem Platz. Und man ließe Teufels Küche links liegen und ginge seiner Wege. Und irgendein B wolle eine*n einfangen und zum Spielball machen und man streckte sich zu voller Größe und sagte einfach „Nein“. Und dann ginge man seiner Wege und entdeckte, dass es etwas weniger kuschelig wird, so ohne die Vorstellung: „Wenn ich lieb bin, werde ich gemocht.“ Und da fänden sich neue Erfahrungen: Ein frischer Wind umwehte die Nase, die Luft würde klarer, der Blick weiter und man sähe….
das, was jetzt auftauchte…. interessant!

Ich habe mich gefunden? Womöglich!

Wenn es passt, verweile, verweilen Sie hier ein wenig, vielleicht hörst Du, hören Sie hier auch auf zu lesen.

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So, und nun mal die andere Seite: D möchte nicht gestört werden. D möchte unter allen Umständen so den Tag, die Stunde, den Moment gestalten, wie D sich das vorgestellt hat.
D gibt da selten nach und kann außerordentlich grantig werden, wenn E darauf besteht, dass jetzt etwas anderes dran wäre. Kinder und sehr betagte Menschen können da eine ganz schöne Herausforderung sein!
Manchmal auch die Vertreter der Ordnungsmacht: Nein, Sie können jetzt hier nicht durchfahren, Sie müssen einen Umweg nehmen! D will die Gründe nicht hören, sie/er will hier jetzt ihren/seinen Plänen folgen, na, wenn das mal gut geht! Auch D zahlt Preise:
Der Gegenwind kann heftig sein! Am schlimmsten findet D, dass ein inneres Empfinden von Verhärtung entstanden ist. Nach außen scheint es immer nötiger, die Grenzen zu verteidigen. Die Welt scheint sich aufdrängen zu wollen mit ihren Erfordernissen und D bekommt Angst, nicht zu ihrem/seinem Recht zu kommen.

Hm, ein harter Brocken! Welche Körperhaltung könnte D helfen? Vielleicht wäre mehr Beweglichkeit gut, heimlich, es sieht ja keiner, alberne Hopser machen? Mal die Arme hochwerfen und schwingen lassen, beim Drehen um die eigene Achse?
Da gäbe es Überraschendes zu sehen: Die Welt da draußen bleibt draußen, sie dringt nicht in D ein. D kann Berührung ausprobieren und feststellen: Das Außen bleibt außen, D bleibt bei sich, auch wenn D probiert, etwas ganz anderes zu tun, als D ursprünglich geplant hatte.

D kann sich fragen, wovor sie/er sich fürchtet. Wie realistisch ist es, dass das Befürchtete eintritt? Wie logisch? Ist das immer so? Tut es mir gut, so starr an meinem Plan festzuhalten und damit meine Befürchtungen immer wieder neu zu füttern? Nein? Was wäre anders, wenn ich einmal nachgäbe – und nochmal, was wäre dafür der Preis?
Würde für D alles etwas unübersichtlicher, wenn D den Ansinnen von E oder F häufiger nachgäbe? Ja? Und wäre das schlimm? Könnte D das ausprobieren und schauen, ob D daran Gefallen fände? Was wäre der mögliche Gewinn? Mehr Weichheit in sich spüren? Mehr Verbundenheit? Dann mal wieder „Nein“ zu sagen, geht ja immer.

Die Luft könnte wärmer werden auf diesem Weg, die Sonne könnte häufiger die Wolkendecke durchbrechen, es könnte aber auch mal stürmisch werden. Ist das immer schlecht? Es ist das Leben!

D könnte sich eine kleine Trance basteln und dabei genießen, dass sie/er das ja selber tut. D folgt hier einfach neuen eigenen Plänen. D beginnt in ihrer/seiner Trance vielleicht damit, aufzuräumen:

D öffnete einige Schachteln, Dosen und Tüten und schaute, ob dies noch gebraucht wird, ob jenes das Verfallsdatum überschritten hat, ob etwas die Sicht versperrt, ob sich da neue Räume auftun, wenn dies und jenes weggeworfen wird, Platz geschaffen wird für Neues. Mal ausputzen. Nur weil es da schon seit Jahren herumliegt, muss es nicht bleiben.

