Nein, ich komme jetzt nicht mit Vorschlägen wie „Gehen Sie raus an die frische Luft!“ oder „Treiben Sie Sport!“ oder „Gehen Sie mehr unter Leute!“ um die Ecke (Letzteres ist eh im Moment heikel). Wobei es natürlich vollkommen in Ordnung ist, raus an die Luft zu gehen. Es reicht allerdings meistens nicht aus, wenn die Gedanken schwarz und die Gefühle schwer sind.
Was ich meine ist: Wenn Sie Ihre Depression in Art einer Selbsthypnose selbst herbeiführen würden, könnten Sie dies als Kompetenz erleben. Wenn ich mich hinein hypnotisieren kann, kann ich auch wieder heraus. (Diesen Zugang zum depressiven Erleben verdanke ich Gunther Schmidt.)
Achten Sie auf die Bilder oder Szenen, die Sie verwenden, um Ihr Erleben zu beschreiben:
Ich sehe überhaupt kein Licht am Ende des Tunnels!
Mir fehlt einfach der Mut dazu!
Ich kann diese Gedanken nicht wegschieben!
Ich möchte endlich mal wieder zur Ruhe kommen!
Ich fühle mich wie versteinert!
Mir schnürt sich alles zusammen!
Ich schaffe das nie!
Wenn Sie sich in einem dieser Sätze wiederfinden, oder einen ganz eigenen gefunden haben, malen Sie sich das so richtig aus! Übersteigern Sie ruhig! Keine Angst, Sie machen das, Sie selbst, nicht irgendwas oder irgendwer! Wenn Sie wollen, hören Sie mit der Produktion innerer Bilder auf, wann immer es Ihnen gefällt.
Ich stelle mir mal vor, dieser Tunnel werde mit jedem Schritt, den ich hinausgehen will, länger. Schritt, Schritt, Schritt, Schritt… Ist der denn nie zu Ende? Sehe ich irgendwo was zur Orientierung? Da ist ja nur Dunkelheit, verdammt!
Ich stelle mir mal vor, ich wollte was machen, was ich eigentlich möchte, aber dann immer kneife, bisher jedenfalls, zum Beispiel …. Na, das behalt‘ ich jetzt für mich. Und dann stelle ich mir vor, wie ich wieder und wieder den Antrieb nicht finde, weil meine Befürchtungen überwiegen. Wieder und wieder in der Aktion stocken und aufhören. Und nochmal… nix, und nochmal… nix…
Wollen Sie auch mal damit experimentieren? Seien Sie neugierig, was passiert! Sie als Steinskulptur? Wo stehen Sie denn? Wie ist dieser Ort? Sind da Leute? Was machen die? Sie als Stein können nichts tun! Die Tauben scheißen auf Ihre Schultern …
Sie kommen nicht zur Ruhe? Genießen Sie mal diese Vorstellung mit allen Sinnen: Aufdringliche Geräusche, Gestank, ein saures Aufstoßen, zu helles Licht, oh, diese Hitze – oder Kälte – wer soll denn da zur Ruhe kommen!
Erinnern Sie sich nun an den Anfangsgedanken: Was Sie sich in kräftigen Farben und Formen vorstellen, das machen Sie alles selbst. Es sind Ihre inneren Welten. Darin sind Sie Chef_in!
Und nun können Sie, falls das überhaupt noch nötig ist, sich die auflösenden Szenen ausmalen. Vielleicht haben bestimmte Aspekte Ihres depressiven Erlebens aber auch schon an Farbe verloren, sind irgendwie ausgebleicht, in Grautönen. Es kann auch ein Konturenverlust sein, alles wird leiser oder das Körperempfinden ist ein wenig aufgeweicht worden.
Für mehr davon lassen Sie wieder Ihre Fantasie spielen. Ich stelle mir gerade vor, wie dieser einengende breite Gurt um meinen Leib sich verhält wie alles Textile nach einer Weile: Die Nähte werden morsch und reißen auf. Stückchen für Stückchen.
Naja, falls es Hightec-Stoff ist: Hej, da liegt ja diese Schneiderschere, die hab‘ ich ja ganz übersehen!
Kennen Sie diese Skulpturenkünstler, die auf Plätzen herumstehen? Man fragt sich, wie die das schaffen, regungslos, wie eingefroren, stundenlang stehen sie da, unbeeindruckt von allem um sie herum. Aber nun ja, wenn es einen richtigen Regenguss gibt, alles rennt, rettet, flüchtet, dann sind die auch fix in Bewegung!
Das führt mich zu meinem nächsten Gedanken. (Wenn es bisher gut lief, lesen Sie doch ein andermal weiter, genießen Sie erstmal Ihre Erfolge!!!!)
………………………………………………………………………………………………………
Angenommen, Ihnen gelingt das nicht so recht, in Ihnen regt sich Widerwillen gegen diese Art von Übung, kann ja sein, ich weiß es nicht: Dann probieren Sie doch mal aus, dies durch Stellvertreter erledigen zu lassen, durch innere Stellvertreter!
Mal angenommen Ihr depressives Erleben oder das im Moment aufdringlichste Symptom wäre irgendein Wesen: Wie sähe es aus? … Was würde es machen? … Wie groß wäre es? Wo im Raum würde es sich aufhalten? … Was will es? Wozu ist es vielleicht gut? … Wenn es sprechen könnte, was würde es sagen? …
Können Sie helfen? Was bräuchte es um leichter/ruhiger/offener zu werden? Was wäre gut? Was wäre möglich? Wo könnte es sein, damit es nicht ganz so erdrückend wäre? Könnte es kleiner werden? Was könnte helfen?
Wenn da nichts auftauchen mag, versuchen Sie das Gleiche doch mal mit einer Landschaft! Wie sähe sie aus, die Gegend, in der es depressiv zugeht? Malen Sie es sich richtig gut aus!
Und dann, was braucht es, damit es dort besser wird? ….
Und zum Schluss stellen Sie sich genauso ein Stellvertreterwesen vor, das eine depressive Symptomatik auf keinen Fall erlebt, oder eine Stellvertreterlandschaft, in der alles wohl und gut und angenehm ist und bleibt!
Achten Sie bitte darauf, dass SIE es sind, die / der das gestaltet! Verändern Sie munter drauflos, bis Ihnen Ihre Vorstellung so richtig sympathisch und angenehm erscheint!
Eine gute Woche!