Gedanken über “Ärger” und wieder ein Experiment von Norbert Schermann
Heute möchte ich mit Ihnen über “Ärger” nachdenken, und zwar über den Ärger, den Sie sich selbst bereiten. Ja, doch, die meisten von Ihnen dürften das immer mal wieder tun. Auch ich entscheide mich von Zeit zu Zeit, mich zu ärgern, obwohl ich weiß, wie sinnlos das ist. Der Ausdruck ist ja schon bezeichnend: Ich ärgere mich…
Es ist nicht das Wetter, nicht das Computerprogramm, nicht der Nachbar, die Sie ärgern – Sie können das ganz alleine. Das Wetter ist einfach das Wetter, das Computerprogramm wurde zum Zeitpunkt der vorläufigen Fertigstellung – es wird ja normalerweise ständig überarbeitet – freigegeben, ohne dass ein Unterprogramm, Ärger zu erzeugen eingeschmuggelt wurde, der Nachbar hat seine persönlichen Beweggründe für sein Handeln. Ich will nicht ausschließen, dass manchmal einer unterwegs ist, anderen Ärger zu bereiten. Ob er damit Erfolg hat, liegt ausschließlich am Adressaten – also möglicherweise bei Ihnen.
In Diskussionen darüber reagiert manchmal jemand ärgerlich. “Aber es ist doch mein Nachbar, der mich geärgert hat! Warum schneidet er diesen einen Ast nicht ab, obwohl ich Ihn schon so oft gebeten habe?” Ist es wirklich so? Er ärgert Sie? Hat er diese Macht? Denken Sie kurz nach – er hat sie doch glücklicherweise nicht! Sie allein entscheiden, ob Sie sich ärgern wollen oder eben nicht!
Damit rede ich selbstverständlich nicht davon, dass Sie nun beginnen sollten, sich alles schön zu reden. Nichts von dem, das nicht Ihren Vorstellungen und Werten, Ihren Zielen und Ihrem Geschmack entspricht, müssten Sie gut finden, um sich nicht zu ärgern. Sie finden es nicht in Ordnung, was jemand tut? In vielfältiger Weise können Sie reagieren, ohne sich dazu ärgern zu müssen. Klare Grenzen setzen, Konsequenzen in Aussicht stellen, den Ast selbst absägen – alles ist machbar ohne dieses überflüssige Gefühl, mit dem Sie sich selbst schädigen. Ärger vermiest Ihnen die Laune, Dauer-Ärgerlichkeit raubt Ihnen die Gesundheit. Wenn Sie einfach nur nicht zufrieden sind, mit dem, was passiert, haben Sie den besseren Startpunkt zum Finden einer Lösung!
Es gibt mehr als eine Möglichkeit, darin besser zu werden! Es hilft in jedem Fall, sich von der Idee zu verabschieden, alles und jeder müsse sich nach unseren Wünschen und Vorstellungen verhalten. Gar nicht so einfach, aber machbar!
Ich möchte Ihnen nun das Organisationsethische Experiment #63 von Norbert Schermann vorstellen, das Herstellen einer Perspektivwechselmaschine! Es beginnt damit, dass Sie sich zwei verschieden farbige Blätter Papier nehmen und dann jeweils den Mittelkreis ausschneiden.
(Anmerkung von mir: Für die wenig Bastelgewohnten: Wenn Sie einen Zirkel besitzen, schlagen Sie damit den Kreis, sonst nehmen Sie für den Umriss etwas aus dem Haushalt, das passt. Falten Sie dann das Blatt in der Mitte und schneiden den Halbkreis aus, so ist es einfacher. Wozu dieser Aufwand, habe ich erst gedacht, aber nach einiger Überlegung: Damit stimme ich mich ein, ich nehme mein Tun ernst und gebe ihm Zeit.)
~ Legen sie die beiden Kreise mit einigem Abstand zueinander auf den Boden.
~ Überlegen Sie eine Situation, in der Sie mit jemandem nicht einer Meinung sind.
Formulieren Sie dazu eine Frage, der Sie nachgehen möchten.
~ Stellen Sie sich nun auf einen der Kreise und machen Sie sich Ihre Meinung bewusst.
~ Wechseln Sie auf den anderen Kreis und nehmen Sie die Beweggründe, die Perspektive,
die Argumente und sonstigen Gedanken der anderen Person wahr.
~ Schauen Sie von da aus auf Ihren eigenen Platz und nehmen Sie wahr, wo die
Unterschiede sichtbar und spürbar werden.
~ Wiederholen sie diesen Ablauf mehrmals und beobachten Sie, wie sich Ihre Perspektive
zur Ausgangsfrage verändert.
Viele gute Erkenntnisse wünsche ich Ihnen!
Bei Norbert Schermann bedanke ich mich für seine Anregungen in seinem Buch!
Ulrike Roderwald