Aber sieh da, D findet in der hintersten Ecke etwas, was D längst vergessen hatte: Da liegt Ds Freundlichkeit. Welche Farbe hat sie? Welche Form? Wie ist das Material? Will D sie mal anfassen? Die Temperatur erkunden? Macht sie Geräusche? Hat sie einen Duft? Was will D damit anfangen?
Der Anfang ist längst gemacht!

Eine gute Woche!

Einige Gedanken zu Konflikten

Einige Gedanken zu Konflikten

Konflikte sind nicht per se unangenehm. Sie werden unterschiedlich bewertet und erlebt. Man kann auch Spaß daran haben. Manche genießen auch den Nervenkitzel dabei. Endlich Leben in der Bude! Naja, das läuft von allein.
Sprechen wir hier und heute über als unangenehm erlebte Konflikte. Solche, wo Verletzlichkeit empfunden wird.
Da hilft es oft, die eigenen Denkstile zu kennen!

Nehmen wir an, eine Person C habe weniger Probleme damit, die Abstandsregeln einzuhalten, als bestimmte Menschen in ihrer Umgebung. Sie ist soweit zufrieden. C arbeitet im Home-Office, sie hat sich recht gut mit einem Wochenplan auf die neue Situation eingestellt. Sie achtet auf Pausen, hat mit der Chefetage geklärt, dass ein ungebremster Zugriff auf ihre Zeit in dieser Situation genauso wenig zielführend für gute Arbeitsergebnisse ist, wie es dies im Büro der Firma wäre. Dass es sich hingegen in der Vergangenheit für alle Beteiligten als hilfreich und ertragreich erwiesen hat, C in Ruhe ihre Arbeit machen zu lassen. Sie kann sich gut organisieren und verfolgt die Belange der Firma mit Engagement.

Die meisten privaten Beziehungen hat C einvernehmlich gestalten können: Kein persönliches Treffen, bis die Lage sich nachhaltig geändert hat, dafür aber durchaus häufiger und zum Teil sogar intensiver als zuvor. An einigen Punkten entwickelten sie zusammen eine stärkere Offenheit und Nähe. C erlebte, wie viele kreative Ideen von ihr zum Teil begeistert aufgenommen wurden. So schicken sich Freund*innen selbst gestaltete Postkarten. Eine Kollegin versendet immer mal wieder kleine Gedichte. Eine hat eine neue Seite in Social Media aufgemacht, wo nun geteilt wird, was gut tut in schwieriger Zeit. C hat entdeckt, dass sie mit ihren Ideen, einen komplexen Alltag  mit all seinen Beschränkungen zu gestalten, gut aufgenommen wird.

Eine hochkompetente Person also.

Dieses Kompetenzerleben bricht leider regelmäßig ein, wenn Cs Mutter ihre Bedürfnisse C gegenüber verfolgt.

Schon vor Covid-19 kam M in etwa so zu Besuch: Ich teile dir hiermit mit, dass ich am Freitag um 11.00 Uhr bei dir sein werde. Ich denke, es ist mal wieder an der Zeit, seine Mutter zu sehen, nicht wahr?

Das war schon immer für C ein Problem, mit dem sie weniger gut zurechtkam – nun wird es zum Konfliktstoff für sie, der heftig ist. Denn: C achtet auf Abstand. Wir wissen nicht, ob sie selbst eine sogenannte Risikoperson ist, wir wissen nicht, ob es ein hoch ausgebildetes Verantwortungsbewusstsein und Wertesystem ist, das es ihr ermöglicht, Zurückhaltung zum Schutz anderer zu üben.

