Reden reicht nicht (2)

Haben Sie letzte Woche mal reingeschaut und die Übung ausprobiert, die ich aus dem Kongress-Workshop  mit Gabriela von Witzleben mitgebracht habe? (https://heilpraxis-psychotherapie-roderwald.de/695-2/) Wenn ja, haben Sie den Eindruck, manches dadurch klarer zu sehen? Haben Sie einen differenzierteren Zugang zu Ihrer Gedankenwelt und zu Ihren Gefühlen bemerkt? Hat Ihr Körper reagiert? Die Unterschiede mögen fein gewesen sein oder auch sehr stark – sollte jedoch bei Ihnen die Beobachtung folgendermaßen ausgefallen sein: „Ich merk nix!“ – dann kann  es an Blockaden liegen, die Sie entwickelt haben, deren Sie sich aber nicht immer bewusst sind.

Blockaden, die wir uns selbst basteln, sind es Wert, mal hinzuschauen!

Michael Bohne schreibt darüber in „Bitte klopfen, Anleitung zur emotionalen Selbsthilfe“ (2016, S 44 ff) und in „Klopfen mit PEP, Prozess- und Embodimentfokussierte Psychologie in Therapie und Coaching“ (2016, S. 57 ff).
Er fasst diese Blockaden als Big-Five-Beziehungsblockaden zusammen.

1. Selbstvorwürfe
Fragen Sie sich / frage Dich: Mache ich mir einen Vorwurf? Dieser kann in unserm Zusammenhang heißen: „Ich bin viel zu kopfgesteuert!“ oder „Ich bin viel zu impulsiv!“ oder „Ich bin unfähig für gute Beziehungen“.
In meiner Ausbildung habe ich gelernt, und dies hilft mir auch in meinem persönlichen Leben, dass der erste gute Schritt zur Veränderung darin besteht, sich seine erworbenen Eigenheiten nicht übel zu nehmen. Sie sind da, es gab einmal einen guten Grund, sie zu entwickeln. Bilder, die wir uns von uns selbst machen, haben uns vielleicht einmal ganz gut über eine Hürde geholfen. Wenn sie nun störend geworden sind, müssen wir uns nicht ärgern. Wir können sie zur Kenntnis nehmen, Hallo zu Ihnen sagen, ihnen akzeptierend begegnen. Dann wird der Weg frei für andere Bewertungen unserer selbst, andere Empfindungen, neue Erfahrungen.

Der sogenannte Kopf, also mit dem Gehirn der Teil unseres Körpers, mit dem wir unter anderem Orientierung und Übersicht herstellen können, hat seine gute Berechtigung. Vielleicht ist er nicht immer ein guter Team-Player und könnte ruhig mal etwas mehr mit Herz und Bauch kooperieren? Dann könnten wir zu uns sagen, um Akzeptanz zu erreichen: „Auch wenn ich (noch immer) meist auf den Kopf höre und meine anderen Anteile überhöre, akzeptiere und achte ich mich so wie ich bin!“

Oder wir sind in unseren Augen häufig zu impulsiv für das, was wir im Grunde vorhatten? Auch dafür können wir uns einen Satz überlegen, zum Beispiel „Auch wenn ich häufig übereilt reagiere und noch nicht gelernt habe, eine kleine Denkpause einzulegen, beginne ich allmählich, mich so zu lieben und zu akzeptieren, wie ich bin.“

Und für diejenigen unter uns, die sich schwer tun mit Ihrer Selbstbewertung zu ihren Beziehungen, könnte der Satz so lauten: „Auch wenn ich manchmal denke, dass ich unfähig bin, gute Beziehungen zu haben, liebe und akzeptiere ich mich selbst so gut, wie ich es jetzt kann!“
Wer Erfahrungen mit dem Einklopfen oder dem Einreiben hat, kann dies hier gut anwenden. Es ist aber auch schon sehr spannend, solche Sätze laut zu sagen, vor dem Spiegel womöglich. Es ist oft nützlich, sich solche Sätze aufzuschreiben und in der Wohnung zu verteilen, oder in das Lieblingsbuch, die Geldbörse oder Ähnliches zu legen.
Selbstvorwürfe stehen einer Veränderung im Weg! Deshalb wird hier zuerst hingeschaut!

