Gedanken über Geschenke

Wenn sie mit einem Geschenk überrascht werden, sagen manche: „Ach, das wäre doch nicht nötig gewesen!“ oder: „Du musst mir doch nichts schenken!“ oder „Wofür ist das denn?“

Wem das bekannt vorkommt, könnte versuchen, sich solche Situationen in Erinnerung zu rufen. Was war wohl die Grundlage für diese Reaktion? Wer das von sich selbst kennt, könnte überlegen:

War es die Vermutung, das Geschenk war mit Hintergedanken des / der Schenkenden gebracht? Der Gedanke, jemand erwarte dafür eine Gegenleistung, einen Gefallen? Gab es die Befürchtung, dann nicht „Nein“ sagen zu mögen, den unangenehmen Eindruck, zu etwas verpflichtet zu werden?
War da etwas wie Beschämung? Oje, und ich bringe nie etwas mit, wie peinlich?
Gab es die Idee, dieses Geschenks nicht würdig zu sein?

Wenn ja, wie schade! Angenommen, die schenkende Person wollte einfach eine Freude machen – und nun das! Nun fühlen sich womöglich alle Beteiligten unbehaglich.

Angenommen, es gab dabei Hintergedanken – na und, mal sehen, wie wir damit dann umgehen wollen! Jemand erwartet Gegenleistungen? Vielleicht nutzen wir die Chance, den Satz „Nein, das möchte ich lieber nicht“ zu üben! Und behalten das Geschenk dennoch. Unvorstellbar?

Wäre es angenehm zu lernen, ein Geschenk einfach anzunehmen? Einfach „Danke“ zu sagen und Freude auszudrücken?
Wäre es denkbar, wie in einer Froh-mach-Kette nun einer anderen Person ein Geschenk zu machen, die damit nicht rechnet, es nicht erwartet?  

Und wie ist es mit einem Kompliment oder Lob? Also einem immateriellen Geschenk. Dafür können wir uns die gleichen Fragen stellen: Kann ich es annehmen und mich dabei wohlfühlen? Einfach „Danke“ sagen und Freude ausdrücken?

Schenkende, so sagt man, haben meist ein frohes Gefühl, einfach durch das Schenken. Es tut ihnen gut. Wenn mir jemand sagt „Du musst mir doch nichts schenken!“ antworte ich: „Nö, musst ich nicht, wollt ich aber!“ Wenn es gut läuft, lachen wir dann beide zusammen.

Klar, es gibt Geschenke, die passen nicht. Einer Veganerin sollte ich lieber keine schöne Hühnersuppe mitbringen, nachdem ich gehört habe, sie sei erkältet. Ich hätte es gut gemeint, aber nicht an die Empfängerin gedacht. Doof! Wenn ich es nicht gewusst hätte und sie wiese das Geschenk zurück, dann könnte ich sagen: „Ok, jetzt weiß ich Bescheid. Womit kann ich Dir stattdessen etwas Gutes tun?“

Es gibt unverdientes Lob: Ich habe diese Extraarbeit nicht gemacht, zu diesem tollen Ergebnis nicht beigetragen, dann könnte ich sagen, wem das Lob statt meiner gebührt.

Bei Komplimenten ist es in manchen Fällen gut, einmal mehr zu überlegen vor dem Reden. Passt mein Kompliment überhaupt zu den Werten und Zielen des Gegenübers?
Und was mir gerade auffällt, muss dem Gegenüber nicht unbedingt gleich bei der Begrüßung um die Ohren gehauen werden. „Ey, hast du aber abgenommen, toll!“ Vielleicht hatte die übergewichtige Bekannte gerade mal nicht an ihr Gewichtsproblem gedacht, sondern sich einfach über das Zusammentreffen gefreut.

Mir scheint, es ist im Grunde einfacher, Geschenke, Lob, Komplimente anzunehmen oder gegebenenfalls zurückzuweisen, frei und unverblümt, als welche zu machen.

Wenn das für Sie, für Dich nicht stimmt: Denk / denken Sie mal zurück an die Kindertage, wie war es da mit Geschenken, mit Lob und Komplimenten? Liegt da die Entstehungsgeschichte etwaiger Probleme mit dem Beschenkt-Werden? Ungünstige Vorbilder, ungünstige Erziehungsgrundsätze?

Huh, in meinem inneren Ohr taucht gerade der scharf gesprochene Satz auf: „Und, wie sagt man?“ Da sollte die kleine Ulrike gefälligst sofort „Danke“ sagen, noch vor dem Auspacken! Schon mal Freude heucheln auf gut Glück… Das muss die Große so nicht mehr machen! Puhh!

Eine gute Woche!