Wir sehen ihr dabei zu, wie sie so lange zufrieden ist und mit sich im Reinen, bis Mutter ihren Besuch ankündigt.

Alles Mögliche geht C durch den Kopf – sie findet es nicht richtig, dass M kommt, sie möchte es lieber nicht. C prallt mit Gegenvorschlägen ab – an kleinen Videos mit irgendeinem technischen Hilfsmittel übermittelbar hat M kein Interesse. Lieber mal öfter zu telefonieren, findet zwar Ms Zustimmung, aber nur als Zusatz zum Besuch. Sie will ihre Tochter bei ihr zu Hause antreffen, basta. Nein, nicht draußen, das ist ihr zu kalt und auch nicht intim genug, und sie will ja auch den Eintopf zum Mittag mitbringen.

Wie können wir C helfen?

  1. C könnte sich zunächst ein Schlimmstenfall-Szenario ausmalen, das daraus entstehen könnte, wenn sie M klipp und klar ausladen würde.

M könnte so gekränkt und wütend reagieren, dass sie den Kontakt abbrechen würde.

M könnte einen Herzanfall erleiden und daran sterben.

M könnte alle Menschen, die sie kennt, darüber informieren, was sie für eine schreckliche Tochter hat, und man würde mit dem Finger auf sie zeigen, sie schneiden für den Rest ihres Lebens.

C würde sich selbst dafür fertig machen, dass sie so herzlos war.

C fiele bestimmt noch mehr ein!

Nachdem sie das aufgeschrieben hätte, könnte C die einzelnen Punkte darauf abklopfen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit dafür wäre, dass dies so einträte und sie würde erkennen können, wie sie die möglichen Auswirkungen auf sich bewerten will.

Als nächstes könnte sie sich das Schlimmstenfall-Szenario ausarbeiten, das aus dem gestatteten Besuch wider Willen erwachsen könnte.

Sie selbst würde sich als macht- und einflusslos erleben und niedergeschlagen reagieren, was ihre Erfolge in anderen Bereichen schädigen könnte.

Sie könnte M anstecken, sie war gestern beim Arzt, man weiß ja nie. M könnte sterben.

Sie selbst könnte sich bei ihrer sorglosen Mutter anstecken, schwer erkranken, man weiß es nicht vorher, die Folgen könnten sie ein Leben lang begleiten.

Eine wichtige Arbeit könnte sie dann nicht fertig machen.

Sie würde sich selbst dafür fertig machen, dass sie wieder nachgegeben hat.

Sie schreibt wieder alles auf, malt sich in kräftigen Farben aus, was sein könnte, schaut, ob sich Argumente zusammen fassen lassen, prüft auch hier auf Wahrscheinlichkeit und darauf, was die möglichen Konsequenzen für sie bedeuten würden.

2. Wenn C daraufhin noch kein Ergebnis für sich findet, kann sie eine Ja-Nein Liste mit den übriggebliebenen Argumenten aufschreiben und diese mit Punkten bewerten und gewichten. Wo schlägt die Waage aus? Vielleicht wird es schon etwas klarer für C.

Aber C ist noch ambivalent.

3. Nun arbeitet sie an den möglichen Gewinnen ihrer beiden Alternativen.

Wenn M kommen darf, wird sie leidlich zufrieden reagieren, bis zum nächsten Mal. Immerhin, ein kleiner äußerer Frieden.

Und C will ja auch nicht, dass es M schlecht geht. Auch ein kleiner innerer Frieden.

Sie muss an dem Tag nichts für sich kochen, der Eintopf ist durchaus ganz lecker.

Sie erlebt sich als jemand, der stark genug ist, auch mal die Bedürfnisse anderer wichtiger zu nehmen als die eigenen.

Wenn sie hingegen M lieber abweist, könnte M eventuell auch einen neuen Weg für die gemeinsame Beziehungsgestaltung entdecken, sie will ja wohl keinen Abbruch. Es könnte sich etwas Neues für sie beide daraus entwickeln.

