Heute beginne ich mit einer Bemerkung zur Anrede: Üblicherweise spreche ich Sie hier mit „Sie“ an. Das soll im Wesentlichen auch so bleiben, denn ich möchte mich Ihnen nicht aufdrängen, so als ob wir uns schon lange kennen würden.
In meinem Blog hingegen werde ich Sie von heute an ab und zu mit „Du“ ansprechen, das erscheint mir passend, wenn ich von mir erzähle und das tue ich heute.
Ich grüße Dich also und freue mich, dass Du meine Seite besuchst!
Vor einigen Tagen gab es eine Situation, in der ich mich entschied, anders zu handeln als gewohnt. Mit meiner Entscheidung musst Du nicht einverstanden sein – mir geht es um etwas anderes: nämlich darum, auf die eigenen Gefühle zu hören und was dabei helfen kann.
Ich traf in einer Fußgängerzone auf einen Menschen, an den ich unangenehme Erinnerungen hatte. Dieser Mensch hat mit meinem Leben nicht zu tun. Ich hatte ihn zuvor nur einmal getroffen.
Ich sah ihn, er streckte mir sehr auffordernd und sehr dicht an meiner Oberbauchgegend die Hand hin. Das mag ich bei Fremden nicht besonders. Ich finde es schöner, wenn zwei Menschen sich behutsam nähern und beide schauen, ob Körperkontakt gerade passt – für beide! Zudem war mir dieser Mensch sehr schwitzig in Erinnerung. Wenn es ein fremder Mensch ist, der mir seine schwitzige Hand aufnötigen will, fühle ich mich unwohl.
In der vergangenen ersten Begegnung nahm ich die Hand, obwohl ich es nicht wollte.
Dieses Mal entschied ich anders.
Zunächst drehte ich mich weg, nahm aber rasch wieder meine vorige Position ein und dann die Hand nicht an.
Damit ging es mir gut!
Weiter ist nichts passiert, er zog sie zurück grinste verlegen und ging.
Ich habe mir erlaubt, ein wenig unhöflich zu sein, weil es mir wichtiger war, meine Körpersignale ernst zu nehmen. Die Signale, noch bevor ich mich wegdrehte, waren Muskelversteifung und eine Ganzkörper-Hab-Acht-Haltung.
In einem Video, das ich heute sah – davon gleich mehr – spricht Joan Rosenberg darüber, dass unangenehme Gefühle sich zuerst im Körper zeigen. Das fand ich spannend.
Nun sind Körpersignale nicht eindeutig. Zum Beispiel kann Erröten ganz unterschiedliche Gefühle begleiten. Unsere Bewertungen der Situation wahrzunehmen, wird also ebenso nötig sein, um uns bewusst zu werden, was gerade in uns los ist. Dennoch gefällt mir der Ansatz von Rosenberg, denn ich vermute, dass uns eine gute Achtsamkeit für Körpersignale in brenzligen Momenten sehr helfen kann.
Wenn Empfindungen uns unangenehm sind, wenn wir uns unwohl fühlen, dann neigen viele von uns – so auch ich – dazu, sie schnell wegzudrängen, über sie hinweg zu gehen, am liebsten gar nicht zu bemerken.
Das Video, von dem ich spreche, hat dies zum Thema. Ich bin mit Joan Rosenberg einer Meinung, wenn sie sagt: Nimm es wahr, nimm es ernst, keine Angst, es geht vorbei! Wenn Du das tust, wirst Du erleben, dass es Dir zunehmend besser gelingt, das zu tun, was Du möchtest, was mit Dir in Einklang ist, was gut für Dich ist.
(Natürlich spreche ich hier nicht davon, dass Du einem Impuls, jemandem eine reinzuhauen, nachgeben sollst! Missversteh mich nicht!)
Immer dann, wenn Du dabei bist, Dich selbst zu schädigen, weil Du etwas tust, was Du nicht möchtest, oder etwas zulässt, was Du nicht möchtest – dann ganz bewusst bei Dir zu bleiben und Dir damit eine neue Reaktionsweise zu eröffnen – dabei hilft Dir Dein Körper mit seinen Signalen!
Du wirst vielleicht bemerken, dass Dir, wenn Du unangenehme Gefühle und Körperempfindungen nicht wegdrängst, es Dir mit der Zeit sogar besser gelingt, die freundlichen Gefühle, die fröhlichen Gefühle, die zugewandten Gefühle ebenfalls besser wahrzunehmen und zu schauen, wie Du sie auskosten und möglicherweise auch anderen mitteilen kannst. So vermute ich.
Joan Rosenberg hat noch keine deutschsprachigen Bücher herausgegeben und auch das Video auf Youtube, auf das ich mich beziehe, ist nur in Englisch ohne Untertitel verfügbar, soweit ich weiß. Wenn Dir das keine Probleme macht, schau es Dir an, es sind nicht so sehr viele Minuten, die Du damit zubringen musst. (Ich poste hier keine links, wenn Du Joan Rosenberg auf Youtube eingibst, wirst Du fündig!)
Sie sagt unter anderem, dass es die vielen kleinen Moment-Entscheidungen im Alltag sind, die über unsere Befindlichkeit entscheiden, nicht die großen Lebensentscheidungen. Das finde ich ebenfalls nachdenkenswert!
Es geht ihr darum, präsent zu bleiben und die aktuelle Erfahrung bewusst wahrzunehmen, sich nicht abzulenken. Rosenberg nennt acht Gefühle: Trauer, Scham, Hilflosigkeit, Ärger, Verletzlichkeit, Verlegenheit, Enttäuschung und Frustration, die es auch körperlich zu spüren gilt, wenn wir sie haben. Ich möchte noch Abneigung hinzufügen. Ich fühlte Abneigung.
Rosenberg sagt, die Gefühle sind nicht negativ, sie sind nur nicht angenehm. Es ist ihre These, dass wir uns im Lauf unseres Lebens größere emotionale Stärke erwerben können, wenn wir unangenehme Gefühle zulassen und vollumfänglich spüren. Sie sagt auch: Keine Angst, das dauert gar nicht so lange, sondern vielleicht anderthalb Minuten! Sie gehen wie eine Welle durch den Körper durch und sie hören auch wieder auf, wie eine Welle ebben sie ab!
Das fand ich einen sehr schönen Gedanken, denn manchmal versagen wir es uns, ein unangenehmes Gefühl wahrzunehmen, weil wir befürchten, darin hängen zu bleiben. Ich denke darüber nach, ob wir eher darin hängen bleiben, wenn wir versuchen, uns dagegen zu wehren, abzublocken oder davonzulaufen. Dann kann es sein, dass uns dieses Gefühl hinterherläuft, und jedes Mal, wenn uns die Situation wieder einfällt, sind sofort die Körpergefühle wieder da.
Bewusstes Wahrnehmen unserer Bewertungen ist für mich die Voraussetzung für Veränderung. Die Körpergefühle, die mit einem unangenehmen Gefühl einhergehen, ebenfalls ganz bewusst wahrzunehmen und wie eine Welle durch mich hindurch gehen zu lassen, das halte ich als zusätzliche Übung für sehr hilfreich.
Das war es für heute, alles Gute bis zum nächsten Mal!