Reden reicht nicht (3)
Mit meinem heutigen Blog knüpfe ich an die letzten beiden Montagsgedanken an. Grundidee ist, dass die Beachtung und das Einbeziehen des Körpers in der Psychotherapie und auch in der Selbsterfahrung, bei Änderungswünschen im Alltag, wertvolle Wege weisen und bei der gewünschten Veränderung helfen kann.
Es kann jedoch sein, dass die Wege versperrt erscheinen und das Körpererleben sich nicht einstellen mag. Hierbei können Blockierungen im Denken und den inneren Konzepten vorliegen, die M. Bohne als Big-Five-Beziehungsblockaden zusammenfasst. In der letzten Woche habe ich über 1. Selbstvorwürfe, 2. Vorwurfshaltung und 3. Erwartungshaltung geschrieben. Heute ergänze ich um die möglichen Blockaden Inneres Schrumpfen und Loyalitäten.
4. Inneres Schrumpfen
Wie in einem inneren Fahrstuhl rasen wir manchmal in unserer Entwicklung nach unten. (Dieses Bild habe ich bei Gunter Schmidt entlehnt, dazu komme ich an den nächsten Montagen noch.) Kleiner, jünger, hilfloser, ausgeliefert womöglich erleben wir uns, weil uns ein Thema, eine Situation so stark erinnert, dass wir zu vergessen scheinen, wer wir heute sind. Der Chef, die Chefin erscheint uns so machtvoll, weil wir nicht mit unseren heutigen Kompetenzen vor ihr stehen, sondern wieder sieben sind, als uns der Lehrer, die Lehrerin so ausgeschimpft hat. Damals konnten wir nicht antworten, es fehlte uns die Fertigkeit, uns zu erklären und etwas richtig zu stellen. Heute haben wir sie, aber ach, der Fahrstuhl nach unten….. Selbst in der Vorstellung, während wir uns wünschen, das nächste Mal klarer zu kommunizieren und unseren Standpunkt deutlich zu machen, spüren wir förmlich körperlich, wie wir blockiert sind. Dann mag kein Klopfen helfen, keine Begehung unserer Körperzentren Bauch, Herz und Kopf.
Zunächst ist es nötig, zu spüren, dass und wie wir geschrumpft sind. Erst im nächsten Schritt machen wir uns klar, wer wir heute sind. M. Bohne schlägt Sätze vor, mit denen dies gelingen kann: „Auch wenn ein Teil von mir sich immer wieder in solchen Situationen klein und hilflos fühlt, liebe und akzeptiere ich mich so, wie ich bin.“ oder, etwas ausführlicher, „…, würdige und achte ich alle meine Anteile und ihre besonderen Kompetenzen und Fähigkeiten und lade sie ein, sich unterstützend und hilfreich allen anderen Teilen gegenüber zu verhalten….“ Wir erinnern uns: Es wird uns nicht weiter bringen, wenn wir die unterschiedlichen Seiten unserer Selbst ablehnen, verurteilen und eliminieren wollen. Akzeptanz dessen, was ist, kann frei machen für alles, was auch ist. Die Selbstakzeptanz-Sätze können „eingekurbelt“ werden, kreisende Berührung des sogenannten Selbstakzeptanzpunktes (M. Bohne): Der Punkt der linken Körperhälfte unterhalb des Schlüsselbeins ist leicht zu finden, er reagiert etwas schmerzhafter als seine Umgebung auf Druck.
Sich danach spürbar klar zu machen, wie und wer wir heute sind, kann gut gelingen, wenn wir für die jüngere Seite in uns einen eigenen Platz am Boden legen. Wir benennen den Punkt, weisen ihm das gefühlte Alter zu und wechseln auf diesen Punkt. Wer dies ausprobiert, kann es unter Umständen gut spüren, wie sie / er kleiner wird, die Stimme sich ändert, der Blick nach außen. Das erneute Wechseln auf den Ursprungsort des Heute macht es leichter zu erleben, aha, das war damals, heute habe ich soviel mehr zur Verfügung, all meine Erfahrungen und die Erlebnisse, die mir durch mein Leben geholfen und mich gestützt haben, das kann mir ja niemand nehmen! Manch eine/r richtet sich auf an diesem Punkt, wächst. Es kann sein, dass dieses Spüren bei Ihnen ganz deutlich ausfällt, es kann sein, es ist fein und minimal, alles was Sie erleben, Du erlebst, ist ok und weist den Weg.