C könnte den Tag nach ihren ursprünglichen Planungen gestalten.

C erlebte sich als unabhängiger und selbstwirksamer als bisher in dieser Beziehung.

Auch hier prüft C, so wie in 1. Und gewichtet wie in 2.

4. Nehmen wir an, C entscheidet sich nun für das „Nein“ zum Besuch, weil ihre Überlegungen sie dorthin geführt haben.

Nun weiß sie noch lange nicht, wie sie es durchsetzen will.

Als erstes erlaubt sich C, die restlichen ambivalenten Gedanken zuzulassen. Es war nicht einfach reiner Quatsch, M bisher nachgegeben zu haben. Dafür hatte sie Gründe. Nun aber hat sie eine veränderte Bewertung entwickelt und will das in Handlung umsetzen.

Mit diesen Gedanken der Selbstakzeptanz für das, was bisher war, und dem was nun sein soll, macht C eine Übung:

Sie schreibt sich einige für sie stimmige und wichtige Sätze auf, mit denen sie M ihre Entscheidung mitteilen will.

Diese Sätze sagt sie leise, so vor sich hin, mit eingezogenem Kopf und krummem Rücken. Schutzlosigkeit fantasierend.

Danach sagt sie dieselben Sätze passend laut, mit aufrechter Haltung, erhobenem geradem Blick, gutem Stand, und dabei beweglich, freundlich atmend, eine Schutzhülle fantasierend. Es wird kommen, was kommt, sie lässt zu sich hinein nur, was sie möchte. Auch das Hinausgehende kann sie kontrollieren, sie hat geübt. Alles, was C von M kennt, kann von ihr erneut gesagt werden, möglicherweise auch Eskalierendes. Es tropft aber an der durchsichtigen Hülle ab.

So verfährt sie einige Male, bis sie sich als kraftvoll wahrnimmt und greift zum Hörer.

Sollte es beim ersten Mal noch nicht klappen wie gewünscht, wird C ein zweites Mal zum Hörer greifen.

C muss das so nicht machen. Sie kann finden, das sei aber sehr aufwändig. Das ist in Ordnung. Vielleicht ist sie aber auch neugierig auf neue Erfahrungen mit sich und ihrer Denkweise. So wie ich sie kenne, ist das so.

Das geht übrigens mit jedem Konflikt, der zu schwächen droht, gar ängstigt. Man muss es nicht, man kann es mal probieren. Die einzige Gefahr ist, es könnte wirken. Grins.

Eine gute Woche!

Missmutig? Missgelaunt? Miesepetrig?

Nur mal angenommen, das käme Ihnen / Dir bekannt vor, das wäre womöglich schon mal so gewesen: Für den Fall möchte ich Ihnen / Dir vorschlagen, etwas dagegen zu unternehmen, spätestens wenn es wieder so einzutreten droht, etwa so wie ein nicht eben herbeigesehnter Gast es täte.

Wohlgemerkt, ich spreche gerade nicht von einer Depression. Eine solche wird sich vielleicht schon dadurch klar äußern, dass bei allem Missmut keine Lust, keine Neugier, kein Impuls entstehen will, sich auf etwaige Übungen einzulassen. Dann ist es eventuell angeraten, sich Unterstützung zu suchen, von anderen Menschen, vielleicht Therapeut*innen.

Kann auch sein, Sie finden / Du findest solche Übungen fad, öd, blöd. Dann einfach hier nicht weiterlesen. Das wäre dann ja Quatsch.

Sollten Sie mitmachen, solltest Du mitmachen: Die Übungen sollen Ihre / Deine Stimmung verbessern! Merkst Du, merken Sie, das klappt nicht oder fühlt sich nicht gut an: Hör / hören Sie auf!

