Eingedenk der Tatsache, dass häusliche Gewalt nicht nur von Männern an Frauen ausgeübt wird, entscheide ich mich für die Sprachform, die abbildet, dass es sich in der weit überwiegenden Anzahl der Fälle allerdings genauso verhält.
Gewalttätigkeit in Partnerschaften oder auch nach beendeter Partnerschaft kann durchaus unerwartet auftreten.
Eine Partnerin verlässt den Partner, es gibt ein anscheinend vernünftiges Trennungsgespräch, vielleicht verläuft auch die Durchführung der Trennung noch vernünftig, sogar kameradschaftlich. Und dann steht plötzlich spät abends, sie kommt von einer lustigen Runde im Bekanntenkreis, fühlt sich beschwingt, ihr Ex-Partner vor der Tür. Und er zeigt ganz andere Seiten seiner Persönlichkeit…
Eine langjährige Partnerschaft verläuft im ruhigen Fahrwasser, als die Partnerin sich dringlich Veränderungen wünscht, vielleicht Freunde treffen möchte, ohne ihn dabei zu haben. Beide sprechen vernünftig und alles scheint sich gut zu entwickeln, als er sie eines Abends, es wurde später, hoch erregt und angetrunken empfängt…
Rückblickend entdecken die Frauen Anzeichen – oder auch nicht. Frauen sollten sich darüber klar sein, dass eine Krise Verhaltensweisen und psychische Befindlichkeiten bei ihrem Partner, wie bei jedem Menschen, hervorbringen kann, die in Gewalttätigkeit enden. Es wird auf jeden Fall ihre Sicherheit erhöhen, wachsam zu sein. Und ja, es sind auch manchesmal liebe und freundliche, sanfte Männer, die ihre anderen Seiten zum Schaden der Frau zeigen. Ich beginne bei meiner Aufzählung mit dem Offensichtlichen, es folgen Beziehungskonstellationen, die von Frauen oftmals nicht als Ausübung von Gewalt gesehen werden, sondern für sie eher seine Unsicherheit oder Verletztheit abbilden. Das ist nachvollziehbar und es kann gefährlich werden. Ich übernehme den Text aus meiner Fortbildung, etwas gekürzt. Es beginnt erschreckend. Sollten Sie / solltest Du betroffen sein, lies hier erstmal nicht weiter, sondern überlege gut, in welcher sicheren Umgebung Du dies tun möchtest!
Körperliche Gewalt
An diese Form der Gewaltausübung wird am ehesten gedacht, wenn von häuslicher Gewalt die Rede ist. Sie wird leichter als andere Formen als Menschenrechtsverletzung anerkannt. Schlagen, stoßen, treten, mit Gegenständen werfen, verbrühen, verbrennen, würgen, mit Gegenständen und Waffen verletzen. Als körperliche Formen von Gewalt kann auch gesehen werden, wenn die ärztliche Versorgung von Verletzungen verhindert wird oder Betroffene gezwungen werden, Erbrochenes zu sich zu nehmen oder ihnen unter Zwang Alkohol oder Drogen eingeflößt werden.
Tödliche Gewalt / Femizid
Vor allem Angriffe gegen den Hals und Angriffe mit Waffen können letztendlich töten. Laut Bundeskriminalamt wurden im Jahr 2018 in Deutschland 122 Frauen von ihren Partnern oder Ex-Partnern umgebracht. Tödliche Gewalt ist eine sehr geschlechtsspezifische Gewalt.
Zum Vergleich: Im Jahr 2018 wurden 22 Männer von ihren Partnerinnen getötet.
Unter einem Femizid wird entsprechend der WHO-Definition der Mord an Frauen aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit verstanden. Er unterscheidet sich von „Gewalt gegen Frauen“ dadurch, dass er ein beabsichtigter Mord an einer Frau ist.
Die Gründe für einen Femizid können einen intimen, kulturellen, traditionellen oder religiösen Hintergrund haben. Die Gewalttat wird überwiegend von einem Partner oder Ex-Partner verübt. Hierzu gehören aber auch Morde im Namen der Familienehre durch Familienangehörige.
Psychische Gewalt (manchmal auch seelische oder emotionale Gewalt genannt)
Diese Gewalt wird vom sozialen Umfeld, aber auch von professionell Verantwortlichen nicht immer in ihrem gewaltförmigen Charakter erkannt oder erst spät als schädigend wahrgenommen. Sie kann verbal sein: anschreien, beleidigen, bloßstellen, herabwürdigen, ängstigen, beschuldigen, mit Konsequenzen, Verletzung oder Tod bedrohen. Sie kann in Handlungen bestehen, die zermürben, wie Schlafentzug oder sie kann gefährden, wie das Vorenthalten von Medikamenten. Sie kann in Handlungen bestehen, die Betroffene irritieren und verunsichern sollen, sodass sie an ihrer Wahrnehmung zweifeln (Gaslighting) und ihnen das Gefühl vermittelt wird, verrückt zu werden. Sie kann bedeuten, dass ein bestimmtes Verhalten erzwungen oder untersagt wird, dass Kinder (auch mit Gewalt) als Druckmittel benutzt und Haustiere gequält oder getötet werden.
Diese Gewalthandlungen sind oft schwer nachweisbar. Sie führen auf Dauer zu schweren Schädigungen der psychischen und physischen Gesundheit.
Psychische Gewalt kann unabhängig von körperlicher Gewalt auftreten: In jeder 7. bis 8. Beziehung, in der psychische Gewalt vorkommt, wurde keine körperliche Gewalt benannt (BMFSFJ, 2004). Es kommt jedoch deutlich häufiger vor, dass beide Gewaltformen miteinander verknüpft sind.