5. Loyalitäten
Es kann sein, dass wir innerlich Menschen gegenüber loyal sind, die uns scheinbar den Auftrag gegeben haben, nicht so glücklich, erfolgreich oder zufrieden und gesund zu sein, wie wir sein könnten. Wir glauben, es dürfe uns nicht besser gehen, als es diesen Personen zu gehen scheint. Wir oft habe ich gehört, dass jemand so übergewichtig sei wie die Mutter und die hat schon gesagt, sie habe das genau wie die Oma. Das Gleiche kenne ich von Migräne, bei mir selbst zum Thema Unsportlichkeit, bei vielen zum Thema Mathematik… und und und. Ich vermute, Genetik spielt herbei die geringste Rolle. Der Mensch wollte verbunden sein und hat sich ein entsprechendes Selbstbild gebastelt. Heute (noch) sinnvoll?
Da gibt es die Loyalität dem Partner gegenüber, nicht allzu erfolgreich im Job zu sein. Da gibt es die Loyalität den Kollegen gegenüber, nicht allzu deutlich besser mit den Aufgaben zurecht zu kommen, als diese es von sich selbst äußern. Sinnvoll? Ist es sinnvoll, anderen zuliebe zu leiden, die Fähigkeiten nicht zu entwickeln, die uns zur Verfügung stehen? Hilft das irgendwem?
Wir wollen uns zugehörig fühlen, verbunden sein, das gehört zu uns als soziale Wesen und wir brauchen es für unser Wohlbefinden. Falsche Loyalitäten allerdings sind weder der einzige Weg noch der wirklich angemessene hierfür. Spüren wir sie auf, stellen wir sie auf den Prüfstand und finden wir die Loyalität zu uns selbst!
Auch hier werden wir sinnvollerweise den Weg über die Selbstakzeptanz gehen, wie wir es schon kennen, zum Beispiel: „Auch wenn ich manchmal noch glaube, nicht besser im Leben zurecht kommen zu dürfen, als X, kann ich mich zunehmend mehr akzeptieren und mögen, so wie ich bin.“ oder „Auch wenn ich glaube, das Wertesystem meiner Eltern zu verletzen, wenn ich handele, wie ich es gut und richtig finde, liebe und achte ich mich, so wie ich bin.“
Wir haben einmal geglaubt, dass bestimmte innere Haltungen und äußere Verhaltensweisen gut dafür seien, wie wir im Leben zurecht kommen wollen. Das kann sogar einmal zutreffend gewesen sein. Und heute? Haben wir heute etwas davon? Wenn ja, was? Ein guter Satz, sogar wenn dieser sogenannte „Gewinn“ nicht so recht greifbar wird ist: „Auch dann, wenn ich etwas vermissen werde, sobald ich dem Leiden ein Ende setze und mich dann besser fühle, kann ich mich mehr und mehr annehmen, so wie ich bin.“
Experimentiere doch, experimentieren Sie doch ein wenig mit derartigen Sätzen, wenn Du bemerkst / Sie bemerken, dass Methoden, die Dir / Ihnen zunächst als vielversprechend erschienen sind, dann aber nicht wirksam wurden!
Der spielerische und neugierige Umgang mit allem, was da so im Inneren zu finden ist, kann sogar Freude machen!
Gabriela von Witzleben schlägt diese wunderbaren Sätze zum Abschluss einer Bearbeitung von schädigenden inneren Loyalitäten vor:
„Jetzt lebe ich meine Version von…“
„Auch in Verbundenheit zu … gehe ich jetzt meinen eigenen Weg.“
In diesem Sinne eine gute Woche!