  1. Summen. Die eigene Stimme in Aktion zu spüren und zu hören, kann die Laune erheblich anheben. Summen ist meist nicht vom Anspruch, dass die Töne stimmen, begleitet. Summen kann man einfach so.
  2. Chanten: Silben auf einer Tonhöhe im wechselnden Rhythmus und in wechselnder Lautstärke zu chanten, welche immer Dir / Ihnen einfallen, kann ebenfalls die Laune verbessern, man kann dabei albern werden, ins Kichern übergehen, sogar lauthals lachen. Man kann auch ganz meditativ und innengewandt werden und einfach sich selbst beim Silbenchanten zuhören. Beliebt ist OM, es geht mit allem, was Dir / Ihnen einfällt.  Experimentieren ist super! Wirkt sich sssssiiiiii anders aus als mummmmm, täätäätää anders als wuuwuuuwuuu?
  3. Karaoke ist klasse, wenn Du gerne singst, Sie gerne singen. Wenn vor Ort nix dafür da ist: Mitsingen mit den eigenen Platten / CDs geht auch gut, auf dem Cover oder Booklet ist im besten Fall der Text. Macht eh oft Spaß, die ollen Platten / CDs mal wieder durchzustöbern, in Erinnerungen versunken zu sein, ein Lächeln könnte entstehen. Wie? Sie werden / Du wirst noch missgestimmter beim Anblick dieses speziellen Covers? Was hat die Platte dann noch bei Ihnen / Dir zu suchen?

Wenn Sie nun – hoffentlich – schon etwas besser gestimmt sind, Du nun schon besser gestimmt bist, könnten Sie sich / könntest Du Dir noch eine schöne Übung zum Entwickeln einer Ressource gönnen:

SIFT genannt, nach Daniel Siegel: Sensations, images, feelings, thoughts. Übersetzbar mit Spüren, innere Bilder, fühlen, denken, das ergäbe dann auch entweder SIFD oder meinetwegen SPIFD, wenn sich das besser so merken lässt.

Was soll das Ganze?

Beginnen wir damit, was am leichtesten fällt! Die einen haben gleich ein inneres Bild für ein Wohlgefühl, die anderen eher einen guten Gedanken, wieder andere gleich das Gefühl, noch andere das körperliche Spüren. Die Reihenfolge ist nicht wichtig.

Im Ergebnis wäre so ein SIFD zum Beispiel:

Warme Füße

Die Sonne scheint ins Zimmer.

Froh

Ich bin zuhause.

Oder:

Freier Atem

Auf dem Berggipfel stehen.

Glücklich

Ich habe die Übersicht.

Oder:

Weiche lockere Muskeln

Nach dem Sport die Beine hochgelegt.

Gelassen

Ich bin stark und entspannt.

Oder… oder…

Na? Mal ausprobieren?

Wenn Sie was gefunden haben / Du was gefunden hast, was Dir / Ihnen gefällt, Dann ist es nützlich, es aufzuschreiben, es an den Spiegel zu pinnen, es in den Geldbeutel zu stecken. Kosten Sie / koste es aus, wann immer Du draufschaust / wann immer sie draufschauen – und prüfe / prüfen Sie mal, ob es verwendbar ist, wenn da grad ein ungeladenes Missbehagen Raum haben will! Vielleicht bleibt der Eindringling nicht so lange.

Eine gute Woche!

Atmen für die Gesundheit, auch die der Psyche

Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, die Gesangspädagog*innen trällern es, die Mediziner*innen sprechen eindringlich davon: Unsere Atmung soll, damit sie gesund und gut für uns sein kann, nicht nur im Brustkorb stattfinden! Es soll hier heute deshalb einmal um unsere Bauchatmung gehen.