Sexuelle Gewalt
Da es sich bei häuslicher Gewalt um Gewalt in (ehemals) intimen Beziehungen handelt, erstaunt es, dass der hohe Anteil sexueller Gewalt häufig nicht mitgedacht wird. Von sexuellen Beleidigungen über sexuelle Belästigung bis zu Vergewaltigung, auch in Form von Zwang zu ungewollten sexuellen Handlungen, findet sich das ganze Spektrum sexueller Gewalthandlungen.
Sexuelle Gewalt ist besonders schambesetzt und wird häufiger verschwiegen. Hierbei spielt auch eine Rolle, dass Frauen oft der Meinung sind, ihr Partner habe einen Anspruch auf sexuelle Befriedigung.
Soziale Gewalt (wird manchmal auch der psychischen Gewalt zugerechnet)
Häusliche Gewalt muss in ihrer Mehrheit als Kontrolldelikt und Freiheitsdelikt erkannt werden. Betroffene werden eingesperrt, überwacht, bespitzelt, mit übermäßiger Eifersucht kontrolliert, ihnen wird der Kontakt zu Freund*innen, Verwandten oder zur Nachbarschaft erschwert oder verboten. Bei Besuchen von Eltern oder Freund*innen werden diese beschimpft oder bedroht, um den Kontakt abbrechen zu lassen, was zur Isolation führt. Sie werden gehindert, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, eine Schule zu besuchen oder Sprachkurse zu belegen. Sie werden in unterschiedlichen Aspekten des täglichen Lebens bevormundet und kontrolliert – wie sie sich anziehen, was sie lesen oder schauen, wie sie Hausarbeit machen und Kinder erziehen.
Diese Form der Gewalt erschwert oder unterbindet Hilfesuche im sozialen Umfeld und auch im Hilfesystem.
Ökonomische Gewalt
Zu dieser Form der Gewalt zählen sowohl der Zwang zur Aufnahme einer (bestimmten) Erwerbstätigkeit als auch deren Verbot, das Wegnehmen des Verdienstes oder anderer Einkünfte, das Zuteilen von Geld und die Kontrolle aller Ausgaben, Verweigern des Zugangs zu einem gemeinsamen Konto bzw. Verbot, ein eigenes Konto zu führen, Schulden im Namen der Betroffenen machen bzw. zur Unterschrift unter Kredit- oder Kaufverträge zu zwingen.
Diese Form der Gewalt führt zu ökonomischer Abhängigkeit oder auch Verschuldung und kann eine Flucht aus der Gewalt unmöglich erscheinen lassen. Nach einer Flucht befinden sich Betroffene dann in prekären Lebenslagen bzw. in Armut, was den Aufbau einer neuen, unabhängigen Existenz erschwert. Auch schützende Maßnahmen können durch ökonomische Not eingeschränkt werden, wenn z. B. ein Umzug in eine andere Stadt, ein Alarmsystem oder ein eigenes Auto nicht bezahlt werden können.
Reproduktive Gewalt
Unter dieser Form der Gewalt werden erzwungene Schwangerschaften oder Abtreibungen verstanden bzw. der Zwang zur Empfängnisverhütung oder deren Verbot. Zudem die Verweigerung von ärztlicher Versorgung während der Schwangerschaft. Diese Gewalt ist eine Verletzung der reproduktiven Menschenrechte.
Digitale/smarte Gewalt
Die Rolle digitaler Medien ist seit einigen Jahren in ihrer Bedeutung erkannt worden, vor allem, wenn es um Kontrolle und Überwachung geht: Nachverfolgen, ausspionieren, ständig anrufen und überprüfen, auf dem Mobiltelefon kontrollieren, mit wem gesprochen oder geschrieben wurde, digitale Überwachung von Wohnräumen durch versteckte Kameras oder Mikrophone, Kontrolle der Smart Home Geräte.
Hier wird teilweise die Grenze zu Stalking überschritten.
Stalking/Nachstellung
Stalking ist nicht spezifisch für häusliche Gewalt, kommt jedoch häufig nach der Trennung eines Paares vor. Unter Stalking wird das Belästigen und Bedrohen einer Person gegen deren erklärten Willen verstanden, z. B. durch Verfolgen und Nachstellen, aber auch durch Telefonanrufe (Telefonterror), Droh-SMS und E-Mails (Cyberstalking), Auflauern und Überwachen. Dazu gehören auch Verhaltensweisen wie das ständige Schicken ungewollter Geschenke oder das Bestellen von Waren oder Dienstleistungen auf den Namen der betroffenen Person. Stalking ist inzwischen ein eigener Straftatbestand (§ 238 StGB) und trotzdem oft schwer nachweisbar.
Stalking durch einen getrennten Partner Form ungewünschter Liebeserklärungen, Bitten um Rückkehr und Wiederaufnahme der Beziehung wird von Außenstehenden oft nicht als in dem Maße verstörend und ängstigend erkannt, wie es von Betroffenen erlebt wird, die hunderte solcher Nachrichten täglich bekommen. Diese zunächst als nicht gefährdend betrachtete Vorgehensweise geht dann in Drohung und aggressive Verfolgung über.
Breite Überschneidungen mit psychischer Gewalt sind erkennbar.
Ausatmen! Mir geht es beim Lesen so, dass mir deutlich wird, wie vieles davon ich kenne, aus eigenen schwierigen Partnerschaften, und solchen aus meiner Umgebung. Und nein, das kommt nicht nur in bestimmten gesellschaftlichen Kreisen vor!
Es kann gefährlich sein, übersehen zu wollen, kleinzureden, zu verleugnen, was geschieht. Helfen wir uns und helfen wir anderen, zunächst einmal, indem wir offene Augen und Ohren haben!
Eine friedvolle Woche!