2. Die zweite Methode, sich selbst zu blockieren, besteht darin, anderen gegenüber eine Vorwurfshaltung einzunehmen. Warum das so ist, wird deutlich, wenn man sich bewusst wird, dass die Veränderung von Faktoren abhängt, die man nicht wirklich beeinflussen kann. Wenn wir erwarten, dass andere, Partner, KollegInnen, Eltern sich ändern, damit wir uns ändern können, machen wir uns zu Opfern. Wenn wir das nicht wollen, wenn wir uns nicht in eine Hilflosigkeit hineinmanövrieren wollen, beginnen wir auch hier damit, uns zu akzeptieren, wie wir sind. Wir haben mit der Vorwurfshaltung einmal angefangen, das ist nun so, wir können es ändern, wenn wir wollen. (Unabhängig davon, wie berechtigt wir unser anliegen dem andern gegenüber finden!)
„Auch wenn ich bisher nicht anders konnte / wollte, als anderen einen Vorwurf zu machen, akzeptiere ich mich so, wie ich bin und lasse nun die Verantwortung für sein / ihr Verhalten / diese Verletzung ganz  bei ihm / ihr.“
Der Zorn auf andere erreicht diese meist nicht wirklich, letztlich schädigen wir uns damit selbst. Das alles heißt nicht, dass wir künftig gut finden sollen, was andere so machen. Wir können uns allerdings davon unabhängig machen! Ein großer Gewinn!

3. Ganz eng verwandt mit der Vorwurfshaltung ist die Erwartungshaltung. Auch hier begeben wir uns mit Wünschen, deren Erfüllung nicht in unserer Macht steht, in eine Abhängigkeit. „Wenn xy endlich damit aufhört, dass….“ – das wird von xy häufig als übergriffig empfunden. Überlege / überlegen Sie, wie häufig hattest Du / hatten Sie mit dieser Strategie schon Erfolg? Und wie oft nicht?
Es kann sehr entlastend für alle Beteiligten sein, wenn wir uns im Loslassen üben! „Ich lasse jetzt meine Erwartungen an meine Eltern voll und ganz los!“ ist zum Beispiel ein ziemlich anspruchsvoller Satz! Eine solche Haltung einzunehmen geht wohl für die meisten nicht mit einem Fingerschnippen mal eben so! Aber welch ein Gewinn, wenn das gelänge! Ich denke gerade, dass die Übung „Perspektivwechsel“ hier weiter helfen könnte.

Ich zitiere daher aus meinem Blog vom 11. März 2019, Experimente (5)

…. „Ich möchte Ihnen nun das Organisationsethische Experiment #63 von Norbert Schermann vorstellen, das Herstellen einer Perspektivwechselmaschine! Es beginnt damit, dass Sie sich zwei verschieden farbige Blätter Papier nehmen und dann jeweils den Mittelkreis ausschneiden. 
(Anmerkung von mir: Für die wenig Bastelgewohnten: Wenn Sie einen Zirkel besitzen, schlagen Sie damit den Kreis, sonst nehmen Sie für den Umriss etwas aus dem Haushalt, das passt. Falten Sie dann das Blatt in der Mitte und schneiden den Halbkreis aus, so ist es einfacher. Wozu dieser Aufwand, habe ich erst gedacht, aber nach einiger Überlegung: Damit stimme ich mich ein, ich nehme mein Tun ernst und gebe ihm Zeit.) 
~ Legen sie die beiden Kreise mit einigem Abstand zueinander auf den Boden.
~ Überlegen Sie eine Situation, in der Sie mit jemandem nicht einer Meinung sind. 
Formulieren Sie dazu eine Frage, der Sie nachgehen möchten.
~ Stellen Sie sich nun auf einen der Kreise und machen Sie sich Ihre Meinung bewusst.
~ Wechseln Sie auf den anderen Kreis und nehmen Sie die Beweggründe, die Perspektive, 
die Argumente und sonstigen Gedanken der anderen Person wahr. 
~ Schauen Sie von da aus auf Ihren eigenen Platz und nehmen Sie wahr, wo die 
Unterschiede sichtbar und spürbar werden.
~ Wiederholen sie diesen Ablauf mehrmals und beobachten Sie, wie sich Ihre Perspektive 
zur Ausgangsfrage verändert.“

Na, mir scheint, das ist genug für heute! Es ist ja wichtig, zu tun, nicht nur zu lesen…. Viel gute Erfahrungen wünsche ich! Bis nächsten Montag, dann liefere ich die zwei letzten Blockademethoden nach!