Die Bauchatmung ist durch unser Zwerchfell gesteuert. Wenn wir es zulassen, darf sich der Bauch beim Einatmen nach außen wölben, dadurch haben die Bauchorgane viel Platz, wenn sich das Zwerchfell anspannt. So ist es nämlich, wir haben es vielleicht in der Schule gelernt, es spannt sich an, wird flach und bewegt sich dabei nach unten in den Bauchraum hinein. Es zieht die Lunge, die mit ihm verbunden ist, mit sich, und die Lunge hat mehr Raum, sich mit frischem Atem zu füllen. So ist es beim Einatmen.
Beim Ausatmen darf es entspannen, es geht zurück in seine nach oben gewölbte, natürlich lockere Form. Die Luft wird nach außen losgelassen, bis zum nächsten Einatmen.

Das Zwerchfell: Beim Einatmen flach und gespannt, Beim Ausatmen nach oben gewölbt und locker.

Eine gute Bauchatmung hilft der Lunge nicht nur bei der Sauerstoffaufnahme und der der Kohlenstoffabgabe, sondern auch bei der Immunabwehr, beim Auflösen von Blutgerinnseln, dem Kreislauf, besonders dem Rückstrom des Blutes zum Herzen, bei der Entspannung des Körpers und der Psyche. So sagen Ärzt*innen und Yogalehrer*innen.

Am einfachsten übt sich die Zwerchfellatmung im Liegen, flach auf dem Rücken. Dabei ist es gut, die Beine so anzuwinkeln, dass die Fußsohlen Kontakt zur Unterlage haben. Mit den Händen auf dem Bauch lässt sich die Atembewegung gut spüren. Beim Einatmen wölbt sich der Bauch nach außen, das Zwerchfell spannt an und wird flach. Beim Ausatmen wird der Bauch locker und flach, das Zwerchfell locker und in den Brustraum hinein gewölbt.
Nachdem uns das vertraut ist, können wir es auch ganz gut im Sitzen üben.
Und dann können wir es auch bald schon in jeder Körperhaltung!

Übrigens: Ständig den Bauch einzuziehen ist ganz schön hinderlich hierfür!

Wir können diese Bewegung ganz gut unterstützen, indem wir die Hände so vor uns mit den Fingern verschränken, dass die Handrücken zum Körper zeigen. Beim Einatmen strecken wir die Ellbogen und Arme, dann werden die Hände zu einem flachen Teller: Anspannung. Nehmen wir die Ellbogen beim Ausatmen zurück in die angewinkelte Position, wölben sich die Hände zu einer Schale.
Beim Einatmen Strecken der Arme, beim Ausatmen locker zurückführen, die Hände wölben sich, sind entspannt wie das Zwerchfell.
Beim Einatmen wird das Herz etwas schneller schlagen, beim Ausatmen etwas langsamer.

Wer mag, verbindet diesen Rhythmus mit zwei unterschiedlichen Vorstellungen:
 – Beim Einatmen die Vorstellung von Autonomie, der unabhängigen Seite des Selbst.
 – Beim Ausatmen die Vorstellung von Verbundenheit, unserer Geborgenheit suchenden Seite

  • Beim Einatmen durch die Nase der Gedanke an das aktive Ich
  • Beim Ausatmen aus dem leicht geöffneten Mund der Gedanke an das Ich, eingebettet im Wir

Nicht zu schnell bitte, sonst wird es dem Nervensystem zu bunt!

Gute Bilder vom alleinigen Ich können sein: Als Kind im Spiel mit Glasmurmeln, ganz vertieft, beim Bauen mit Lego, beim Malen, Singen, ganz für sich – oder für die Sportlichen unter uns beim schnellen Sprint, beim langen Lauf, beim Ziehen der Bahnen im Wasser.

Gute Bilder vom Sein im Wir können sein: Gemeinsames Singen im Kreis, Spaziergang mit Freund*innen, zusammen Blumen pflanzen, mit lieben Menschen in den Sternenhimmel schauen.

In beidem kann Sicherheit empfunden werden.

Ist das Ich allein, so ist es das für den Moment. Es findet etwas Neues heraus und will es andern mitteilen.

Ist das Wir im guten Abstand zueinander, lässt es dem Ich seinen Raum.

Atmen.

Eine gute Woche!